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[OBF-421109-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 9. Nov. 1942

Herzensschätzelein! Geliebte! Mein liebes, teures Weib!

Hu-hu-und huschl-huschl-huschl-Stiefelwetter ist heute – es regnet immer noch – und das Wasser läuft schlecht ab in den Straßen – und kalt ist der Regen, kommt aus Osten – was wird er dort für einen Morast, eine Trostlosigkeit hervorrufen! Ziehst denn die Stiefelein auch schon an? Passen sie fein? Halten sie fein warm? Kriegst sie auch selber wieder aus? Mußt Dir für die Sohlen ein Paar feine Söckchen noch anziehen, damit Du die feinen Strümpfe schonst. Auf den Karpathenbergen wird es gewiß schon Schnee geben. Hast sie Dir mal angeschaut auf dem Atlas? Muß doch das Mannerli drüberhinweg, wenn es zu Dir kommen will – oder darumherum. Über den Predealpaß, Kronstadt und Arad geht die Fahrt. Geht fein schnell. Über Lemberg kommt man ebensogut.

Das Mannerli ist U.v.D. heute. Ist ein wenig kalt ist ^in dem Vorraum. Ehe ich dann schlafen gehe, mach ich noch ein feines Fußbad. Tät gleich in Deine feine warme Stube kriechen – huschl, huschl – ach, wie die Buben aus der Kinderschar, wie das Kücklein zur Glucke möcht ich mich zu Dir drängen und flüchten, gleich bis in Dein Herzel hinein – Geliebte! Ja, in diesen dunklen Novembertagen geht doch nun der Weihnachtsmann um – auch hier ist er heute umgegangen. Ganz eilig hatte er’s – durch Dunkel und Pfützen. Aber daß er umgeht will noch nicht sagen, daß er auch etwas bringt. Bist auch so mißtrauisch? Ach Herzensschätzelein – so gehen wir nun, ich hier, und Du da, mit dem Herzen immer in der Ferne – es ist etwas Schmerzliches und Köstliches zugleich! Ach Du! Wir können doch nicht anders als einander in ganzer Liebe und Treue gehören!

Dein lieber Bote vom Donnerstag ist heute zu mir gekommen. Ist doch der Tag meines Schätzeleins bis zum Abend und noch länger immer angefüllt. Vergißt schon selber sein Tagesprogramm und verengagierst Dich zweimal für dieselbe Zeit: Lichtbildervortrag und Singstunde. Wirst Dich doch nicht geteilt haben. Ich will doch ein ganzes Fraule, Du!

Ach Schätzelein! Wie könnt ich Dir noch meine Umgebung näher schildern. Ich will knipsen, aber dazu ist jetzt auch die ungünstigste Zeit. Werde Dir die Ausschnitte aus unsrer Tageszeitung schicken. Weißt – wenn man nun so im fremden Lande geht, ist man selber voller Fragen. Ich möchte gern manches über die Geschichte dieses Volkes erfahren – aber woher? Und entsprechende Beziehungen anknüpfen, dazu ist nicht Zeit, das würde mich auch zu sehr von meinem Herzlieb abführen, zu dem ich doch täglich sprechen muß, ach, muß, aus innerstem Herzensdrange. Ich werde doch später einmal nun immer mich für diese Länder interessieren. Hoffentlich hat Dir der Lichtbildervortrag einen recht tiefen Einblick in meinen Aufenthalt hier vermittelt. Ja – hier auf dem Balkan hat man immerhin noch soviel Frieden, daß man an mancherlei Unternehmungen gehen kann: Donaubrücke, Bauten, Stadtplanungen. Wir Deutschen fördern all das, nicht ohne Grund, nicht zuletzt dazu, daß die Regierungen sich Ansehen beim Volke verschaffen und damit stabil bleiben, vor allem aber, um die Länder dem Handel und Wandel der europäischen Wirtschaft aufzuschließen, si[e] zu guten Lieferanten und Abnehmern zugleich zu machen.

Auch Serbien macht seit den letzten Wochen von sich reden. Ministerpräsident General Neditsch scheint die Probleme beim Kern zu packen – abwarten, ob er Erfolg hat.

In Griechenland sind die Zustände anscheinend nun so geworden, daß man nicht mehr hat untätig zusehen können. Ein deutscher und italienischer Beauftragter sollen jetzt die Wirtschaft in Ordnung bringen. Ich denke, daß man der deutschen Organisation von vornherein einiges Vertrauen entgegenbringt, das Volk zumal.

Im Brennpunkt des Interesses steht aber nun seit gestern Nordafrika. Hast Dir schon überlegt, wie die Pläne des Gegners sein könnten? Zweifrontenkrieg in Nordafrika – eine Zange gebildet mit der Absicht, nur und [sic] die Italiener aus Nordafrika zu verdrängen – Nordafrika als Stützpunkt für einen Angriff auf Stalin und den ganzen Balkan zu gewinnen und damit den Flügel unsres ganzen Ostfeldzuges zu bedrohen. Wenn das gelänge, würden Stalin und die Balkanländer auf eine Probe gestellt, die sie kaum bestehen würden. Nordafrika darf also nicht in fremde Hand fallen. Wie werden sich die Franzosen verhalten? Viele werden jetzt wägen: gehen wir mit dem Amerikaner, und er siegt, dann haben wir nichts verloren, dann bekommen wir auch noch Tunis, das die Italiener so hartnäckig uns weigerten – gehen wir mit dem Deutschen, und er siegt, dann wird es unser Schade ebenfalls nicht sein. Wem werden die Franzosen die größeren Chancen geben? Ich glaube — unseren Feinden – schon aus einer gewissen Zuneigung. Mindestens werden die Franzosen nicht einmütig sein darin, wie bisher schon (de Gaulle). Es ist immerhin ein kühnes Unternehmen, wenn man nur an den Nachschub denkt – und bestimmt hat man seine Rechnung schon mit dem Franzosen gemacht – mindestens rechnet man mit nur schwachem Widerstand. Möcht wissen, ob man auf unsrer Seite damit gerechnet hat. Um das Anrücken solch mächtiger Flotte zu hindern, sind wir eben zu schwach, dazu braucht man Schiffe. Unsre Feinde nehmen den Kampf ernst – der Amerikaner läßt sich sogar mit seinen Menschen herbei, nicht nur mit seinem Gelde. Man darf gespannt sein, wie sich all das weiterentwickelt.

Mein Schätzelein ist schon in der Frühe zu mir gekommen, da ist es am ungestörtesten, freilich wartet dann auch der Alltag mit seiner Arbeit. Ein Montagabendkussel ist’s doch nun geworden. Du verlangst zuviel von der Post, die uns jetzt so gut bedient. Aber Dank sage ich Dir – und ich gebe es Dir zurück – mal sehen ob das Mannerli besser zielen kann: ein Sonntagmorgenkussel soll's sein – ach,da darf’s ein ganz liebes, langes sein – und ich möcht’ es auch feiner schreiben, wenn es nicht so kühl wäre.

Ach Du! Du!!! Geliebte! Zum Sonntag werd ich kommen – Dein Sonntagsbüble! Ach Du! Du!!! Ich mein es sooo gut mit Dir! Geliebtes Herz!

Ach, bist Du auch gewiß nicht ^mehr traurig darum, daß das Kalendermannerli wiedergekommen ist? Du? Du!!! Geliebte! Möchte Dich ganz froh machen, daß wir doch eines Willens sind – daß wir eins sind in dem heißen Drängen zueinander, eins in dem Wunsche, unser Glück zu krönen. Ach, daß wir damit in des Glückes Tiefe und Vollkommenheit gelangt sind – Geliebte! Geliebte! Es liegt nicht an unserem Willen allein! Ach, vielleicht müssen wir warten, bis wir für immer umeinander sind, bis unsre Herzen ganz gleichen Schlag gehen – bis sie sich ganz begegnen, in dem heißen lodernden Feuer eines Willens ganz sich vermählen. Herzelein! Ich denke manchmal, daß es bei uns ein wenig länger währt, wie auch unser Finden länger währte. Aber all das Rechnen und Spekulieren ist grundlos. Herzelein! Ich glaube doch, daß zu unserem Wollen nichts mehr fehlt als das Wollen Gottes. Und darum kann ich doch auch nicht traurig sein, und ungeduldig. Ach Herzelein! Du glaubst mir, daß ich ganz eins bin mit Dir im Willen zum Kindlein – und glaubst mir, daß ich froh und glücklich bin, mich so mit Dir eins zu wissen – daß ich ganz froher Zuversicht bin mit Dir – ach Herzelein, daß ich mit Dir warte, glücklich und mit liebendem Herzen – daß ich darin nie müde werde, daß ich Dir unwandelbar lieb und treu bleibe und daß der Wille hin zu Dir mir stärker und mächtiger wird. Du! Du!!! Ich will Dich schon noch besiegen und überwinden und ganz einnehmen – ganz ganz gefangen nehmen – will schon des Brünnleins Tiefe finden, in dem das Kindlein schlummert – Du! Du!!! Ich will – aus lauter tiefer Liebe – ich will!!!!! !!!!! !!! Ach, wenn es daran liegt – wir wissen’s nicht – wir wissen nur froh, daß so oder so es in Gottes Hand liegt – ach Du! Du!!! Wir haben einander doch so lieb! Und so Gott will, kann es nicht fehlen! Ach Du! Du!!! Weißt Du denn noch, wie lieb ich Dich habe? Hast Du es recht gefühlt? Oh Du! Du!!! Geliebtes Weib. Zu wild ist noch die Fackel – zu unbändig noch der Strom unsres Liebens. Ist noch zu jung – ach Du! Du!!! Du!!! !!! !!! !!!! Nun kann ich doch heute ein Kreuzel im Kalender machen. Und zwei wachen über dem Kalendermannerli – geht doch das Mannerli gar nichts an – doch, doch! – zwei müßten eines werden – zwei müssen zu einem verschmelzen – oh Du! Du!!! Wir werden es in der Glut unsrer Liebe!

Gott behüte Dich – Herzelein! Bleib mir gesund!

Ach Du! Bleib froh und glücklich mit mir! Wirst Du mein warten können? Ich warte Dein, solang ich lebe! Ich bleibe Dein!

Ewig Dein [Roland],

Dein glückliches Mannerli!

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[Bukarest] Montag, den 9.Nov.1942: Hu, es ist kaltes Regenwetter, Stiefelwetter. Roland denkt an den Morast, den die Soldaten an der Ostfront durchwaten müssen. Er fragt Hilde, ob sie auch die Siefelchen trägt, die er ihr hat machen lassen, als er in Saloniki stationiert war? Heute ist er U.v.D. [Unteroffizier vom Dienst] und in dem Vorraum ist es kalt. – Er würde ihr gerne Bilder schicken von seinem Standort. Demnächst wird er Bilder aus Zeitschriften ausschneiden und ihr schicken. Roland möchte mehr über Land und Leute erfahren und über die Geschichte von Rumänien. Da Hilde in der Heimat einen Lichtbildvortrag über Rumänien gehört und gesehen hat, weiß sie womöglich mehr über das Land als er. – Roland schreibt, dass auf dem Balkan noch so viel Frieden ist, dass man Bauten und Brücken besichtigen kann. Die Struktur und neue Gebäude werden von Deutschland aus gefördert in der Hoffnung auf späteren Handel und Wandel. Auch Serbien mit Ministerpräsident General Nedić packt die Probleme an und wird von Deutschland unterstützt. Auch Griechenland wird geholfen. Man konnte wohl nicht länger mit zusehen bei den Missständen. – Nordafrika macht ihm Sorgen. Er fürchtet einen Zweifrontenkrieg und dass deutsche Truppen dort in die Zange genommen werden. Vorderasien soll wohl ein Stützpunkt für Stalin werden und der ganze Balkan ebenso. Damit wird der ganze Ostfeldzug bedroht. Nordafrika darf nicht in Feindeshand fallen. Wie werden sich die Franzosen verhalten? Gehen sie zu den Amerikanern? Dann bekommen sie Tunis. Das Anrücken solch mächtiger Flotte zu hindern, sind wir zu schwach. Dann braucht man Schiffe. Unsere Feinde nehmen den Kampf erst. Die Amerikaner setzen sogar ihre Menschen ein und nicht nur ihr Geld. – Roland kann ein Kreuz im Kalender machen, weil Hilde nun doch ihre Periode bekommen hat. Er versichert ihr, wie stark er sie liebt.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946