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[OBF-430122-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 21. Januar 1943

Geliebte, Herzallerliebste mein! Meine liebe, liebste [Hilde]!!

Ach Du! Du!!! Ein Menschenkind ist, das sooo lieb, sooo lieb zu mir kommt, jeden Tag – das nach mir fragt, das sich um mich sorgt, das mir seine Liebe bringt – oh Du! Du!!!

Geliebte mein! Es denken wohl auch andre mein – und kommen zu mir im Boten – aber Du! Du!!! sooo lieb, sooooo lieb – und treu – oh Geliebte mein, so kommst nur Du! nur Du!!! Mein Alles! Meine liebe liebste [Hilde]! So fest können nur Liebende einander halten! So drängen nur Liebende zueinander – ganz nah zueinander – so innig und fest verbunden sind nur zwei, die sich für ein ganzes Leben zusammengaben – die ihr Selbst und Ich auslöschten oh Geliebte! Unlösbar miteinander verbunden!

Herzlieb mein! Dunkel schaut es wieder einmal ringsher, dunkler als sonst. Dein lieber Sonnabendbote zeigt sie auch auf:

Fliegeralarm seit langem wieder einmal – neue Lazarette – Wintersnot (zwei Kameraden, die im Urlaub waren, berichten davon, daß die Kohlen sehr knapp sind), und die Nachrichten von den Fronten sind ernst und lassen viel, viel Leid ahnen. Du hast es gewiß verfolgt: Der Stützpunkt Welijke Luki [sic] wurde aufgegeben – und Stalingrad ist eine Insel, ist nicht mehr Front. Allenthalben zeigt sich der Feind überlegen an Zahl der Menschen und unsre Kriegsziele sind so gesteckt, daß wir die Front nicht verkürzen dürfen, daß wir nicht zurückgehen dürfen, Sieg ist nur bei uns, wenn wir all den Gewinn halten. Und um ihn zu halten sind immer mehr Anstrengungen erforderlich, immer mehr Menschen, Opfer – wohinaus soll das noch führen? Niemand weiß darauf eine Antwort. Und immer mehr fordert man von Euch daheim, immer mehr muß dem Ungeheuer Krieg in den Rachen geworfen werden – wie weit wird man das noch treiben?

Oh Geliebte! Du, mein liebes Weib! Eines lassen wir uns nicht nehmen, eines lassen wir uns nicht enteignen, um keinen Fußbreit, um keinen Herzschlag: Unsre Liebe! Du! Du!!! Oh Geliebte! Dazu bist Du nicht weniger entschlossen als ich, dafür trittst Du nicht weniger mutig ein als ich: Unsre Liebe muß uns bleiben! Und mit diesem Willen, mit diesem Entschluß des Herzens wenden wir uns zuerst bittend zu Gott – er, der uns die Liebe schenkte, er kann sie auch erhalten – und er wird sie uns erhalten – darauf setzen wir unser ganzes Vertrauen!

Und was an uns liegt: die Liebe wird uns leiten! Die Liebe wird uns leiten in allem!!! In unseren Entschlüssen des äußeren Lebens: Herzlieb mein! Soviel Freiheit wir uns erhalten können, soviel Eignes, [sic] soviel Stunden für uns - daran wollen wir immer denken! Immer denken! Geliebte! Geliebte!!!!!

Und unser Herz? – Mein Herz bleibt Dein Eigen bis in den Tod – bis in den Tod! Ganz Dein!!! Oh Herzelein! Darüber wacht meine Liebe – darüber wacht meine Liebe und die Deine. Ich lasse Dich nicht! Ich behalt Dich ewig lieb! Oh Herzelein! Je dunkler es wird, desto fester halt ich Dich! Halt mich an Dich: Du mein All und Einziges hier in der Welt! Oh Geliebte! Trage Dich in mir als meinen einzigen, köstlichen Schatz – als die Hoffnung auf künftige bessere Zeit, auf den Frieden – als das Bleibende, Treue, Beständige – ach Geliebte, als mein Herze selber – und meine Heimat, Mein Leben!

Ohne Dich bin ich arm und verlassen – ohne Dich wird nie Frieden - ohne Dich ist das Herze leer, sinnlos das Leben – ohne Dich kann ich nie mehr heimkehren – kann ich nicht mehr leben!

Oh Du, Geliebte mein! Laß uns zusammenstehen! Laß uns entschlossen und gefaßt auch Schwerem entgegensehen! Laß uns wappnen mit Mut und Härte und Entschlossenheit, Geliebte, auch mit Härte! Laß uns das Herze ganz fest in die Hand nehmen oh, hilf mir, unser Eigen zu hüten und zu bewahren!

Ach Du! Ich vertraue Dir darin doch ganz! Und ich weiß dein ganzes Herze hinter Deinem Bekenntnis, daß mich sooo glücklich macht: “Ich halte Dir die Treue und gehe durch die Zeiten stets als Dein Weib, ich halte alles fern, alles Böse, Schlimme und Häßliche, das unseren Bund gefährden könnte.” Oh Du, Geliebte mein! Dein [Roland] geht nicht anders hier in der Fremde – Du weißt es! Und anders können wir unsre Liebe auch nicht bewahren – anders ginge sie uns verloren in ihrer Schönheit und Freiheit und Ganzheit.

Oh Herzelein! Alle Herzenskraft, deren ich fähig bin, alle Treue, aller Mut und Trotz helfen unsre Liebe bewahren. Ich müßte mich ja selbst verleugnen und auslöschen.

Oh Geliebte! Unsre Liebe ist meine Heimkehr, meine Heimat, ist alle Hoffnung auf eine bessere Welt, ist aller Glaube an Gutes und Bleibendes in dieser Welt, ist alle Bindung an Pflicht und Ehre und Gewissen – ist mein Leben selbst – Du! Du!!! Geliebte mein! ist nicht zuletzt aller Glaube an das Schicksal, an Gottes Allmacht und Gerechtigkeit und dieses Lebens Sinnhaftigkeit —

Herzelein! Meine [Hilde] Du! So ist meine Liebe im innersten Herzen verankert – Oh Herzelein! Dir will ich all diese Liebe bewahren, Dir sie schenken – will – ich muß!

oh Du! Geliebtes Weib! Wie die Welt sich ringsher auch noch gebärden mag – ich glaube an Deine Liebe! an Deine Liebe, die diese noch so sonnig und glückvoll macht, die alles Gute in mir aufruft, oh Geliebte!

Du! Du! Mein liebes, einziges Weib! Liebe, die froh und selig macht und glücklich im Herzen! Liebe, mit der alles Gutsein, alle Tiefe und Innigkeit des Herzens ist! Liebe, die unser Herze in seinen feinsten Seiten berührt, die dem Menschen Schwingen verleiht, sehende Augen – oh, die unser Leben sooo reich und wert macht! Deine, Deine Liebe!

Geliebtes Herze mein!!! Herzelein! Schätzelein! Ein lieben guten Morgen wünsche ich Dir! guten Morgen! Guten Morgen! Liebste!

Und was ist für ein schöner herrlicher Morgen! In eine silberverzauberte Welt schaue ich und ein heller Tag ist es – kalt, aber eine herrliche Luft! Ich freue mich auf meinen Mittagsspaziergang – gehst mit mir? Du! Liebes, Liebstes – ich nehme nur Dich mit – hak fein unter – ach, ich glaube, noch näher bist Du mir – im Herzen drin!!! War nur eine kurze Nacht – aber lieb hab ich doch von Dir geträumt – Du!! Gereiht sind wir Drasch hatten wir um Fahrkarte und Zug – gefahren sind wir auch – dann aber waren wir irgendwo zu Haus – fremd waren wir da, in einer Pension, vielleicht, wie bei F., nur größer. Und das Mannerli schaute sich nach den Zimmern um – da war ein großes helles, darin standen neben einander zwei kurze Gitterbettlein (!), und ein schmales, darin ein langeres [sic] Bettlein und ein Sofa (wie oben in Schmilka). Und als das Mannerli zurückkehrte von der Kundschaft, da war mein Herzlein schon im Engelkleidel [sic] (war oben gar nicht zugebunden) und schickte sich eben an zu dem letzten Geschäft des Tages – Du!!! – und weil noch andere Leute in der Pension waren und es so tönern läutete(!), hat es schnell die Tür zugemacht – Du!! – und dann war der Traum doch aus, Du!!! Du!!!!! Und ich hätte ihn doch sooo gern zu Ende geträumt! – Du! Wie es wohl weitergegangen wäre? Welches Kämmerle hätten wir denn gewählt? – Du, ganz hell war es am Tage – und wir müssen doch ganz müde gewesen sein – oder ganz voll Sehnsucht – Du!!! Du!! Du!!!!!!!!!!!!!!

Woher kommen dem Mannerli die liebheimlichen Bilder und Träume? Oh Herzelein! Wo war all das schon einmal Wirklichkeit?

Oh Geliebte! Und wann wird es wieder Wirklichkeit werden: die Traute des Kämmerleins – die letzte Herzenstraute – Du! und ich – Dein und mein – die Feier unsrer Liebe!!!

Du! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!! Von Dir kommen all die, lieben Träume – bei Dir war all das Wirklichkeit – und wird es wieder Mein! Und all mein Träumen geht zu Dir – all mein Sehnen!!! Mit Dir allein kann ich ganz glücklich sein und werden!

weißt, [sic] wer dann ganz munter wird, inmitten der Nacht? Dein Sonnenstrahl. Wohin er zeigt? – und wen er sucht! und sein Herzblümelein, sein einziger lieber Herzblümelein – will seine Glut senken in des Blümeleiner Grund – oh Du! Du!!! Glut zu Glut – Glut zu Glut – zum Meer der Liebe – zur Liebe Seligkeit!!! U.v.D. bin ich doch heute, Herzelein! Und ein ganz verquerer Tag ist es auch bei uns: ausgerechnet jetzt im Januar besinnen sich die Herren auf den Infanteriedienst. Also in Zukunft am Donnerstagnachmittag Exerzierdienst. Dazu hatte man heute auf dem alten Judenfriedhof, der in der Nähe unsrer Unterkunft liegt, ein paar Quadratmeter vom Schnee freigeschaufelt, sodaß die Mannschaft sich eben aufstellen konnte. Heller Unverstand. So haben wir in ein paar Stunden exerziert. Natürlich nur als Unteroffizier das Mannerli. Ja, das sind so Scherze, die uns nun einen Nachmittag verkürzen – zum Dienst gehen wir dann nicht mehr – und die Arbeit bleibt liegen.

Ach Herzelein! Ich komme nun heute wieder nicht dazu, auf Deine lieben Boten einzugehen – ich freue mich doch schon ganz sehr auf den morgenden [sic] Abend, daß ich zu Dir kommen kann.

Das Mannerli wäre schon im Bettlein, wenn nicht ein Soldat noch unterwegs wäre, nun ¾ Stunde schon über die Zeit. Aber ich warte nun auch nicht länger.

Mein Herzensschätzelein wird schon im Bettlein sein – aus der Singstunde heim – wird es schon ganz sein warm sein im Bettlein? Sonst komm ich gleich – Du! Wird es schon fein schlafen? – Oh Geliebte! Daß ich erst schon für immer in Deiner Nähe leben durfte! an Deinem Herzen ruhen – ach Du Herz an Herzen – einander ganz lieb zu halten in dieser armen kalten Welt! Zu Dir flücht ich mich, an Dein Herz! Und Du flüchtest zu mir! Vor der Weltenkälte! Vor ihrer Lieblosigkeit und ihrem Haß.

Behüt Dich Gott! Geliebte! Schlaf gut! Und träum vom Mannerli – und behalt mich lieb!

Ich liebe Dich — sooo sehr !!!

Und küsse Dich wie vieltausendlieb? Du! Du!!! Du! Ich glaub, das Mannerli kann sich auch sehnen – Du!!! Oh Herzlieb mein! Nach Dir! nach Dir!!! nach unserem Leben! nach dem ganzen, geliebten Herzblümelein!!! Oh Herzelein! Und wie Dir all meine Liebe gehört, so gehört Dir all mein Sehnen! Und wie diese Liebe nur in einen Wunsch mündet, wie sie nur ein Ziel hat, ganz gerade und entschieden, so auch die Sehnsucht. Oh Herzelein! Ich bin fein geduldig mit Dir! Und trage wie Du die Sehnsucht ganz tief im Herzen – nur Dir sichtbar, niemandem sonst.

Oh Herzelein! Ich halte aus, harre aus mit Dir! Und trage glücklich die Sehnsucht im Herzen! Ist doch das Walten meines Schätzeleins im Herzen, das Ein- und Ausgehen in den Herzkämmerlein! Du!!! Und trage gläubig unser Ziel im Herzen: unsre Liebe, unser Leben!

Oh Du! Reicher können wir nicht werden, schöner können wir unser Leben nicht krönen – unser Leben in Liebe ist unsrer Treue Lohn! und Sieg!!!

Geliebte mein! Gleich ist es mittag. [sic] Reinmachen steht heute auf Deinem Programm. Und wenn das Mannerli daheim wäre, würde es Deiner Aktivität nicht entgehen – gelt? Ganz zuletzt käm er dran, gelt? oder zu vorletzt – Du!!! Aber einen dicken Vorhang ziehe ich – vor die Fenster – das dachtest Dir schon, gelt? Ach Du! Du!!!

Leb wohl nun! Bis auf heut abend!

Magst denn das Mannerli so oft bei Dir haben?

Behüt Dich Gott! Er sei mit Dir auf allen Wegen!

Ich küsse Dich vieltausendlieb! Und hab Dich so ganz lieb! Und halt Dich so ganz fest? Du darfst nicht von mir gehen! Du!!! Oh Herzelein! Mit allen Banden meines Herzens halt ich Dich! Und so fühle ich mich von Dir gehalten! So glücklich! So ganz glücklich – und gläubig – und voll Dank zu Gott!

In Liebe und Treue

ewig Dein [Roland] !

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946