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[OBF-430125-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 24. Januar 1943

Geliebte mein! Herzliebes Schätzelein! Meine liebe [Hilde]!!!

Nun soll der Tag ausklingen, womit er begonnen hat, mit dem Deingedenken.

½ 8 Uhr ist’s bei uns. Ich habe eben fein Abendbrot gehalten, und nun mich zu Dir gesetzt. Will Dir erst sagen, wie mein Sonntag verlief. Nach dem Frühstück habe ich erst Deinen Boten abgeschlossen und bin dann einmal zur Dienststelle gegangen. Es war Mittagszeit, als ich zurückkam. Nach dem Essen habe ich erst einmal Päckchen versandfertig gemacht. Das nimmt immer eine ganze Zeit in Anspruch, das weißt Du ja.

3 Uhr war es, daß ich endlich an die Luft gehen konnte. Mußte vorher noch den Ofen warten – das Holzfeuer brennt doch schnell nieder. Meinen alten Weg bin ich gegangen. Ich weiß keinen schöneren und keinen, auf dem ich schneller das Freie gewinne. So strahlend wie gestern war die Sonne nicht, und Schlieren am Himmel scheinen auf anderes Wetter zu deuten. Aber tüchtig getaut hat es wieder. Auf dem Heimweg begegnete ich einem Kameraden – sein Haar ist schon ziemlich angegraut. Wir kamen ins Gespräch und schließlich ging er mit mir. Er ist auf der Insel Norderney zu Hause. Hat von Kriegsbeginn bis in den Juni vorigen Jahres auch daheim bei der Flak Dienst tun können. Er kennt auch den Mann von Irmgard, weißt? U., so sagte er mir den Namen, ist jetzt Batteriechef auf Norderney. Ich erzählte davon, daß sie ihren Mann mehrmals besucht habe, und da besann er sich. Es gab eine ganz nette Unterhaltung. Unser gemeinsames Ziel war die Kurierstelle auf der gegen 5 Uhr die Post einläuft. Und das Mannerli hat nicht umsonst gewartet. Ach Du! Sei von ganzem Herzen bedankt! Vom Dienstag/ Mittwoch ist der Bote, der vom Montagabend ist noch nicht bei mir, wenn Du da zum Schreiben gekommen bist, wie Du vorhattest.

Es geht daheim wieder mal bissel versitzt zu, gelt? Ich denke an die Alarme, an Mutters Wachdienst, an Dein weiterhin verstärktes Programm – ich glaube, es ist wieder einmal Januar, der bisher immer eine neue Unruhe brachte.

In unsrer Sonntagzeitung steht auch ein reichlich nervöser Artikel, von Berlin übernommen, der ankündigt, daß infolge der neuen Lage an den Fronten mit dem härtesten Einsatz aller gerechnet werden müsse. Von dieser allgemeinen Nervosität sticht wohltuend und beruhigend Deine Meldung ab, daß Frau K. und Frau L. vier Wochen in Erholung fahren nach Oberbayern. Siehst Du, so geht es auch.

In dieser Rede soll keine Spitze für Dich liegen. Frau L. ist dieser Erholung bestimmt bedürftig, ich neide ihr die 4 Wochen nicht und mag dafür lieber mein gesundes Weiberl daheim haben.

Aber laß Dir Zeit, Schätzelein, denk an Dich, an uns, daß es zur Notwendigkeit solch radikalen Ausspannens gar nicht erst kommt. Wenn Du Dich übernimmst und nicht weiterkannst, dann ist es aber mit Verschiedenem vorbei, dann wird Dich Dein Mannerli aber ganz streng halten.

Soweit und auch nicht nahe soweit läßt Du es doch gar nicht kommen, ja? Ich würde es doch merken. Soweit läßt Du es nicht kommen um unsrer Liebe willen! Du!!!

Ja, da ist ja nun mancherlei Freude, deren Zeuge Du bist – und da bleibt es gar nicht aus, daß man mißt an der eigenen Freude, am eigenen Geschick. Und wenn wir das tun, müssen wir immer wieder erkennen, welch gütiges Geschick uns bisher beschieden war, ach, so wundersam gütig. Ganz froh und dankbar wollen wir darüber immer sein.

Welch hartes Schicksal vollzieht sich augenblicklich in Stalingrad – für die Soldaten dort und für die Angehörigen daheim, die ihre Männer dort eingeschlossen wissen! Gott helfe allen zum letzten Frieden!

Warum Stalingrad nicht früher aufgegeben wurde? Weil der Kampf um die Stadt viel russische Kräfte bindet, die sonst den Stoß auf Rostow verstärkt hätten und weil Stalingrad als bedeutende Wegkreuzung wichtig ist für den russischen Nachschub.

Heute ist hier Feiertag, viele Gebäude tragen Flaggenschmuck. Man feiert die Vereinigung der beiden Herzogtümer Moldau und Walachei in Jahre 1854. – Dr. Kleinmann, eine führende Person des deutschen Eisenbahnwesens, hat hier Besprechungen geführt um Verbesserungen im Verkehr mit dem Reich. Ob sie auch an Mannerlis Urlaub gedacht haben?

Schon geht es in die lezte [sic] Woche des Januar – dann nur der kurze Februar und als letzter voller Monat, in dessen zweiter Hälfte doch alles schon ganz nahe rückt, der März.

Ach, gebe Gott, daß unser Wünschen sich erfülle. Und weil ich eben beim Kalendermachen [sic] bin – muß ich doch heute auch das Herzelein wieder auf die Reise schicken! Ach Du! Soll Dir doch, ein Zeichen sein, daß ich an all Deinem Leben liebsten Anteil nehme, daß ich so glücklich bin, daß Du mich daran Anteil nehmen läßt, liebsten Anteil! Daß Du Dein Mannerli ganz lieb teilhaben läßt an dem Wunder Deines Blühens – daß mein Herzblümelein dem Sonnenstrahl sich ganz erschließt. Ach Du, Geliebte mein! Mein Leben ist doch so recht nun Dein Leben, in all seinen Regungen; denn Du hast die Liebe in mir angezündet, die nun im Herzen brennt, alles wundersam verwandelnd – darum ist mein Leben nun so recht das Deine!!!!! Und Dein Leben – Geliebte mein? – Dein Leben, Du?!!!! Oh sag es mir! Sag es mir zu höchstem Glücke!!! Im Herzelein bekennst Du es mir: “Ich lebe im Sonnenschein Deiner Liebe” – oh Du! Du! Geliebte mein!!! Dein Leben ist mein Leben, mein Leben, Du! mein Eigen!!! Oh ahnst Du denn, wie glücklich Du mich machst: Meine [Hilde]! Meine liebe liebste [Hilde]!!! Dein Leben ist mein Leben – mir erblüht es in all seinem Wunder – oh Du! Du!!!

Und nun kommt Dein Sonnenstrahl, um Dich auf ganz besondere Weise lieb zu haben in diesen Tagen: Du! es geht doch in aller Wirklichkeit ein Strahlen zwischen uns!

Ach Du! Du!!!

Lauter Kraft, und Wärme, und Linderung – und Liebe, Liebe will ich Dir strahlen! Und wenn ich für immer schon um Dich sein könnte, dann wäre auch Wollen und Wünschen in diesem Strahlen – Du! Du!!! In jedem Blick, in jeder Liebkosung strahlte es Dir dann und ginge es heimlich zwischen uns: das Bereiten zum Kindlein – Du! Du!!! Oh Geliebte mein! Wir können so glücklich miteinander sein! Du! Du!!! Dies Glücklichsein lassen wir uns nimmer rauben! Aber dazu müssen wir es fein lieb hüten und verwahren und ganz heimlich halten – magst Du das? Magst Du mit Deinem Mannerli das liebste Geheimnis haben? Oh Du! Du!!! Geliebte mein! Dann dürfen wir des Lebens Wunder erleben – dann dürfen wir dem Murmeln der tiefsten Quellen dieses Lebens lauschen, dann können wir ganz reich und glücklich sein!

Oh Herzelein! Voll Sehnsucht, voll Sehnsucht denke ich der Stunden, da wir zu diesen Quellen gehen, da das Wunder sich uns auftut – oh Herzelein, denke voll Sehnsucht zurück an die Stunden da Du Dich ganz mir schenktest! Oh Herzelein, Du! Wie will ich lieb und treu es hüten und verschließen in meinem Herzen – unser Glück! Du! Weil ich Dich sooo liebhabe und sooo glücklich mit Dir bin, kann ich doch ganz treu sein! Bist mein einziges, geliebtes Weib! Mit Dir will ich das liebste Geheimnis haben, mit Dir das Wunder des Lebens schauen, oh Geliebte, mit Dir in letztem Vertrauen verbunden sein auf Leben und Tod. Oh! Du sollst es erkennen, ob je ich ein andres Weib schaute, ob ich Dich verriet, ob ich unser Glück befleckte und verriet — ich könnte Dir nicht mehr heimkehren – und ich will doch nichts sehnlicher, als Dir heimkehren! Oh Geliebte mein! Will heimkehren zu Deinem Herzen, meiner Heimat!!!

Oh Du! Du!!! Was wäre mein Leben noch, wenn ich es Dir nicht mehr so ganz weihen könnte? wenn ich es nicht mehr in Deiner Liebe wüßte – wenn Du mich nicht mehr lieb hättest! Oh Du! Du!!!

Oh Du! Geliebte mein! Ich bin doch nun am Ziele meines sehnlichsten Wunsches:

Ich habe einen Freund! einen Weggefährten! Dem ich mich verschworen habe mit all meiner Liebe und Treue! Ich habe ein liebes Weib gewonnen – und er hat mich gewonnen - oh Du! nun ist soviel Glück und Reichtum und Seligkeit. Herzelein! So sehnend dieser Wunsch einst in meinem Herzen brannte, so vollkommen ist nun das Glück seiner Erfüllung.

Oh Geliebte! Und wie einst alle Lebenskraft in diesen Wunsch mündete und ich auf dieses Ziel zusteuerte – so halt ich nun mein Glück und halte den Kurs.

Oh, Du kennst Deinen [Roland]. Er liebt nicht von heute auf morgen – er liebt nur einmal in seinem Leben - er liebt Dich so ganz allein! Meine liebe [Hilde], Du! Will nun aufhören heut abend. Will noch ein paar liebe Boten zur Hand nehmen und dann in Deiner Liebe hinüberträumen!

Behüt Dich Gott!

Ihm befehlen wir uns an - ihm vertrauen wir unser Glück, und Leben!

Du! Ich hab Dich so lieb – sooo lieb! Oh Du! Du!!! Bin Dir in Liebe ganz fest verbunden – Bist doch mein Ein und Alles! Meines Herzens Vertrauteste!

Du! Unser ist das Geheimnis u. Wunder der Liebe!!!

Herzelein! Gleich ist wieder der Montagvormittag um. Es gab heut morgen laufend zu tun, weil Sonnabendnachmittag und Sonntag nicht gearbeitet wird. Aber nun ist der Tisch fast wieder geräumt und ich habe ein Viertelstündchen, um Dir noch Ade zu sagen und – daß ich doch bald wieder zu Dir komme - Du!!! in 8 Stunden schon bin ich wieder bei Dir – ganz fest bei Dir. Ja, nun heißt es wieder ein Wochenende und einen Sonntag sich verdienen.

Dein Wochenanfang ist wieder dicht besetzt – und am Ende schont sich mein liebs [sic] Fraule fein – gelt? Du!!!

Ach Du! Nun strampelt jeder so für sich einher und hat seine Beschäftigung – und ginge doch am liebsten mit dem Geliebten an die Lebensarbeit und -aufgabe – ja, Du! Du!!!

Oh Herzelein! Ein einzig Warten, Gedulden, Verharren ist doch unser Leben jetzt – aber auch dies Ausharren ist eine Aufgabe, ach, an der viele scheitern. O Geliebte! Einander treu gesinnt bleiben und festhalten und den Schlüssel zum Glück lieb und treu – ganz lieb und treu – verwahren. Oh Du! Das tut doch Dein Mannerli – oh Geliebte mein!

Ganz wach ist es – und ganz erfüllt von Eifer, von liebem glücklichen Eifer, unser Liebstes zu schützen, Dich, mein Herzlieb, zu schützen – oh Du! Geliebte mein!

Ganz lieb und fest hülle ich Dich in meine Liebe, mein Eigen, Du!!! Du, ganz eifersüchtig wache ich darüber, daß niemand Dir zu nahe tritt – oh Du! und darüber, daß jemand mich von meiner Liebespflicht auch nur abhalten könnte!

Oh Du! Geliebte mein! Laß mich immer Deinen [sic] Beschützer sein, Deinen Sonnenstrahl!

Du! Geliebte mein! Wann werd ich Dich wieder einmal ganz lieb einhüllen können – ganz wirklich?

Oh Du! Ich habe Dich soo lieb!

Behüt Dich Gott!

Ich bleibe in ewiger Liebe und Treue

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946