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[OBF-430206-001-02]
Briefkorpus

Sonnabend, den 6. Februar 1 9 4 2

Geliebtes, teuresHerz! Du! Meine liebste [Hilde]!!

Herzlein! Geliebte! Nun ist unsre Stunde! Ach Du!

Wie möchte ich so lieb zu Dir kommen, sooo lieb! Du! Du!!! Dir zu Dank! Aus lauter Liebe! Ach Herzelein! Zu fester und gewisser Getrostheit auch: Ich bin ganz Dein! Und bleibe ewig Dein! Du! Mein Liebstes! Dein lieber Bote vom Montag ist bei mir! Oh Du, Geliebte mein! Du kommst sooo lieb, zu lieb zu mir in diesen Tagen. Ach, es ist doch so, wie Du schreibst: Über dem was um uns vorgeht, will gar keine rechte Freude mehr aufkommen. Den Atem hält alles an. Und das Herze will jag [sic] werden manchmal – und schließt das Liebste fester ein, als könnte es sonst verloren gehen. Ach Geliebte! Du verstehst das. Du fühlst das so wie ich. Und wenn Dein Mannerli einen Tag mal nicht so beredt ist – Du weißt, es hängt mit allen Herzfasern, mit all seiner Liebe an Dir! Und es hat Dich lieb in allem Sorgen. Es hat Dich immer lieb, und wäre es noch in einem Grollen. Ach Du, Geliebte mein! Als ich heute nach dem Mittag spazieren ging, die Landstraße entlang, weil sie trocken ist, allein, da drängten sich auch so viele Gedanken in meinem Kopf. Wer mich sonst so gehen sieht, mag wohl denken, daß ich einsam bin – er mag nicht ahnen, daß ich doch in liebster Begleitung und Gesellschaft bin, daß ich ganz froh bin, daß mir garnichts fehlt zum Glück. Aber heute, mir selber zuschauend, mußte ich einmal denken: so verloren und verlassen würde ich durch die Welt dunseln [sic], wenn ich Dich nicht hätte. Geliebte! Und so verloren und fremd und verlassen wäre ich, wenn Du von mir gingest. Und es hielte mich dann nirgends mehr als eben in solch verlorener Fremde und Einsamkeit der Landstraße.

Oh Du! Geliebte mein! So einsam wanderte ich doch schon lange – Sehnsucht im Herzen. Aber ich empfand die Einsamkeit nicht, weil ich die Geborgenheit der Heimat, die Seligkeit Deiner Heimat, nicht kannte, weil meine Augen die eine Frage noch nicht gestellt hatten. Und nun, im Glücke Deiner Liebe, kann ich mir doch gar nicht mehr denken, wie ich so einsam habe gehen können. Und nun erst wäre Toteneinsamkeit um mich, wenn ich Dich verlöre.

In meine Unruhe und Wirrnis ist nun Dein lieber Bote gekommen. Ich ging nach dem R. zur Dienststelle – und erledigte ein paar Arbeiten. Dann sah ich den Postillon kommen. Hinunter schnell. Und Deinen Boten mir geholt – “sie haben noch etwas”, so rief der Postillon mir nach. Ja, ja, das hat Zeit – so antwortete ich. Ach Schätzelein, Herzelein! Geliebte!!! Du! Du!!! Hier ist Dein [Roland]! Dein! Nimm ihn doch! Ach Du! Ich hab Dich doch sooo lieb! Und Deine Liebe, unsre Liebe, die erfüllt mein ganzes Herzen. Und alles Hoffen und Glauben, Suchen und Sehnen, Denken und Trachten, Freuen und Leiden und Sorgen geht nun unsre Liebe – kommt und geht zu Dir!

Das ganze Leben kreist um Dich! Du! Meines Lebens Sonne und Mitte, Du! Du!!! Geliebte! Meine [Hilde].

Ach Herzelein! Schätzelein! Nun ist soviel Friede und Freude bei mir!

Als ich vorhin kurz vor 6 Uhr, nach Hause ging – strahlte der Himmel Frieden und Andacht, unirdisch verklärt – und in dem Sehnsucht leuchtenden Gezelt standen golden gewirkt das Mondsichlein mit dem Abendstern, und das Sternlein darunter, wie ein Kindlein, das aus der Wiege gefallen ist. Ach Du! Ich schaute mit Freude und Andacht diese erhabene Schönheit – und sah darin unsre Liebe! Deine unendliche, wundersame Liebe! Du! Du!!! Herzensschätzelein! – Meine [Hilde]!!! Das liebe Herzelein ist wiedergekommen – wer gab Dir denn diese Worte ein! Du! wer gab Dir diese Worte ein? „Nimm mich hin – im Kleinsten treu – so warte ich Dein – im Kleinsten treu, so warte ich Dein!" Oh Du! Du!!! Du!!!!! Das gab Dir die Liebe ein, die Liebe! Deine unendliche Liebe!!! Oh, daß ich darum immer recht wiederliebe! Daß ich nicht nachlasse, Dich festzuhalten, Du, mein Alles!!! Daß ich darum nicht irre werde einen Augenblick!

Aber Du mußt mir auch bleiben! Du mußt auch bei mir bleiben! Du bist doch mein Einziges! Mein Einziges! Ach, sonst kann ich nimmer froh werden. Ach Du! Ich glaube, wenn Du Deine Pflichten überzählst vor Deinem Gewissen – Du vergißt in Deiner Gutheit ^ vielleicht die eine ganz! Du hast mich doch gehalten mit Deiner Liebe! Du bist mir beigestanden, überallhin mir gefolgt, und hast mich froh gemacht, Du hast mir die ganze Kraft Deines liebenden Herzens täglich gestrahlt, Du hast mich gehalten, immer, so lieb und treu! Du hast mir die Heimat gehalten und warst bereit, mich zu empfangen, jede Stunde!

Und ich denke doch bangend, daß Du es in Zukunft vielleicht nicht mehr so kannst, daß man Dich abhalten wird von dieser liebsten Pflicht, davon abdrängen, daß Du abgeben mußt von Deiner Kraft an andere, nun, da es gerade erst dunkel werden will, und schwer, da wir einander erst recht festhalten möchten – ach Du! Du!!!! Dies mein Bangen mußt Du verstehen, mußt Du erkennen, glücklich erkennen: Ich lebe doch von Deiner Liebe! – von Deiner Llebe allein!!! Mein Alles, Du! Mein Einziges! Meine [Hilde]!!!

Du mußt bei mir bleiben! Und Du verstehst das. Du fühlst das. Und Du willst mir liebend beistehen fürderhin. Und Du bekennst es doch auch. Du wartest auf meine Liebe, Du lebst von meiner Liebe. Und nicht einen Strahl sollst Du je entbehren, Geliebte! Darüber werde ich eifersüchtig wachen! Nichts kann mich abziehen von dieser Pflicht, sie geht über jede andere, solange ich noch eine Freiheit habe – und sie macht einzig froh und glücklich – ich anerkenne nur sie und zuerst, weil ich so sehr Dich lieben muß – ach, weil Du mein liebes einziges Weib bist, ohne das mein Leben keinen Sinn mehr hat – mag man mich schelten und mißverstehen oder belächeln – und wenn mein Leben in Liebe verglüht – dann hat es einen Sinn gehalt, ich konnte ihm keinen höheren geben – ich, kann ihm keinen höheren geben jetzt, weit ich Dich so liebhabe! Oh, Gott, – der uns, diese Liebe schenkte, wird uns das vergeben. Er wird unsre Herzen recht lenken zu sich – ja er schenkte uns diese Liebe – zu rechter Stunde – daß wir einen Halt haben – die Liebe! Sie ist ein Halt, sie ist der einzige mir, und Schlüssel zu allem Frohsein und rechter Herzensfröhlichkeit inmitten dieses Dunkels, oh Geliebte, Schlüssel auch – zu allem tiefen Erkennen des Wahren und Echten und Bleibenden, und Mitte des Lebens, und Wurzel und Quell aller Freude und andrer Liebe. Wer uns die Liebe nimmt, nimmt uns zugleich Heimat und Vaterland und wer seine Liebe verrät, ist auch imstande sein Vaterland zu verraten. Wem seine Liebe nicht heilig ist, die im Herzen zunächst wohnt, dem ist es auch das Vaterland nicht, das dem Herzen ferner liegt. Oh Du! Geliebte mein! In der guten Liebe liegt alles beschlossen, alles!!! Und darum bin ich doch sooo froh ihres Besitzes! Darum ergebe ich mich doch ganz darin.

Oh, Herrgott Du, im Himmel! Nimm diese Liebe nicht von uns! Segne sie! Mehre sie! Laß sie gute Frucht bringen! Amen!

Oh Du! Laß sie uns hüten! Laß sie treu uns bewahren! Laß sie uns bergen vor den Augen der Neider, — oh Du, mein liebes, liebstes Weib, meine [Hilde]! Sei auf der Hut, das bitt ich Dich! Ach Du! Wenn ich nach Deinem geliebten Bilde schaue – Geliebte! Geliebte!!! Bleib doch in meinem Schutze!!! Oh Du! Du!!! Es macht mir Sorge.

Du! Mein Herzblümelein! Das ich sooo lieb schützen wollte – oh Du! Bleib doch in meinem Schutze!!!!! Ach Du! Du!!! – Du weißt es: es sind mehr Menschen heute, die ihre Liebe verrieten, als die sie bewahrten – und ihnen sollst Du dienen dann, sie sollen mit ihren Blicken nach dem Herzblümelein langen, das in guter Liebe so hold erblühte – das will mich schmerzen – schmerzen – Geliebte! Oh könntest Du doch in meinem Schutze bleiben!!! Du willst zu viel wegschenken. Du willst wegschenken, was Deinem [Roland] lieb und teuer ist, was er eben erst gewonnen hat.

Ach Geliebte! Verzeihe mir! Aber ich muß darum ringen – . muß darum ringen, bis es sich entschieden hat. Weil ich Dich so lieb habe!

Oh Du! Du!!!

Dein lieber Bote kann mich all des [sic] doch vergessen machen.

Und er ruft es doch auch wieder hervor mit aller Eindringlichkeit.

Oh Du! Geliebte mein! Du mußt mein Bitten doch hören – und Gott im Himmel – ach, er muß es doch wissen, was unsrer Liebe frommt. Er, der sie uns schenkte.

Oh Du, Geliebte, er gab mich Dir zum Schutze auch, er vertraute Dich mir an – und darum, was ich schaue und erkenne in liebender Sorge um Dich, was ich verpflichtend auf mir fühle, dem muß ich folgen –

[Seite fehlt]

darum muß ich nach Deinem Wege ausschauen - darum muß ich hier ringen, solange ich noch kann – und was ich nicht mehr vermag, das muß ich Gott anbefehlen. – Elfriede schickt mir heute drei süße Päckchen, vielmehr Klein – Matthis schickt sie. Ach Geliebte welch holdes Glück ist da erblüht! Glücklich sind Elfriede und Hellmuth. Und aus Elfriede strahlt das Mutterglück in holdester Schöne [sic] und Innigkeit. Und ich schicke Dir den Boten mit. Oh Geliebte, ich könnte ihn Dir nicht schicken, wenn ich dieses Glück neidete, wenn ich mich mit Dir weniger glücklich fühlte. Oh Herzelein! Ich schicke ihn Dir auch nicht mit, um Dich eifersüchtig zu machen. Oh nein nein! Um Dich teilnehmen zu lassen an diesem Glück. Elfriede gehört zu uns. Oh Geliebte! Um Dich in heimlichster, zärtlichster, innigster Liebe an mich zu ziehen, und es Dir zu bekennen, in heimlichster, innigster Liebe zu bekennen: Ebenso groß ist unser Glück, nein größer noch, unser Glück — und holder noch wird aus Dir das Glück strahlen einst – ach nein, Geliebte, gar nicht messen und vergleichen – nur aus übergroßer, närrischer Liebe einmal – oh Du! Du!!!"Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der glücklichste im Land?” – Dein [Roland] hier – Dein [Roland] hier!!! Du! Mein holdes, geliebtes einziges Weib! Oh Du, Meine [Hilde]!!! Ganz klar, und glücklich erkenne ich es: Bei Dir bin ich zu haus, bei Dir zutiefst zu haus! in Deiner Liebe! in Deiner Liebe!!! In Deiner unendlichen, tiefen, heißen, verhaltenen, inngen, treuen, schweren Liebeda bin ich ganz zu haus – da bin ich ganz zu haus!!! Mit Dir bin ich ganz glücklich. Oh Herzelein! Du! Halt still – halt stille – auf Dich zielt all meine Liebe, auf Dein Herz all meiner Liebe Pfeile, gebannt, verzaubert, gespannt von wundersamer Liebe – und treffen Dich mitten ins Herz, mitten ins Herze! – oh, Du, halt stille – und Du weichst ihnen nicht aus, Du beutst [sic] mir Dein Herz – und hast doch selber mein Herze getroffen in seiner Mitte – oh Geliebte! Nun sind unsre Herzen von Liebe wund, nun ist kein Halten mehr dem Strom der

[Brief unvollendet]

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Elfriede ist Rolands Schwägerin, Ehefrau seines Bruders Hellmuth. Mathis ist Elfriedes neugeborener Sohn und Rolands Neffe.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946