Sonntag, den 7. Februar 1943
Oh, Du! Geliebte mein! Meine [Hilde]! Mein geliebtes Weib!
Du! Du!!! Geliebte! Meine [Hilde]! Dein Bote vom Mittwochmorgen ist bei mir! Ach Du! Du!!! Ich kann es doch noch gar nicht fassen, noch gar nicht recht glauben – Du! So schnell will doch der Druck gar nicht von mir weiche– – Du bist frei – Du bist frei – frei – oh Geliebte! Geliebte!!! “Ich werde ganz die Deine bleiben! können! Und so, wie Du mich am liebsten siehst, daß ich lebe in Deiner Abwesenheit: als freier, unabhängiger Mensch" – als freier, unabhängiger Mensch – Du wirst ganz mein bleiben können – oh Du! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!! Meine [Hilde], meine liebe, liebste [Hilde]! Du! Ich bin doch so froh, nun – ich freu mich doch: so mit Dir – und drücke Dich ganz fest und lieb an mich – Du!!! Du!!!!! Geliebte! Voll Dank – voll Stolz — voll, Liebe – Liebe!!! Du! Du!!!!!!!!!!!!!! Du bekennst Dich ganz zu mir!! Du hast mich so ganz verstanden – und hast Dich so treu und tapfer an meine Seite gekämpft! Ich danke Dir! Ich danke Dir!!! Ach, was kann ich Dir denn gleich tun, um Dir recht zu danken? Oh Herzelein! Geliebte!!!
Heut morgen war’s, als ich zur Dienststelle ging– als ich die Straße querte – ich war doch noch ganz in Gedanken bei Dir, hatte den Boten zu Ende geschrieben – da lag dort – wo ich eben vom Fußsteige abbog, ein Hufeisen – und ich mußte an die Möglichkeit des Glückes denken in dieser Entscheidung – ich habe sie schon einigemale überdacht. —
Ortsgruppenleiter S. stand da auch vor mir. Ich habe ihn im guter Erinnerung – er stammt selbst aus Unternehmerkreisen und ist frei von kleinem Neid – er sprach seinerzeit auch mit Achtung und Freimut von meinem Beruf (als ich mich ihm vorstellte, es war etwa 5 Monate von nach meinem Dienstantritt) – ich freue mich, daß er Deine Arbeit anerkennt – daß er Dich beläßt – daß er zuerst auf das Geschick und die Fähigkeit sieht – daß er Fürsprache einlegen will – daß er in Dir die Lehrersfrau sieht. Ach Herzelein! Geliebte!!! Daß Du Dir diese Anerkennung errungen hast – darüber freue ich mich mit Dir doch von ganzem Herzen – darauf darfst Du doch auch stolz sein – ich fürcht [sic] mich nicht vor meinem stolzen Weib! – oh, Du! Du!!! So Stolz, wie ich auf Dich bin – kannst Du selber gar nicht sein. Ach Schätzelein! Herzelein!!! All meine Boten, die nun noch zu Dir kommen, 10 Tage und mehr nach dieser Entscheidung – die mögen Dich erkennen lassen, wie froh und dankbar ich nun bin! Ich bin so froh mit Dir – – und glücklich! Ach Du! Du!!! Geliebte! In allem, was – ich nun schrieb, Du weißt, ich wollte Dir nicht unrecht tun – ach, was ich Dir da geschrieben habe, es war ein Ringen mit mir selbst und dem Schicksal. Und ich hatte mich nun schon abgefunden mit dem Gedanken, daß Du in der Fremde vielleicht eine Tätigkeit als Kindergärtnerin annehmen müßtest. Ach Du – nur um das eine mußte ich noch ringen – ach Du, ich mußte, ich konnte nicht anders – Du weißt er, Du verstehst es – Du verstehst auch meinen Eigensinn – weil Du mich liebhast, weil Du selbst so eigensinnnig bist. – Weil Du doch ganz die Meine bist! Und ich schäme mich vor Dir nicht meines Eigensinnes – Herzelein, ich weiß, daß er Dich doch auch ganz glücklich macht
Ach Herzelein! Schätzelein! Du stehst ganz zu mir, mir am treuesten zur Seite – und schaust nicht rechts und links mehr, und fragst nicht wann und ob – Du folgst mir in höchster Liebe und letzten Vertrauen – und wenn es Dich auch Überwindung kostet, nach Deinem Herzen zu handeln unter den Liebe! Oh Du! Und wenn wir beieinander sind, dann sind die Herzen nicht mehr wund, dann ruhen sie lieb beieinander, Herz ergießt sich in Herz, Herzblut vereint sich mit Herzblut – Eines – Eines dann!!! – Ich liebe Dich! Ich liebe Dich! Mein Ein und Alles Du! Oh Du, Geliebte mein! Wie muß ich mich sehnen nach Deiner Liebe! –
Ach Du! Du!!! was hast Du doch Liebheimlicher geträumt – ich meint, das Mannerli träumt davon nur – ich meint?, mein Fraule will sein Mannerli nur immer gut füttern, und kämmen und bürsten, und schniegeln und bügeln, und ausstaffieren – ach Du! Du!!! Du!!!!! In Deine liebsten Träume nimmst mich mit – in Dein Kämmerlein, ins letzte Herzkämmerlein, da die Liebe am zartesten und wundersamsten erblüht – und ins richtige Kämmerlein – und, allein mit Deinem Mannerli, schiebst Du das Rieglein vor – – und suchst mit mir die letzte Traute und Einsamkeit, und feierst mit mi unsre Liebe – mit mir allein – Du hast mich lieb! Du hast mich unendlich lieb!!! Du! Du!!! Und ich hab Dich lieb! Ja, ich hab Dich auch so lieb!!! Oh Geliebte! Ich kann mit Dir ganz Eins sein, mit Dir allein!!! Behüt Dich Gott! Er sei mit Dir auf allen Wegen! Oh! Er führe uns den rechten Weg! Er erleuchte uns und schenke uns Kraft, treu auszuharren! Ach, er schenke uns einander – ganz wieder! Herzlieb mein! Bald komme ich wieder zu Dir! Bald!!! Du!!!
Ich küsse Dich vieltausendlieb!
Und bleibe ewig
Dein [Roland]!
Dein glückliches Mannerli!
[Seite fehlt]
Augen kleiner, mißgünstiger Menschen – Du scheust auch sie nicht.
Ach, ich besinne mich,– daß ich Dir davon schon geschrieben habe, wie auch ich Dich darin verstehe, daß Du doch eben noch daheim lebst, daß es für Dich allein daheim nicht leicht wird, Verständnis und Anerkennung zu finden. Daß Neid und Mißgunst Dich umlauern – daß überall Menschen Dir fragend gegenüberstehen: „mit welchem Recht?” – – Daß Du immer wieder vor die (eige) Schranken der eigenen Rechtfertigung gerufen würdest. Und Dein Mannerli war doch Dein liebster Verteidiger – innerlich – und er wäre es doch auch äußerlich gerne noch viel mehr gewesen – – aber ein Teil blieb auf Dir selber.
Ach Herzelein! Ich habe Deine Ungeduld verstanden und Dein Gefühl der Verpflichtung – so wie Du Dir meine Gedanken zu Deiner Rechtfertigung zu eigen gemacht hast Oh, Geliebte! Du sprichst von Schichten. Schichten werden immer sein in einem Volke. Und in einem gesunden Volke wird nicht Hass und Mißgunst sein zwischen den Schichten, sondern Achtung und Anerkennung. Wir achten von vornherein jeden Menschen. Aber Neid und Mißgunst machen auch jeden Menschen häßlich und klein, ganz gleich, welcher Schicht er angehört. Geliebte! Du bekennst Dich zu mir! Und Du gehörst zu mir! Du gehörst in meine Schicht! Du!!! All Deine Verwandten leben frei und selbstständig, mehr oder weniger – ja! Du gehörst ganz zu mir! Und Dein Streben ist das unbewußte Aufbegehren gegen – eine Lebenshaltung, die Dir nicht gemäß war. – Ach Herzelein! Es ist doch gar kein Grund zu Haß – und Neid. Der größeren Freiheit der höheren Schicht entsprechen größere Verpflichtung und Verantwortung? Und die fühlen wir! – Die fühlst Du mit mir! Die müssen wir auf uns nehmen – wir können nicht anders , können nicht gegen unser eigenes Empfinden und Werten. Wir haben deshalb keinen Dünkel und werden nimmer hohe Schranken aufrichten für Menschen, die sich nur anständig nähern. Aber – wer uns gemein und niedrig kommt, dem werden wir unseren Stolz zeigen müssen– und unser Selbstbewußtsein. Ach Schätzelein! Das ist doch das Schöne auch als Unteroffizier nun: Wer anständig kommt, dem werde ich nie den Vorgesetzten herauskehren. Aber eben dieses Vorgesetztenverhältnis schützt mich nun davor, daß jeder gemeine Kerl, Du zu mir sagen kann und mir zumuten, aus Kameradschaft und was weiß ich seine Viechereihen anhören zu müssen –
Oh Herzelein! Ganz lieb verstehe ich Dich! Und – ganz froh und dankbar erkenne ich, wie Du Dir selber Anerkennung verschafft hast, wie Du immer als mein liebes Weib Dich gefühlt hast – ach Du! wie Du mich sooo ganz verstanden hast in Deiner Liebe und mir ganz zugewachsen bist. Und nun soll Dein Mühen seine ersten Früchte tragen! Ich freue mich doch mit Dir. Ach Du! Du!!! Liebster Gefährte mein! Mein einziges, geliebtes Weib! Du!! Du!!!!!!!!!!!!!
Ach Herzelein! Auf meinem Spaziergaung heute am Nachmittag war soviel Ruhe in mir. Und ich habe Dir erzählt und bekannt von meinem Eigensinn. Ich schäme mich seiner nicht vor Dir. Er gehört zu mir. Es ist ein Erbteil – und kein schlechter. Den ersten Eigensinn spürt man doch im Erleben der beiden Welten: Elternhaus und öffentliche Welt. Und wer ein gutes Elternhaus und reiche Elternliebe hat, der hat auch Eigensinn – der kann sein Nest, sein Elternhaus nie verleugnen, er muß sie vertreten, und mit einem reichen Schatz an liebsten und trautesten – Erlebnissen begegnen ihm die Sensationen und Schaustellungen und Dinge der öffentlichen Welt. Und die Stimme der Mutter und die Güte des Vaters werden nie mehr verlöschen – und wo es eine Entscheidung gibt, da wird die größere Herzensnähe des Elternhauses oft den Ausschlag geben. Gute Lehrer hatte Dein Mannerli. Es waren ja studierte Herren (Seminarübungsschule), geachtete und geprägte Persönlichkeiten – und in die bildsame Seele Deines Mannerli haben sie Zeichen geschrieben, die nicht mehr auszulöschen sind, Werte geprägt, die [es] nun bleiben für das ganze Leben – sie haben vor allem Ernst, Strenge,– Pflicht, Gewissen gebildet. Ach, das erkennt man doch erst recht jetzt deutlich. Und das Vorbild dieser Lehrer wird immer Leitbild bleiben – für das ganze Leben.
Ach, ich bin eigentlich ganz unauffällig und ohne jede Reibung durch all die öffentlichen Gemeinschaften gegangen, durch die Schule früher, durch das Soldatenleben jetzt. Ich anerkenne die Gesetze dieses Gemeinschaftslebens, und der gesunde Verstand läßt sie zu den eigenen werden und notwendig erscheinen. Ich erwarte und verlange von der Gemeinschaft nichts Unbilliges – aber ich wahre mein Recht – auf das Eigene, das ich in mir trage.
Ich verstand schon in meiner Schule nicht die Klassenaktionen, wo einer sich hinter den anderen steckt und dann auf die große Begnadigung wartet. Na, und das weißt Du ja: ich rauche nicht, nur etwa, weil alle rauchen. Und ich trinke nicht, etwa einer Gesellschaft zuliebe. Und wenn alle A sagen, und ich kann das vor meinem Gewissen nicht verantworten, dann sage ich eben nicht A.
Ach Du! Geliebte! Und aller Eigensinn ist doch nun auch in meinem Lieben – ach Du, aller Eigensinn lebte in der Sehnsucht und in dem Bild, dem ersehnten, meines Weibes. Oh Herzelein! Geliebte! Und voll Eigensinn ist mein Lieben – Du weißt es – Du weißt es – auch, und Du bist doch ganz die Eine, die Meine geworden! Und hast Dich zu dem Mannerli gesellt aus dem gleichen Eigensinn – – Oh Geliebte! Und unsre Zeit, in der alles zur Herde und Masse wird, die alles enteignen möchte und alles vergemeinschaften – da erhebt sich dieser Eigensinn, gereizt und herausgefordert, bis zum Trotz und Widerspruch, da setzt sich das Eigensein zur Wehr. Und zurecht – es kann ja nicht anders sein. Denn wer nicht mehr liebt, was sein Eigen ist, der liebt erst recht nicht, was ihm ferner liegt. Und ein Staat, der gebildet wird von Menschen – die entleert sind von Eigenem, wird vielleicht eine brave, willige, aber kraftlose Gefolgschaft haben.
Denn am Widerspruch entzündet sich der Geist, in Eigenwissen und Eigensinn liegt Kraft. Im Sturm wächst der kräftige Baum. Ach Geliebte! Und was wir an Eigenem im Herzen tragen, was ein gutes Heim an Kostbarkeiten birgt, das kann in der öffentlichen Gemeinschaft – nie gegeben, werden. Oh, das habe ich allzeit gefühlt.
Mein Beruf, in dem ich eigentlich ganz auf mich gestellt bin, zumal auf dem Dorfe, der hat diesen Eigensinn mir gestärkt.
Ach Du! Geliebte mein! Und Du sollst nun. dem eigensinnigen Mannerli das Eigenste sein – und bist es doch, ja, Du bist es!!! das Liebste, Heimlichste , oh Du, Deines Mannerli bestes Teil – mein Weib, meine liebe Frau! Bei Dir will ich doch einkehren, in Deinem, in unserem Heim, in Deinem Herzen – bei Dir, mit Dir, will ich ganz mein Eigen sein, zu Hause, daheim – Du! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!!! – mit Dir will ich doch liebheimlicheigenste – Geliebte! Du! Einssein mit Dir — im Kindlein – Du!!!!!!!!! !! Wo ich das will, wo ich das kann – da muß es ganz liebheimlicheigen [sic] sein – Du! Du!!! Und bei Dir ist alle Erfüllung! Bei Dir bin ich ganz daheim – und mit Dir, mit Dir allem, ja! mit Dir ganze allein will ich auch das Eigenste – Geliebte mein!!!! Ach Du! Du!!! Wie und worum ich auch rang in diesen Tagen, erkenne nur zum Danke recht froh und glücklich Dies: ich will Dich behalten – oh Herzelein, niemals verlieren – will Dich sooo lieb und festhalten ganz als mein Liebstes, mein Eigenstes, mein Einziges – oh Du, wie ich selber Dir Dein Liebster und Eigenstes sein will! Und das macht mich doch ganz glücklich: Daß wir einender darin ganz verstehen – und nun wieder verstanden haben. Kein anderes Weib würde mich darin so verstehen, keines stellte sich dem Mannerli sooo lieb zur Seite wie Du – und keinem könnte ich mich darin so bekennen wie Dir.
Du! Du!!! Ganz sehr lieb habe ich Dich! Herzelein! Zu Dir will ich, nur zu Di! ganz nahe – ganz nahe – einssein mit Dir! Ein Nest mit Dir bauen! Eine Burg! – – Oh, Du! Geliebte mein! Wenn ich jetzt bei Dir wäre, müßte ich mit Dir alle Freude teilen – Du, ich müßte Dich ganz liebhaben! – Oh, Du! Du willst doch ganz mein Eigen sein – und bist es schon – Du willst doch ganz mich bei Dir aufnehmen – oh Herzelein! Ich kann Dich doch noch freier machen – Du! – und will es – und Du willst es mit mir! – wir wollen es!! – und Gott wird es segnen zu rechter Zeit! Ihm sei Lob und Dank für diese Fügung. Gott bleibe mit Dir! Er segne all Deine Wege. Ich bin immer bei Dir – und lasse Dich nicht - und liebe Dich – und will Dich immer lieber gewinnen – will mit Dir weiterwandern, zu Ende wandern die Straße guter Liebe – oh Herzelein! Sie hält uns noch soviel Herrlichkeit und Seligkeit bereit – die gute Liebe! Ich küsse Dich herzinnig. Ich drücke ganz lieb, und fest an mich – voll Dank, und Glück – und Liebe!
Ewig
Dein [Roland],
Dein glückliches Mannerli!
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946