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[OBF-430211-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 11. Februar. 1943

Liebe, liebste [Hilde] mein!, Du, mein einziggeliebtes Weib!

Abend ist es, ein wenig spät schon. Heute war doch wieder militärischer Dienst – Ausmarsch. Ach Du, ganz harmlos, das Ringel, da ich sonntags schon einigemal ging. Schöne frische Luft war draußen. ½ 5 Uhr waren wir zurück.

Schätzelein! Hinter diesem Dienst ist zunächst gar nichts zu suchen. Du besinnst Dich, das kam überall einmal wieder an die Reihe, in Eckernförde schon, in Saloniki dann. Wir sind ja hier ein kleiner Verein. Bin anschließend dann in der Stadt gewesen und habe wieder ein Quantum Speck besorgt – es gab doch Geld heute. Seife kaufte ich noch. In den nächsten Tagen ist es vorbei mit dem Verkauf guter Seifen.

Äpfelein hab ich mir auch noch mitgebracht mit roten Bäcklein, so wie die Deines Mannerli heute – ich hab es gesehen beim Barbier, der mir den Schopf lichtete. Und von den Äpfelein hab ich vorhin den größten Teil schon verspeist, mit wahrem Heißhunger – Dein Mannerli ist den Äpfelein zu gut — Du! Du!!! Ich glaub, darin ist es ein rechter Adamgelt?

Nach meinem Abendbrot hab ich es erst noch fein gemütlich im Stübchen gemacht – ein Huschel in den Ofen – warm liebt es doch Dein [Roland] – kehrst darum gern bei ihm ein?

Und dann mußt ich mich erst ein Stündchen niederlegen – ein wenig müde war ich ja auch.

Nun hab ich erst Deine lieben Boten wiedergelesen – ach Du, wiedergelesen wohl schon zum fünften Male – Herzelein, Du!!!

Und nun ist soviel Freude in mir – ach, Du, Geliebte mein, heut abend auch so viel Ruhe in meinem Herzen. Du bist mein liebes, treues Weib! Bist mein Eigen, wie nicht ein anderes Weib seinem Mannerli zu eigen ist. Ich habe doch das treueste, liebste Weib!

Oh Herzelein! Unendlich lieb hast Du mich! Oh Du! Wie stehst Du vor mir, wie steht Dein Bild in meinem Herzen – Geliebte – einzig und unvergleichlich – oh Du! Du!!! daß Du mein Weib bist! Daß Du mein Eigen bist!!! Wie lebst Du mit mir! Oh Du! Wie schlagen unsre Herzen hochgemut zusammen in heißer, heiliger Liebe! Wie bist Du mir sooo nahe, Geliebte, Du, mein liebster, teuerster Kamerad! Oh Schätzelein! Wenn ich die Mädchen hier in unserem Hause sehe – Du! Du!!! Mein liebes, liebstes, herzallerliebstes Weib – meine [Hilde] – Du!!! Mein, mein – Du!!!!! !!!!! !!!

Oh, Geliebte mein! So macht nur rechte Herzensliebe einander zu eigen – so nur heiliges Wollen zum Einssein! –

Oh Du! Geliebte! Wenn Liebende einander verlieren durch den Tod, dann mag es immer eine schmerzende Lücke geben – aber Dir und mir würde Gott doch so unendlich viel nehmen unsre Liebe, die ein ganzes Leben doch braucht, um sich zu erfüllen, unsre Liebe, in deren erstem Feuerbrand wir noch leben – ach Du, Geliebte, ich glaube, daß Gott uns diese Liebe hüten hilft.

Nun will ich noch einmal durch Deine lieben Boten gehen. Das Mannerli ist wieder fein allein, wie fast jeden Abend. Ach Du! Du!!! Wenn Du bei mir wärest, dann müßt ich Dir erst mal ein ganz liebes Küßchen geben – eines nur? Oh Du! Du!!! In mir ist doch wie in Dir das Sehnen danach, einmal einander ganz wiederzuhaben.

Ach Du! Herzelein! Immer nur hoffen müssen – immer nur über die Ferne einander liebhaben müssen ohne das winkende Ziel der Erfüllung – das wäre doch zu schwer! Und für uns doch besonders schwer. Andre haben Heim und Kind, sichtbaren Besitz, erfüllte Liebe schon – und zwischen uns steht noch soviel unerfülltes Sehnen, das unsre Herzen mit Ungeduld und Unruhe füllt –

Oh Herzelein! Wir erkennen beide, wie zwei so jung Liebende einander vergessen und untreu werden müssen, wenn sie einander nicht aus tiefstem Herzen lieben, und einander festhalten – so, wie wir es tun, wenn sie nicht ganz lieb miteinander gehen auch über die Ferne, wenn sie einander nicht festhalten im letzten Vertrauen, wenn sie nicht verhüten, daß nichts, aber auch nichts sich zwischen die Herzen drängen kann.

Oh Herzelein, wenn sie einander nicht so ganz sehr liebhatten, daß nun in der Zeit der Trennung das Erinnern, das Bildnis des Geliebten, alle Sehnsucht immer wachhält, alles Verlangen und Wollen zueinander und miteinander; wenn diese Liebe nicht im Glauben an Gott, im Blick auf das ganze Leben, wenn sie nicht in heiliger, ernster, letzter Entschlossenheit gegründet wurde.

Oh Du! Geliebte! Unsre  Liebe wird alle Trennung überdauern, alle Ferne über winden, sie wird siegen – oh Du! nimmer, nimmer kann ich Dein vergessen! Oh Du, Herz allerliebste mein: für unser ganzes Leben taten wir uns zusammen in heißer, tiefer, Liebe — ja, Geliebte, in tiefer, gottgeschenkter Liebe! Wahre Hochzeit hielten wir! Oh Du! So in weiter Ferne liegt mir das Bild unsrer Trauung. Ich bin zu sehr erregt gewesen, als daß ich es recht tief und bewußt in mir aufgenommen hätteund seitdem ist soooviel Liebe zwischen uns gebrandet – oh Du, Geliebte mein! Die Saat unsrer Liebe ist doch sooo reichlich und gesegnet aufgegangen – der Strom unsrer Liebe ist seither so viel tiefer und mächtiger und lebendiger noch geworden.

Und der Segen Gottes ist seither so sichtbar und reich mit uns gerwesen. Oh ja, Geliebte mein! Wir brauchen kein wehmütig selig Erinnern, um unsre Liebe recht bestätigt zu finden – sie ist ja ganz lebendig zwischen uns – oh Herzelein, sie lebt! sie blüht! sie wächst und reift zur Er füllung, zur Frucht.

Und doch wollen Stunden kommen, da wir uns das gemeinsame Leben so sehr herbeiwünschen?

Oh Geliebte! Gott wird uns Kraft schenken, dieser Stunde treu entgegenzuharren. Und er schenkt uns die Pflicht, einander festzuhalten – diese Pflicht, an der unsre Liebe wächst, mit der sie lebt.

Ja, Geliebte mein! Je mehr wir einander lieb gewinnen, desto größer wird unsre Sehnsucht nach dem gemeinsamen Leben, desto länger dünkt uns die Spanne zwischen dem Wiedersehen. Und nun, da auch daheim der Krieg sein ernstes Gesicht zeigt, wird das nicht besser.

Ja, Geliebte! Wielange soll das nur noch gehen – und wie soll das überhaupt ein Ende nehmen – so fragt man sich jetzt manchmal – nun, da unsre Feinde erkennen müssen, daß wir uns anstrengen müssen, daß wir unsre Reserven angreifen müssen.

Der rumänische Friseur sprach deutsch, er hat eine Volksdeutsche aus Brünn zur Frau, ich sprach nur wenig mit ihm, und ohne daß ich ihn etwa animierte, sagte er: ja, solange noch zwei gesund sind, wird der Krieg noch gehen, bis alle Krüppel sind. Das ist gewiß Defaitismus (Miesmacherei) – aber so lebt es unter vielen Menschen – und je länger dieser Krieg dauert, desto mehr gewinnt dieses Wort Wahrheit!

Da ist nicht einer, der nicht Schaden nimmt an Leib oder Seele – „und der Krieg verschlingt die Besten".

Oh Gott im Himmel! Erbarme Dich unsrer sündigen Menschheit!

Und dieser Krieg soll dann, der Sieg vielmehr, der Anfang sein zu einem besseren Leben – nun, das glaube ich schon, daß die gehetzten und überlasteten Menschen ^ unsrer Zeit schnell vergessen werden, was da war, und daß dieses Kriegserlebnis bei vielen nur wenig innere Spuren hinterlassen wird. So ähnlich, wie nach dem vorigen Kriege. Wie hätten die Völker sonst nach 25 Jahren schon wieder einen neuen Krieg heraufführen können?

— Aber es hilft nichts, daß wir uns mit solchen Gedanken abquälen. Mehr denn je erkennen wir, daß unsre Gedanken gar nicht helfen können – sie zeigen uns keinen Ausweg, und wenn schon, dann nur den trübsten. Wir müssen vertrauen auf Gott – er spricht zu den Menschen in die sem furchtbaren Schicksal, er wird es hinausführen, ganz anders und schneller vielleicht, als wir es denken können!

Oh, führe er es gnädig hinaus zum Guten für unser Volk, zum Guten auch für alle Menschen, die unter dem Leid dieses Krieges stehen!

Herzelein, Geliebte mein! Freitag ist nun schon wieder.

Weißt, wie es dem Mannerli in letzter Zeit immer geht? Es sitzt vor den Bogen, und muß heimdenken zu Dir – und die Feder will gar nicht immer so rasch mitlaufen. Ich hab so lang immer jetzt an Dich denken müssen. Und zu meinen Studien, die ich in Angriff nehmen wollte, ach, Du liebe Zeit. Ich komme ja mit meinem Schreiben, kaum mehr nach, bin wieder überall in Schreibschulden – muß immer nur an Dich denken, Geliebte mein, an Dich! Oh Du! Meine [Hilde]!!! Ein schöner Tag ist nun wieder draußen, und nachher gibt es einen feinen Spaziergang. Und auf das Wochenende kann ich ja dann auch einige Schreibschulden tilgen!

Herzelein! Herzallerliebste mein! Ich hab Dich ja sooo lieb, sooo über alle Maßen lieb – ach Du. Du!!! Schätzeli – Herzeli – all meine Liebe geht zu Dir — und all meine Sehnsucht – zu Dir! Mit Dir will ich leben – mit Dir dieses Leben erfüllen – mit Dir in Liebe leben – in ganzer, tiefer, köstlicher Liebe – Herzlieb – [Hilde]lieb – Geliebte – mit Dir auch die Liebe krönen – mit Dir - mit Dir - mit Dir – Du!!!!! !!!!! !!! – wann Gott es, will!

Ich liebe Dich! Und küsse Dich herzinnig!

Und bleibe ewig Dein [Roland] – ganz Dein!

Und Du bist mein! Mein!!!

Herzelein! Schätzelein!

Und Dein Herzelein? –

Und - alles mein? –

Oh Du! Ich bin sooo glücklich! Mit Dir!

Mit Dir sooo glücklich!

Mit Dir allein, allein, ganz allein!!!

Ja – Du! Du!!! Dein glückliches Mannerli

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Kommentare

drew.bergerson

Mi., 29.03.2023 - 19:12

Roland stellt sich vor, dass der Sieg "der Anfang sein [wird] zu einem besseren Leben [...], daß die gehetzten und überlasteten Menschen ^ unsrer Zeit schnell vergessen werden, was da war, und daß dieses Kriegserlebnis bei vielen nur wenig innere Spuren hinterlassen wird. So ähnlich, wie nach dem vorigen Kriege. Wie hätten die Völker sonst nach 25 Jahren schon wieder einen neuen Krieg heraufführen können?"

Ich kann seine Worte nur als Selbstbetrug verstehen, sonst wie hätte er die Folgen der vorherigen Krieg auf dem Menschen so völlig vergessen haben? Er berichtet selber über die Folgen des jetzigen Kriegs.

drew.bergerson

Mi., 29.03.2023 - 19:17

Huschel = sächsisch, bedeutet ein kleines Feuer im Ofen, das man für kurze Zeit unterhält, um den Raum etwas zu erwärmen

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946