Bitte warten...

[OBF-430223-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 23. Februar 1943

Liebes, liebstes Weib! Meine [Hilde]! Mein Alles, Du!!!

Poch – poch – es klopft schon wieder, begehrt schon wieder jemand Einlaß – ist wohl gar Sonntag heute? Ach Du! Du! Magst denn aufmachen – magst mich denn einlassen – so jeden Tag? “Wie wilt ich springen! Ich warte schon voll Sehnsucht! Wie schön ist’s, wenn Du täglich kommst! Des Tages schönster, köstlichster Augenblick, wenn ich den Geliebten einlasse: ” – Du! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!!! Geliebte! Geliebte!!! Oh, Du weißt, daß es mehr ist als nur Gewohnleit, wenn ich täglich zu Dir komme. Oh Herzlein – wenn dann zur Abendstunde die Unruhe und Ungeduld mich packt, bis ich vor dem lieben Fenster sitze – bis ich Dir mein Herze ausgeschüttet habe, ach Du! bis ich fühle, daß ich Dir etwas Liebes, recht Liebes, das Liebste, das ich eben habe, gesagt habe – oh Herzelein! wenn es im Herzen drängt und stürmt – heimwärts – zu Dir!!! —— es ist die Liebe, die lebendig ist im Herzen – die Liebe hin zu Dir. zu Dir!!! Oh Du! Du!!!!!!!!!!!!! – – Mein liebes, herziges Fraule – meine [Hilde]!!! Und ich weiß, wer all die Liebe wirkt in meinem Herzen, woher es so wogt, hin und wider, ich weiß, daß ein Herze all meine Liebe so heiß verlangt – daß es an meinem Herzen zehrt; an meiner Herzens Kraft , daß es am Quell meiner Liebe dürstend ruht —— ich will Dich tränken, will Dich nähren mit meiner Liebe – oh Herzlein, wie es mich zu Dir treibt, zum Quell Deiner Liebe, zum Lebensquell, oh Du! Du!!! mich ganz satt zu trinken – Du! Du!!! an Deiner Liebe!!!!! – Oh Du! Geliebte mein! Quell aller Freude, allen Lebens ist uns die Liebe! Ich bin ganz Dein. Unverlierbar Dein! Das Wogen der Liebe zwischen uns – kein Mensch, kann es stillen: – Du! Du!!!!!!!!!!!!!!! Ich weiß es ganz glücklich, ganz glücklich [sic] – ich darf immer zu Dir kommen – zuerst, und zunächst – bis zum Quell der Liebe immer, zu Deinem Herzen! Oh Du! Daß ich solche Liebe, soviel Liebe erfahre in diesem Leben! Herrgott im Himmel! Steh uns bei! Amen!

Herzelein! Bin so voll Sehnsucht nach Dir heute! Heute, wo doch das Kalendermannerli kommen wird – so voll Sehnsucht – ach Du! Dich in meinen Armen zu halten – mein Liebstes! – und Dich zu küssen – zu küssen! Dir ganz nahe zu sein! Sooo voll Sehnsucht – – Du! Du!!! ganz lieb und zärtlich zu Dir zu sein!!! Ich bin Dir ganz nahe! – Und möcht Dir alle Schmerzen nehmen! Herzelein! Ein neues Röselein, will sich auftun – und das Röselein dann – wir warten und hoffen, daß es ein Geweihtes sei – Du!!!!!!!!!!!!! – Oh Du! Magst dann ganz lieb Dich bereiten, und Dich schonen, daß es recht erblühe! Ich will es pflücken – daß es – gar nimmer welkt! Daß es Frucht wird.! Unser Kindlein!!! Oh Herzelein! Und dazu muß ich bei Dir sein – Dich wiedersehen – wiederhaben! Und Dich liebhaben – liebhaben!!!!! !!!!! !!! Oh, walte es Gott! Amen!

Herzelein! Hab doch so auf Deinen lieben Boten gewartet!

Und könnt ganz böse sein – nicht Dir – der Post – ist schon einer gekommen, aber der vom Freitagmorgen, und der vom Mittwoch fehlt schon wieder dazwischen. Fehlen nun drei: Sonntag, Montag, Mittwoch. Möcht nur wissen, wer die Briefe aufhält – möcht das nur wissen – Irgendwo wird das verbummelt, wenn nicht Schlimmeres ist; eine Wut könnt ich kriegen! Habe es Dir nur nicht geschrieben, daß nicht zwei sich darum ärgern: als Du am letzten Male das Herzelein mir sandtest, war der Brief geöffnet von der Prüfstelle in Dresden. Gemeine Stänkerei! Siehst, so bricht man auch in das Privateste ein – es ist eine Lust, in solcher Freiheit zu leben! Kaffernstaat! —

Ja, nun bin ich in einigen Dingen gar nicht recht im Bilde. Bist schon am Donnerstag in Chemnitz gewesen – schreibst auch von einem Fragebogen, der auszufüllen war. Ein klein wenig kann ich mir das Durcheinander daheim schon ausmalen. Die Schlangen vor den Meldeämtern zum freiwilligen Einsatz – – Haben wir die Rede also doch miteinander gehört. Und die Stimme des Volkes – – es ist noch die gleiche wie ehedem und überall – heute Hosiannah – und morgen Kreuzige ihn – an diesem Instinkt mangelt es uns eben – Herr G. bei Krasnodar — was muß er aber auch alles durchmachen! Im Frieden daheim Sorgen und nicht die rechte Zufriedenheit – so ist es mir immer vorgekommen – und nun jetzt wieder diese Strapazen, die weit über seine Jahre und Kräfte gehen! Und wenn er heimkehrt, dann vielleicht mit gebrochener Kraft für den Dienst, den er ja noch lange tun muß.

Wenn ich an den Dienst denke nach dem Kriege – aber alles der Reihe nach – und erst kommt mein Herzensschätzelein dann – die Gesundheit, und das Frohsein des Lebens dann – und dann der Dienst, der nur fruchtbar sein kann, wenn Heim und Gesundheit ihr Recht haben.

Herzlieb! Dabei mußt Du mir ganz sehr helfen, wie ich Dir: ablegen die Krankheit unsrer Zeit, die nervöse Hast. Wenn wir einander dann haben, ist nichts mehr so eilig, nichts, daß wir diese schreckliche Hast auf uns nehmen müßten deshalb, daß wir uns um die Tiefe des Erlebens bringen.

Und das möchte ich Dir auch jetzt immer wieder nahe legen: Die Hast rächt sich – sie schwächt uns – sie verkürzt den Erfolg allen Tuns. Ich weiß das und kenne mich darin: Auch ich muß es erst wieder lernen, die rechte Muße zu finden – ganz ungestört über einer Arbeit zu bleiben, komme was da wolle – ein Buch zu lesen – einer Musik recht zu lauschen – überhaupt, mich zu konzentrieren, etwas von der beneidenswerten Ruhe des Pflegmatikers zu gewinnen, etwas nur — und ich weiß, mit Dir, bei Dir kann ich es. Mit Dir will ich es! Herzelein! Etwas von der Ruhe, eines übersonnten Sommertages soll über unserem Leben liegen dann, von einer kraftvollen, ruhigen Heiterkeit. Und so müssen wir werden, wenn wir unseren Kindern gute, vorbildliche Eltern sein wollen – stell Dir einen zappligen Vater vor, einen nervösen: Den wird alles stören, dem wird alles zuviel sein, der wird seine Kinder nicht mögen. Wir müssen uns beschränken im Leben auf Weniger, Wesentliches! Wer alles beginnt, der wird nichts vollenden. Und sollte der öffentliche Dienst uns so alles aufbürden wollen später – Herzelein– ich werde es so radikal wie verantwortungsbewußt von mir weisen – wir werden unser Leben auf das Wesentliche zuschneiden – und Du wirst mir helfen dabei – nein, Du wirst mit zuschneiden, ja? Geliebte! Herzlieb! Wir erkennen, das Wesentliche – und wenn wir es noch nicht erkannt hätten, unsre Zeit lehrt es uns. Und wir lassen uns von ihr belehren. Ach, und ich fühle glücklich, wie Du mir darin gleichst: dies Leben im Wesentlichen zu schauen, daß wir unsre Kraft nicht im Ärger und im Jagen um Nichtigkeiten vergeuden, daß wir aber auch hart sind und standhaft und treu im Verfolg eines Zieles, das wir als wesentlich erkannten.

Herzelein! Wenn wir heute alles verlören – einander aber behielten, ganz und gesund – wir blieben die glücklichsten Menschenkinder doch! Aber der stieße auf unsre ganze Gegenwehr, auf all unseren Willen zum Widerstand, der unsre Liebe auch nur anrühren wollte im kleinsten. Ach, so denkst und fühlst ganz auch Du – ich weiß es glücklich!

Geliebte! Wie freue, wie sehne ich mich doch nach dem Leben mit Dir! Mit Dir bauen und schaffen und feiern - oh Geliebte – eine Hoffnung, die allein schon ewig mich an Dich bindet in ihrem Glückverheißen! Du! Meine Liebe zu Dir ist doch über dies ganze Leben gespannt – von Anbeginn – und wenn es das gibt, daß liebende Seelen auch nach dem Tode beisammen sein dürfen – oh Herzelein! Dann will ich mir von Gott nur dies bitten! Laß mich ewig lieben! Laß mich ewig liebhaben! Laß uns ewig miteinander wandeln!

Herrgott im Himmel!! Halte uns demütig in unserem Glücke – segne unsre Liebe! Amen! – Geliebte! Will Dir nun heute Lebwohl sagen! Und gute Nacht! Gott schütze Dich! Und nun ist das Mannerli wieder ruhiger geworden – habe Dir meine Liebe und Sehn sucht gebracht – und jetzt könnt und möcht ich ganz still neben Dir ruhen – ganz brav – ich könnt es!! – Und Du könntest ganz lieb in meinen Armen Dich bergen! Schutz suchen bei mir – und Wärme – und Schmerzvergessen – und Zärtlichkeit – und ein wenig värterliche Güte — Schutz und väterliche Güte — oh Herzelein. Wie glücklich kann Liebe machen! Wie glücklich kann ich bei Dir sein! Wie kann ich Dich soooooooooooo liebhaben! Du! Du!!! Du!!!!! Du ich liebe Dich und — küsse Dich – Dein glücklicher [Roland].

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946