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[OBF-430401-001-02]
Briefkorpus

Donnerstag, den 1. April 1943

Herzelein! Geliebte! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Ach Du! Nun sehe ich Dich wieder ganz gespannt und fragend auf mich gerichtet – und ich weiß noch keine Antwort. Ja, Herzelein – Du wirst denken, ich wolle Dich zum besten haben – aber so hat man mich zum besten. Ich ging nach dem Essen mal hin zu G. – er hatte wieder nicht gefragt und drückte sich nun überhaupt vorbei an alleim (!) – ja, das ginge schon klar und so' n Quatsch mehr. So bin ich zum Hauptfeldwebel selbst gegangen. Ich möchte ihn recht sehr bitten und doch zu klä ren, ob ich denn fahren könne, damit ich doch einige Tage vorher Gewißheit hätte. Dazu erklärte er sich ganz bereit. Ja, Herzelein, nun warte ich wieder, und wenn der Hauptfeldwebel vergeßlich ist, warte ich wieder vergeblich. Dabei rückt all das unausgesetzt näher. Du kannst es glauben, daß ich auch ein bissel Wut habe und innerlich entschlossen bin, hier Klarheit zu schaffen.

Mußt Dich nun immer noch fein gedulden. Ich wünsche mir nichts Lieberes, als daß ich Deine Geduld mit dem günstigsten Entscheid lohnen kann: daß ich gleich selber zu Dir komme. Ach Du! Du!!! Mein Liebstes! Herzallerliebstes mein! Daß ich so fein pünktlich kommen kann – wie das Kalendermannerli – nur ein paar Tage später – warum? – das wissen, doch nur zwei – Du!!!!! !!!!! !!! Eben bin ich einmal aufgestanden – es klopft an die Scheiben – ein seltenes Geräusch – Regen! Oh Herzelein? Regen bringt Segen! Wie not tut er! Wie wird er erwartet, wie daheim so not. Regen bringt Segen! Wir deuten es gleich auch auf uns – ja? Oh Du! Geliebte mein! Geliebte mein!!! Daß ich zu Dir kommen könnte!!! heute jagte der Föhn durch die Straßen – Wind in B [sic], das ist gleichfalls eine seltene Erscheinung – und dabei fällt dann auch gleich so mancherlei – Ziegel von den Dächern, lose Steinbrocken von Simsen, Zäune liegen um. Aber der Wind hier kennt auch derbere Späße mit Hüten und anderem – er ist überall derselbe Lausbub —

Das Mannerli hatte vorm Essen einen Gang in die Stadt. An einem Sonntag wollte ich eben unseren Hof knipsen, als mich der Leutnant bat, ich möchte ihn gleich mal mit anvisieren. Na, Du weißt ja – und so brachte ich denn diesen einen Film zum Entwickeln und ging heute, ihn abzuholen. Das Mannerli ist auch einmal dabei zieht gar böse Falten, ich sinne vergebens nach, warum eigentlich. Muß mich Dir bald einmal vorstellen, ob ich sie immer so ziehe – mußt sie gleich alle fein glätten, gelt? Ja, das eine der Bilder zeigt Dir die Hälfte unsres Hofes, nach dem Tor zu gesehen. Der Aufgang nach dem Beschauer zu, ist Mannerlis Aufgang. Vom Balkon im ersten Stock wurde die Aufnahme gemacht, und neben der Balkontür auf den Beschauer zu, also im Bilde nicht mehr zu sehen, ist Mannerlis Stubenfenster. Also kannst die Leiter ruhig an den Balkon lehnen, aber fein leise gehen, im Balkonzimmer wohnen unsre Nachbarn, durch deren Zimmer wir ja immer gehen müssen. Die beiden anderen Aufnahmen machte ich an dem Sonntagspaziergang in der Stadt. Mein Herzensschätzelein ist ganz lieb zu mir gekommen im Boten vom Sonntagmorgen! Der Postillion hatte heute nur ganz wenig Post, nur für die treuesten Kunden – und dazu gehört das Mannerli doch – Du!!! Ich glaube, das Wetter hier und daheim geht fast gleichen Schritt. Nun möcht ich ja für morgen zum Waschfest ein recht passendes Wetter bestellen. Könnt ja heute abend schon auf ein Teil Arbeit zurückblicken, aber das Haupttreffen ist also morgen. Ja, könnte ich doch die große Arbeit wenigstens mit einer frohen Kunde beflügeln – aber Du wirst im Herzen doch die Hoffnung tragen, daß alles gut wird. Mein Herzensfraule hat auch schon für den Urlaub vorgesorgt – freilich freue ich mich – sollst doch auch endlich mal wieder Ferien machen! Schreibst mir von ein paar Boten, die sich gar nicht einstellen wollen - Herzlieb, sie sind ganz pünktlich abgegangen – und werden schon noch hinfinden – möcht überhaupt mal sehen, welchen Weg sie so nehmen – nun, welche Reise sie machen müssen, das kann ich hoffentlich recht bald einmal erleben – sie führt doch nur durch befreundetes Gebiet - ich freue mich auf die Fahrt. Durch den schönsten Teil geht es freilich bei Nacht.

Ach Du! Wenn es erst wieder so weit ist! Ein gut Stück Arbeit hab ich noch im Dienst – und dann mit mir, und den Einkäufen! Ab Dienstagnachmittag möchte ich schon frei sein. Dann gibt es aber noch bös zu tun. Weißt – mit meinem Kostüm kann ich mich gar nicht mehr sehr befassen – das müssen wir es [sic] zu Hause erst mal wieder schönmachen. Ich helf ja gleich mit. Ich lasse mich auch gleich mal ein paar Tage einsperren, bis alles wieder trocken ist – ach Du! Wie will ich erst mal froh sein, wenn ich wieder zu Hause unterschlüpfen kann – Du! Du!!! – zu Hause — Das ist doch zuallererst– bei Dir! Bei Dir!!! – Ach Herzelein, über unser Programm zerbrechen wir uns dann miteinander den Kopf – gelt? Erst bleib ich einmal daheim – und bei Dir will ich immer bleiben – die ganze Zeit – will immer an Deiner Seite sein – Tag und Nichttag — ja? Du! Du!!! Ich will es halten wie mein Herzensschätzelein – ich glaub, das hält es wie das Mannerli!

Geliebtes Herz! Bis hierhin schrieb ich gestern abend. Aber das Mannerli hat noch lang, bei seinem Herzallerliebsten gesessen – hat lieb über seinem Schlummer gewacht, hat Dich in seinem Herzen lieb bewegt. Aber das ist Mannerli’s Geheimnis. Du gönnst es ihm, ja? Mannerli hat ohnehin nicht viel Geheimnis – Du!!! Ach Herzelein! Hab Dich so über alles lieb. Wirst nun mitten im schönsten Waschfest stecken. Nimm nur das Mannerli später mal dazu, daß es einmal dieses Festprogramm und diese Festfreuden kennenlernt. Ja, einmal will ich es ganz mit machen, das Waschfest. Kann Dir dann vielleicht einen guten Vorschlag machen. Weiß auch dann, wie lange das Fest richtig dauert, daß mein Fraule sich vorm Mannerli nicht mit dem Waschfest entschuldigen kann – Du! das wird es doch gar nimmer – wird so schnell doch wie möglich machen, daß es wieder beim Mannerli sein kann – ja? Du!!! So wie das Mannerli einmal keine Entschuldigungen brauchen wird, weil es doch sooo gerne zu seinem Herzensweiberl kommt – sooo gerne!!! Ach Du! Wenn ich doch schon Gewißheit hätte. Es ist nun, als ob dem Gefangenen Vogel der Bauer schon halb offen stünde, als ob mir noch ein Ruck fehlte – fehlt ja auch nur noch ein Wort. Ach Du! Ich hoffe doch – Geliebte! Wie ich noch nicht sonst auf etwas gehofft habe. Und Du hoffst mit mir! Wenn wir Gewißheit hätten, wäre dies heute der letzte Bote.

Herzelein! Gleich geht es zum Mittagessen. Ich bin schon in der Kompanie. Das Essen ist aber noch nicht fertig. Es gibt Fisch.

Leb wohl, Herzallerliebstes! In wenigen Stunden bin ich wieder bei Dir! Ich freu mich drauf – und darauf, daß Du zu mir kommst im lieben Boten.

Behüt Dich Gott!

Es küßt Dich ganz lieb und innig Dein [Roland] ,

in Liebe und Treue ewig Dein glückliches Mannerli.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946