Montag, den 5. Januar [*] 1943
Herzelein! Geliebte mein! Meine liebe liebste [Hilde]!!!
Immer wieder muß ich schreiben, Herzelein! Aber heute doch ein wenig gewisser.
Ich stand heute abend mit dem Hauptfeldwebel zusammen. Wenn Heinrich zurückkommt, kann ich fahren. Ach, das war doch endlich ein Wort! Aber zugleich kam heute ein Brief von Heinrich. Er fuhr am 12. in Urlaub. Am 10. trat die neue Urlaubsordnung in Kraft. So bekam er schon Reisetage mehr und wird voraussichtlich erst am Donnerstag hier eintreffen.
Ja, Herzelein — und dann gehen noch zwei Tage hin. Am Freitag kommt Heinrich dann zum ersten Male zum Dienst. Ich muß meine Arbeit übergeben und kann Sonnabend fahren, sodaß Du mit meinem Kommen am Montag oder Dienstag rechnen kannst.
Ja, rechnen, Herzelein! Glaubst, ich werde immer stiller und vorsichtiger, solch Urlaub ist doch etwas Furchtbares auch in seiner Ungewißheit. Aber so eine Folter wie diesmal ist es auch noch nicht gewesen. Schlimm ist das. Es nimmt einen richtig mit. Und Du, Liebstes, mußt nun so Dich gedulden! Oh Geliebte! Ich wollt Dich doch nimmer so warten lassen. Ich wollt Dich doch nimmer warten lassen - wo es dem Mannerli doch selber nicht so leicht wird zu warten - Du!!!
Ach Herzelein! Du! Du!!! Herzensweibel! Ich komme doch noch ganz fein pünktlich – ja? Du! Du !!! Ich komme doch vielleicht gerade ganz ganz recht – Du!!! Schicksal! Gottes Geschick alles!!!
Ach Du! Du!!! Was zielen wir denn beide so, was macht uns diesmal denn ungeduldiger denn je? – Oh Geliebte – Du!!! Du!!!!!! !!!!!! !!! Auch das Mannerli? Glaubst es wohl gar nicht? – Du! Du!!!
Bin doch gestern abend gleich so müde geworden auf den Bescheid des Hauptfeldwebels, eine Art Erschöpfung, Entspannung – Herzelein, wie es vielleicht auch sein wird, wenn wir, einander nun endlich wiederhaben! Willst Du mit mir fein brav sein am ersten Spätabend?
Such dem Man nerli nur gleich ein ganz dickes Hösel raus!!!
Ach Du – das hilft nicht. Wir müssen es wollen! Mußt mir helfen! Ach Du! Du!!! Ist doch sooo viel Freude des Wiedersehens am ersten Abend, das Herze kann sie doch gar nicht fassen – und wir wären ja richtige nimmersatte Fresser, wenn wir sie gleich alle auf einmal hinunterschlingen wollten – ach, der Hunger ist freilich groß – ein wenig Wollen brauchen wir schon.
Mannerli ist ja nun auch früher munter geworden. Ach Du! So früh darf ich doch nicht mehr zu Bett gehen, sonst quälen mich die Gedanken schon zu früh. Ach Du! Die Gedanken der Sehnsucht bedrängen mich.
Vorhin eben war das Mannerli zu einem Traume wieder eingeschlafen.
Lag neben meinem Schätzelein im Bettlein. Und doch stand in meinem Bewußtsein das Gebot: ganz brav sein bis zum Urlaub.
Aber das Mannerli konnt‘ es doch kaum mehr erwarten.
Und da hat es Dich geweckt, wach geküßt – und wollt zu Dir kommen. Standen noch mehr Bettlein im Zimmer, aber die waren all leer. Und mein Schätzelein hat sein Mündlein versteckt, aber das Mannerli hat es immer wieder gesucht, und gefunden – und wollt eben das andere Mündelein suchen – da wacht es aber auf aus dem Traum – Halt! Halt!! Ganz brav sein!
Ach Du! Gehiebte! So bist Du mir doch im Herzen immer nah, bist mir immer so nah gewesen, daß zum Einssein nur ein Schritt noch fehlte, den der Traum mir schenkte manchmal, und den im Bewußtsein zu Tun doch ein paarmal der starke Wille gar nicht mehr hindern konnte.
Dies letzte Nahesein, es ist doch nur Zeichen, letzte Erfüllung – ach Du! Du!!! Es wird der Tag kommen, da wir uns nicht mehr so sehnen müssen. Ob das Liebhaben dann auch noch so kostbar ist?
Ja, Herzelein! Wenn wir fein Maß halten – wenn wir fein lieb zueinander sind, daß wir ganz miteinander empfinden, und daß wir beide fühlen, wenn es zur Erfüllung drängt, dann wird es immer köstlich bleiben! Und das wird uns gelingen – ja Geliebte! Das wird uns gelingen! Und das schwebt uns nun vor als der liebste Wunsch: der Liebe Sommerzeit. Ja, Geliebte!, der Frühling drängt zum Sommer – und so fort. Oh, dieser Frühling des ewigen Sehnens dauert uns doch schier zu lang!
Mein Herzensweiberl auch will den Sommer! Es will noch mehr! Du!!! Geliebte! Oh Du! Herzallerliebste mein! An Deinem Wunsche erkenne ich doch die Lauterkeit Deiner Liebe! Den Willen zu heiliger Ordnung und treuem, stetem Lieben, zum Heim in seiner ganzen reichen Erfüllung – so allgemein! Und im besonderen erkenne ich darin Deine unendliche Liebe zu mir: daß Du mit mir all das willst – die heilige Ordnung, das Heim, das Kindelein! Daß Du mit mir Dein Leben erfüllen willst, mir Dich ganz schenken, wie ein liebes Weib nur eben sich schenken kann – ach Geliebte! Geliebte!!! Ich erkenne all das! Und ermesse solchen Glückes Kostbarkeit und bin doch ganz erfüllt von diesem Glücke! Oh, Du weißt es: bin sooo ganz glücklich in Deinem Besitze! Und weiß, daß ich in der ganzen Welt suchen müßte, um noch ein sooo liebes liebes Weiberl zu finden – und würde es nicht noch einmal finden – es gibt nur das Eine, das so mich liebhat, das so mich versteht, das so berufen war und mir geschenkt ward, das so mir verwandt und in wundersamer Liebe verbunden ist! Oh Du! Du!!! Meine [Hilde]! Meine liebe liebste [Hilde]! Und ich will Deinem Leben doch letzte, schönste Erfüllung geben – oh Geliebte, ich will es, so wahr ich Dich liebe! Und wenn Du mir noch ein Fleckchen, ein Winkelchen zeigen würdest, das noch nicht erfüllt wäre, oh, dann ruhte meiner Liebe Eifer nicht eher, als bis ich es vermöchte.
Ich liebe Dich! Oh Herzelein! Ich will mit Dir einssein und einsgehen durch dieses Leben!
Und ich will Dir auch das Kindlein schenken – ja, ich will es, jetzt schon, Geliebte, an diesem Wollen darfst Du nicht zweifeln. Ach, Du kannst es nicht! Zu oft habe ich Dich schon bedrängt, oft ist mein Wille so mächtig, und unbändig geworden, Dich so ganz an mich zu ziehen, zu fesseln.
Ach Herzelein! Wenn wir diese Jahre hätten miteinander leben können – ich zweifle nicht, daß wir schon ein Kindlein hätten.
Und wenn wir uns nun nach so langer Zeit erst wiederfinden und recht zusammenleben – so, wie wir nun sind, muß Gott es schon segnen und schicken, daß die Glut unsrer Liebe zu einem Willen sich formt. Und um diesen Segen wollen wir doch Gott bitten – und auf diesen Willen wollen wir selbst uns doch konzentrieren.
Oh Geliebte! Ich will Dein Glück, will Deines Lebens rechte Erfüllung, will Dich zu meinem glücklichen Weibe machen!
Gott walte es!
Das Mannerli hat nun noch viel Drasch bis zur Reise. Den Dienst – es geht ganz schön rund jetzt wieder einmal. Dann die Übergabe. Und dann auf kurze Zeit zusammengedrängt die Vorbereitungen: Fahrscheine – Geld – Einkaufen – Packen - Entlausen (das neueste Hindernis, damit geht ein ganzer Vormittag drauf) – ach Herzelein, das gibt ein kleines Aufatmen schon im Eisenbahnzuge – und ein ganz tiefes, wenn ich dann endlich bei Dir bin!!! Oh Du! Wir erkennen es! Welch reiche Gnade solch Wiedersehen ist!
Oh Herzelein! Was hat man für Hindernisse aufgerichtet zwischen Dir und mir! Man hat uns getrennt, die doch sooo mächtig zueinander wollen!
Und all diese Hindernisse weichen aber, solange nur unsre Herzen treu und lieb verbunden sind – oh Du! meine [Hilde]! ewig lieb und treu und fest! Ich lasse Dich nicht!!! – solange wir einander ganz liebhaben. Dann ist auch Gottes Segen bei uns. Er ist überall, wo liebes, treues Bewähren ist im Guten!
Herzelein! Nun will ich ans Tagewerk gehen. Froher viel froher heute, weil uns nun mehr Gewißheit wurde!
Oh Du! Du!!! Wenn ich es Dir doch gleich zurufen könnte – ich will bald kommen! – ich darf kommen!
Liebes, liebstes Herze! Mußt nun so lange Dich gedulden wieder – mußt wieder so sehr warten!
Bleib mir froh und gesund! Gott behüte Dich mir! Mein Alles, mein Liebstes Du! Meines Lebens Mitte - meines Herzens Teil – geliebtes Weib! Meine [Hilde]!
In ewiger Liebe und Treue
Dein glücklicher [Roland]!
Ob ich diesen Boten wohl noch einholen werde? Ich wollt es schon, will all die Liebe, den lieben Empfang doch selber nun - oh Geliebte – will Dir doch selber auch viel liebe Küsse bringen!
[* = Der im Brief genannte Monate muss versehentlich falsch geschrieben sein, nach der inhaltlichen Ordnung der Briefe muss es sich um April handeln]
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946