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[OBF-430406-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 6. April 1943

Herzensschätzelein! Geliebte mein! Meine liebe [Hilde]! Muß immer noch einmal schreiben, weil ich denke, daß der Bote Dich doch noch vor meinem Kommen erreichen könnte und Dir warten helfen. Ach Herzelein! Wie könnt ich Dich doch nur schnell gewiß machen! Daß Du nicht so lange wartest! Will gleich morgen mal sehen, ob ich nicht ein Telegramm aufgeben kann.

Ach Herzelein, liebstes Du! Habe den gestrigen Boten einem Urlauber mitgegeben, vielleicht erreicht er Dich so einen Tag schneller. Habe von Dir gestern und heute keinen Boten mehr erhalten. An einem Dienstag hast den letzten geschrieben, und ich denke mir nun, daß Du nun keinen mehr schicken willst in der Annahme, daß ich schon bald reisen kann. Gestern kam ein Nachzügler vom Freitag den 23. Januar (!), am Tage vor dem Wagnerkonzert, er trägt den Stempel Limbach. Wo der nun so lange gesteckt haben mag! Er ist nicht geöffnet, nicht kontrolliert. Und ich habe ihn doch ganz lieb empfangen und bin froh, daß er nun bei mir ist.

Hast mich doch immer schon so lieb gehabt – ach Du! Du!!! doch nicht erst seit Januar – immer schon, Du!!! Und ich hab Dich immer schon so lieb gehabt – oh Du! Du!!! Schon sooo lange – kann mir doch gar nicht mehr die Zeit denken, da ich gar kein Herzensschätzelein hatte — oh Du! Du!!! Viel viel schöner ist die Welt seitdem – viel viel reicher dieses Leben – viel viel froher das Herze!!! Oh Geliebte, das ist so, weil die Liebe so tief und ganz mich ergriffen hat – oh Herzelein, weil mein Herze sich sooo sehnte nach einem lieben Gesellen – weil es nun erst ein Ganzes ist mit dem Deinen.

Am Sonnabend, den 10. April, jährt sich der Tag, da das Mannerli Abschied nahm von Oberfrohna – da es sein Weh und sein Sehnen und seine Rückschau hinaustrug in den Apriltag mit Sonnenschein und Schneeschauern.

Ach Du! Du! Du!!! Und Du mein Herzherzallerliebstes warst mir doch ganz nahe – bist schon damals heimlich mit mir gegangen – oh ja, Herzelein, ich glaube es, daß schon in diesen Stunden und vorher feine Fäden zwischen unseren Herzen gewoben wurden – die feinsten, geheimsten sind es. Ach, Du liebes junges Herzblut, das Du damals noch warst – hättest doch Deinen Herzensbub gleich mal richtig bei den Ohren genommen und ausgezankt: Willst mich denn gar nicht mitnehmen, Mannerli – kennst mich denn gar nicht? Bin doch Dein Weiberli, Dein Glück – sollst mein Glück sein – dummer Bub! – ach Du! Du!!! Herzelein! Herzelein!!! Geliebte!!!!! Du! meine liebe [Hilde]!

Mein Herzblümelein steckte noch zu tief in der Knospe – daß der Knab seine Schönheit und seine Berufung kaum erkennen konnte. Ach — und dieses Knöspelein stand in einer Umgebung, in der ich es gar nicht erkennen konnte. Oh Geliebte! Nun hab ich Dich tief erkannt! Und nun bist Du mein Herzallerliebstes geworden.

Ach Du! das kannst Dir wohl gar nicht recht denken: Hab Dich doch überhaupt nicht gekannt – Du! So wie ich Dich jetzt kenne! – bist doch auch ein bescheidenes, stilles Mädchen gewesen trotz dem Übermut. Oh Herzelein! Von der Tiefe Deines Sehnens und Glaubens – ach Geliebte, von der Verwandtschaft Deines Wesens habe ich doch kaum etwas geahnt.

Ja, Herzeli! Es mußte erst die Ferne kommen – die Zweisamkeit unsrer Herzen im treuen Boten – daß wir einander unsre Herzen öffnen und erkennen konnten. Ja, Herzelein. Die Zweisamkeit der Herzen! Unsre Herzen scheuen die Zudringlichkeit der Welt, sie öffnen sich recht nur in der Zweisamkeit, im Gefühl tiefsten Vertrautseins. Ach, zum anderen Manne finde ich schnell – aber zum Weibe – ach Geliebte! Du! Du!!! Da finde ich nur zu Dir! Und das erkannte ich schon immer: da würde ich nur zu einem finden können – zu dem einen, das mir ganz gehört, vor dem kein falsches Begehren mehr laut werden kann, dem ich tief und ruhig und mit meinemn ganzen Wesens Leuchten ins Auge schauen kann, tief, tief - ja, Geliebte! Nun find ich nur noch zu Dir – in Freiheit, Wahrhaftigkeit, Glückseligkeit.

Oh, ich erkenne es klar: solche Wahrhaftigkeit und Freiheit kann der Mann nur dem eigenen Weibe gegenüber haben. In jedem Verkehr mit anderen Frauen sind Spannungen, schleichen falsche Gedanken und Wünsche sich ein, beginnen die Spannungen ein falsches Spiel. Oh Herzelein! Und ich liebe die Wahrhaftigkeit, und hasse falsches Spiel – und darum fliehe ich solchen Verkehr – ich würde unglücklich darüber – oh Du! ich liebe die Freiheit! Und mit Dir ist, die Freiheit! Oh Herzelein! Mit Dir ist sie erst recht angebrochen, die Freiheit und Klarheit und die Möglichkeit zur Wahrhaftigkeit – in Deiner Liebe kann mein Wesen sich läutern – oh Herzelein! Dein Herze ist nun der Liebste Ort, zu dem alles Sehnen geht – Dir kann mein Herze sich ganz weit öffnen – einem geliebten Weibe, einem Muttersinn und Mutterherzen – oh Du!!!!!!!!!!!!! Oh, Geliebte! Bei Dir kommt alle Unrast zur Ruhe bei Dir ist Erfüllung! Du bindest alle Arme der Sehnsucht – zu Dir kann alle Liebe strömen, ungehemmt, frei und wahr, und darum glückhaft. Dir kann ich ganz gehören! Dich kann ich wahrhaft lieben! Dir verbunden sein in guter Herzensliebe! Ja, zwischen Mann und Weib spielt immer die Liebe, die falsche, schlechte zumeist, die diesen Namen gar nicht verdient. Oh Herzelein! Wir wissen um der Liebe Zweisamkeit! Um die Burg, um den Garten guter Liebe! Ja, wer recht lieben will, dessen Sinn muß nach solcher Zweisamkeit stehen, nach der Burg, nach der eigenen Welt, nach dem trauten Nest, nach letzter, tiefster Herzenstraute.

Oh, dann erfährt er aller Liebe Glück, und Kraft, und Segen, und Hoheit!!! Dann steht im Herzen auch etwas auf von der höchsten Liebe! der lauteren, selbstlosen Nächstenliebe.

Geliebtes Herz! Es ist doch wieder morgen, da ich diesen Boten fast ganz geschrieben habe. Mannerli geht jetzt zeitig schlafen – und wenn es munter ist, steht es schnell auf – so hilft es sich über die Unruhe des Sehnens und Wartens – Du!!! Ach, auch Du wirst warten. Herzelein! Mir ist ein Gedanke gekommen: Ich gebe einem Urlauber ein Telegramm mit, er mag es in Wien aufgeben. Dann bist Du am Freitag vielleicht schon im Gewissen – sollst Dich doch nicht länger als ich mit der Ungewißheit quälen. Sollst doch ganz froh und heiter sein, wenn ich komme! Wenn ich komme!

Oh walte es Gott!!!

Er wird mit uns sein! Wie immer bisher! Er wird unser Lieben segnen – auch mit dem Kindelein, wenn es sein Wille ist – der meine ist es doch – und der Deine? –

Oh Du! Du!!! Ich liebe Dich! Ach Herzelein! Mehr kann und darf ich jetzt nicht denken – weil sonst die Sehnsucht all aufsteht – und die soll doch erst bei Dir, bald, bald, aufbrechen – zu Dir! zu Dir!!!!! !!!!! !!! Ich küsse Dich – ganz ganz leis nur! Du! Liebstes! Mein Alles! Du!!!!!!!!!!!!

Dein glücklicher [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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