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[OBF-430109-001-02]
Briefkorpus

Sonnabend, den 9. Januar 1942

Herzallerliebste mein! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Es ist keine schöne Umgebung, in der ich hier sitzen muß – aber eine schöne Umgebung ist ja unser ganzes Haus hier nicht – und das Viertel, in dem es steht – gern bin ich nur in meinem Dienstzimmer, weil es so schön geräumig ist, weil es einen schönen Ausblick gibt auf Villen und Gärten – und wenn es wieder grünt, dann wird es eine Augenweide sein. Ach Du! Herzallerliebste mein! Wenn ich dein denke, dann ist um mich her doch eine ganz andere Gegend – dann fallen die schmucklosen Wände, dann weiten sich die Räume – ach Du! Du!!! Dann bin ich daheim – dann gehe ich mit dir die Wege der lieben Heimat, dann schaue ich ihre Weite im Sonnenglanz, oder im Dämmergrau, ach, in dem herrlich reichen Spiel der Farben und Spannungen und Stimmungen – oh Herzelein, die ganze liebe weite Heimat gehört uns – ja sie gehört uns, sie lebt in uns, sie kennt uns, und wir kennen sie – oh Herzelein! Und ^dann kehre ich mit Dir heim – in unser Schloß – ja, Geliebte! unser Schloß ist’s — und solange wir noch kein eignes Heim haben, bleibt es auch unser Schloß – unser Schloß ist’s, weil ein Prinzessin drin wohnt – meine Herzenskönigin - ein Schloß ist’s, weil es Liebstes, Heimlichstes birgt – oh Du, weil darin der Zauber ist der Liebe! Du! Du!!!

Ist’s auch Dein Schloß dann, wenn ich bei Dir bin? Oh Geliebte! Geliebte!!! Dein Prinz bin ich dann – ach Du! Du!!! Wie ein König so reich und glücklich bin ich mit Dir – und so arm, so arm wäre ich ohne Deine Liebe – Du! Du!!!!! !!!!! !!!

Nun will ich mir doch Deine lieben Boten vornehmen und sehen, worauf mein Herzlein eine Antwort haben soll. Die Antwort aber, die wichtigste, die soll doch durch alle Zeilen gehen – so wie es in Wirklichkeit ist: das ganze Mannerli bewegt nur und erfüllt von Liebe zu Dir!, oh Herzelein, beseelt davon, mit Dir ganz einig zu gehen und eins zu sein – und das sind wir doch – ganz gehören wir einander! Oh Du! Das kann ich doch sooo deutlich fühlen in mir, wie ich ganz eines bin mit Dir! Ist doch mein Herze, in dem meine liebe [Hilde] wohnt – in Dein es ein geht – und darin sooo lieb schaltet und waltet – ganz heimisch ist’s darin – ach Du! bewohnt ist mein Herze nun – ist bewohnt! steht nimmer leer!

Ach, wenn es Dir so gefällt wie mir in dem Deinen – ach Du! Du!!! Du!!!!! Das kann ja gar nicht sein – oh Herzelein! ich bleibe in dem Deinen – immer – Du!!! oh, [sic] wenn Du mich nur immer darin wohnen lässt – Du! Du!!!!! in Deinem Herzen, in Deinem lieben Herzen – in meinem lieben, lieben Herzen – ist es mein? Oh Geliebte! Geliebte!!! Es geht mir doch wie Dir: soviel liebe Boten warten auf Antwort, ach, Herzallerliebste mein! Für das Wetter ist interressierst [sic] Du Dich – ich mich ja auch. Muß ich mich erst mal besinnen. Ich habe Dir schon geschrieben, wann es bei uns den Schnee gebracht hat, das war in der Nacht zum Montag – von Westen ist er gekommen, also ein wenig später als daheim. Richtig, am Sonntag regnete es erst ein wenig, heiterte zum Nachmittag wieder auf, trübte sich dann später wieder ein. Aber es hat nicht viel Schnee gebracht. Nun ist es ein paar Tage kalt und hell gewesen, Aber heute gab es schon wieder warme Westluft – und heut [sic] abend ist draußen ungesunde, feuchte Kälte. Ich freue mich, daß mein Schätzelein sich so fein warm hält – ein richtiges Wollschäfelein, [sic] ich wollt es doch gleich mal lieb, lieb streicheln, und ganz ganz lieb und fest an mich drücken – bis – durch die ganze Wolle hindurch bis zum Herzelein, Du! Damit es fühlt, wie lieb ich es habe!!! Und hat auch sonst alles fein gepolstert, sogar von innen – fein ist’s, gut ist’s für die Winterszeit – ach, wenn es meinem Schätzelein darum angst [sic] und bange wird – dem Mannerli nicht, Du! Es freut sich. Ist doch gut, wenn man nicht so spindeldürr umherläuft – wenn man etwas zuzusetzen hat – ach, was ist hier gut und böse – die liebe Eitelkeit nur unterscheidet so – was gesund ist, ist gut, und die Natur läßt sich ohne Schaden nicht hemmen.

Ich weiß, daß ich auch einmal besorgt an mir herunterschaute – als das Mannerli nach dem unnatürlichen langen Liegen im Krankenhause dick wurde, überall. Aber geärgert hat mich nur das dicke Bauchel. So kennst doch Dein Mannerli gar nicht, gelt? Und überall möcht ich schon dick sein, aber nicht am Bauchel – hab doch schon einen dicken Po –. Und das Dickwerden am Bauchel ist doch nur eine Folge von Übermaß und Trägheit – und in deren Gefolge einer Verfettung und Schwächung der Gewebe der Bauchmuskeln. Die kann man fein verhüten, wenn man umgeht, wie mein liebs Fraule, oder wenn man in Ermanglung [sic] solchen Umgehens ein bissel turnt. Früh macht es mir doch richtige Lust, mich ein bissel zu recken und zu strecken.

Ach Herzelein! Deine Sorge kann ich gar nicht teilen. Eh [sic] Du dick wirst – wirst Du erst einmal – na, wie sag ich es recht: vollkommen – und dann erst einmal stattlich – und dann – bist und bleibst Du immer noch mein liebs Fraule, mein geliebtes Weib – und wenn das Mannerli bei Dir ist, Dein Sonnenstrahl immer um Dich, dann wird er seinem Herzblümelein ein wenig mehr oder weniger strahlen – bis es ihm ganz gefällt – und umgekehrt mein Schätzelein – ach Du! dann schauen doch nur wir noch einander – und wenn dann einer sagen sollte: „Aber Herr [Nordhoff], sie sind dicker geworden" – was geht es die andern an? Mein Fraule strahlt mich so an – und darum bin ich so – und darum ist es recht so. Du! Kannst mit dem Mannerli darin zusammenstimmen?

Ach, Du Liebstes! Ich denk schon auch, Du streckst und wächst Deinem Mannerli zu – Du! Du!!! wirst immer mehr und vollkommener mein liebes Weib – willst Du das? Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Darfst Dir Dein Mannerli gar nicht so dünn vorstellen. Das Gesichtel ist ja ein wenig knochig – aber sonst – muß gleich mal hinschauen heut [sic] abend – will noch baden, eh [sic] ich ins Bettlein gehe – magst mithalten? Du!!!

Jetzt fällt mir das Geschäftliche ein: das Geld ist überwiesen worden. Und Du hast den lieben Eltern von unserem Vorhaben gesagt – und sie haben sich doch gefreut – fein ist das. Lieb, daß Du es so vermittelt hast.

Hat Vater denn seine Behandlung ganz frei? Mutsch schreibt einiges auch über Vaters Krankheit. Sie führt schon wieder einen Plan im Schilde: „am besten, er läßt sich einmal beobachten" – Herzelein, nicht nur Vater, sondern auch Ihr müßt Geduld haben und vernünftig sein – Ihr müßt abwarten. Vater anhalten zur Selbstbeobachtung. Nicht vielerlei probieren. Ach, leicht ist das nicht. Ich verspreche mir aber von einer Beobachtung im Krankenhause auch nichts. 1. Kann da meines Erachtens auch nur über längere Zeit etwas beobachtet werden. 2. Wird man jetzt Zeit haben, diese Beobachtung gut durchzuführen? Ich bezweifle es.

Ja, das ist nun so: eines möchte hier lieb auf das andere eingehen, dann wird auch leichter Rat und Hilfe. Aber das ist zwischen Vater und Mutter nicht so, wie es zwischen uns ist. Das ist übrigens auch ähnlich bei uns daheim. Oh, was ist mein Vater leicht ungeduldig und unleidig, wenn Mutter mal nicht recht kann – Gottlob ist sie so tapfer und noch ganz wenig krank gewesen, bettlägerig fast gar nicht. Wieviel Geduld hat aber sie haben müssen mit unserem Vater, als er so lange und gefährlich krank war! Möchte [verwischt] beim lieben Pappsch alles sich zum Guten wenden! Freilich muß er auch ein wenig Mithilfe zeigen – ach Du, wenn ich so was hätte, wie wäre da mein Wille mächtig, wieder zu gesunden – schon für mein liebes Weib!!!

Und so denkt mein Herzelein auch – gelt? Ach Du! Du!!! Und doch Herzelein und Reiterlein wieder bei mir. Und das Herzelein ist zu früh gekommen! Du!!! Will nur gleich das Pferdlein wieder umdrehen – daß Du es derweil wieder einsperrst. Wird doch gerade im kalten Januar noch einmal sich auf die Reise machen müssen. Halt Dich nur jetzt doppelt gut – Schäfelein! Und nun wird mein Weiberl wieder ganz gesund sein – wird es?

Bekomm ich dann das lange, stürmische Kussel? Du!!!!!

Nun habt Ihr doch noch einmal eine Reise angetreten. Und mein Schätzelein mußte eben mit. Ich verstehe Mutters Wunsch. Und es ist doch schön, wenn Geschwister zusammenhalten, so wie es in Eurer Familie ist. Wenn Mutter nicht zur Arbeit mehr ginge, könnte sie öfter einmal verreisen und müßte nicht die Feiertage dazu nützen – aber wenn Du nicht mehr daheim wärest, könnte sie es dennoch nicht. Ja, so ist es schon recht, daß Ihr Euch vertragt, daß Du Kompromisse schließt und Zugeständnisse machst – zwei Köpfe, zwei Sinne – viele Köpfe, viele Sinne – zwei Köpfe und einen Sinn, gibt es das überhaupt? Ja Herzelein – zwischen Menschen, die einander ganz sehr liebhaben – da drängen Herz und Sinn immerdar zum Einssein – kennst Du zwei, die so einander liebhaben? Oh Herzelein, Du!!!

Und jetzt wird das Mannerli ins Bettlein kriechen – das Badewasser ist heut [sic] abend nicht heiß genug. Muß ich noch ein Paschel [unklar] bleiben bis morgen. Herzelein! Ich wünsch Dir eine gute Nacht! Ich denke Dein – immer, Du! sooo lieb, Du! sooo lieb! Ich küsse Dich! Dein glücklicher [Roland]!!!

Herzelein! Einen lieben guten Sonntagmorgen wünsch ich Dir – einen ganz lieben, guten Morgen! Du! Du!!!

der Wintersmann hat Barrikaden errichtet heute nacht, [sic] und noch schneit es unaufhörlich, 40 cm Schnee liegen schon – nun liegt zwischen uns nicht nur die Ferne, sondern auch ein weißer Wall – Ach Herzelein, Geliebte! Geliebte! Kein Wall, nicht Barrikaden und Ferne können uns scheiden – Du! Du! Die Liebe braucht nicht Weg und Steg, sie braucht nicht Tür und Schloß – ich suche Dich – und finde Dich! oh Herzelein, immer find ich Dich! Dort sucht Dein [Roland], wo sonst niemand sucht: in Deines Herzens und Wesens Mitte – dort find ich Dich, wo sonst niemand Dich findet: im tiefsten Herzkämmerlein! Oh Herzelein! Unsrer Liebe Pfeile treffen mitten ins Herzelein! Unsrer Liebe Sehnen rührt die feinsten Saiten – macht unser Herze im Tiefsten klingen und schwingen

Oh Herzelein! Geliebte, meine [Hilde]! Wie lieb ich Dich!!! Liebe Dich in Deinem Wesen, in Deinem Eigensein – mein Herzblümelein gibt es doch nur einmal in der Welt – aus allen kenn ich es heraus – an seiner Gestalt – und erst recht an seinem Wesen. Denke Dir nur eine ganz große Parade aller Menschenkinder – ich kenne Dich aus allen heraus – und Du kennst mich? – oh Geliebte! welch froh und tief und glücklich Erkennen!! – welch glücklich Erkennen!! – ganz froh ergreif ich Dich!! – ganz tief umfang ich Dich – ganz weit entführ ich Dich – und Du mich? Nur mit Dir die Einsamkeit, such mit Dir die Traute des Herzens – ein Heim – ein Nest – Geliebte!

Und so bist auch Du gesinnt. Oh Du! Unser Lieben ist nicht ein öffentlich Lieben auf Tanzsälen und Vergnügen, ein Lieben bei festlichen Gelegenheiten – es ist ein tiefes, stilles Leuchten aus der Herzens Mitte und Glut – und am tiefsten leuchtet es in der Einsamkeit, im Lande unsrer Liebe. Oh Herzlein! Nimmer kann Leere sein zwischen uns – wir leben doch miteinander!!! ich lasse Dich nicht allein leben – und mag nicht mehr allein leben! Und will immer mit Dir leben, in Freud und Leid, in des Herzens Stille und Jubel, will mit Dir gehen durch alle weiten und reichen Lande der Seele – will immer, immer um mein Herzblümelein sein – es ganz mir zu Eigen machen – aus Liebe, aus tiefer, heißer Liebe – oh Du! Du! Du!!! Wie lieb ich Dich! Wie lieb ich Dich!!!!! !!!!! !!! Geliebte mein! So froh und glücklich bin ich?!!! Schau[st] Du mein Glück? Von Dir bin ich so glücklich! Von Dir!!! Weil Du mein Eigen bist! Ganz mein Eigen!

Weil ich eine Heimat habe! Oh Du! Wie sehn ich mich nach Dir! Wie froh ergreif ich Dich! Mein Lebensgefährte, Du! Mein liebes Weib!!! Wie froh erkenn ich Dich: bei Dir bin ich daheim! ganz daheim!!! Mein Herzblümelein gibt es nur einmal in der Welt! Einziges, geliebtes Weib! Meine [Hilde]!! Behüt Dich Gott!

Ich liebe Dich! Bei allen Herzzipfelein halt ich Dich! Ganz ganz auf Deines Herzeleins Mitte ziele ich – Du!!!

Dein glückliches Mannerli! Ewig

Dein [Roland]!

Und viel, viel liebe Küsschen! Du!!! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Ganz Dein!!!

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Roland sehnt sich nach Hilde umso mehr, da er seine unmittelbare Umgebung als eher trist empfindet. Er phantasiert vom gemeinsamen Heim und der Heimat, die durch Hilde hell und weit erscheint. Bis es aber soweit ist, bleiben beide im gemeinsamen „Schloß“. Er beantwortet ihre Fragen der letzten Boten. Allen voran bestätigt er ihr, wie innig verbunden er sich mit ihr fühlt, denn sie allein bewohnt sein Herz. Dann beschreibt er das Wetter. Es gab Schnee, aber nicht viel, sondern eher feuchte Kälte. Er freut sich, dass Hilde sich bei diesem Wetter schön warm hält und stellt sich vor, wie er sie umarmt. Beide haben etwas „zugesetzt“, was aber gut für die Winterszeit ist. Auch wenn Hilde sich darum ein wenig sorgt, so liebt Roland sie so, wie sie ist. Gleich will er noch baden, was er auch erwähnt. Dann folgt noch Geschäftliches. Das Geld ist überwiesen worden. Und er freut sich, dass Hilde den Eltern von ihrem Vorhaben erzählt hat.

Außerdem kommt er auf Vaters Behandlung zu sprechen. Er rät, geduldig und vernünftig zu sein und hält eine Beobachtung im Krankenhaus zum jetzigen Zeitpunkt nicht für sinnvoll, da ein Aufenthalt dort durch Zeitmangel wohl momentan nicht zielführend sei. Er spricht von „Herzelein und Reiterlein“. Und bemerkt die Reise, die Hilde mit den Eltern angetreten hat, (mit oder zu den Geschwistern??) und wie schön es ist, dass sich alle gut vertragen und zusammenhalten und Hilde Kompromisse und Zugeständnisse macht.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946