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[NGM-400611-004-01]
Briefkorpus

[*] Hbg.-Bergedorf, d. 11.6.40

Mein lieber [Heinrich]!

Jetzt ist es ja nun so weit, daß Italien mit in den Krieg getreten ist. Als ich gestern zum Brotholen bei Liesbeth H. war, kam Ferdinand M. aus der Tür gestürzt und rief: [Hannelore], Ihr müßt Radio anmachen, der Duce redet. Es war aber in Italienisch, wir verstanden natürlich kein Wort, aber die Begeisterung der Italiener war grenzenlos. Nach einiger Zeit kam dann die deutsche Übersetzung. Wie wir natürlich vermutet hatten, war es die Kriegserklärung Italiens an England u. Frankreich. Heute dröhnen nun wohl auch im Süden Frankreichs die Kanonen. Vielleicht ja auch in Nordafrika und vor allen Dingen im Mittelmeer. – Was ich Dir heute hauptsächlich schreiben wollte ist, daß Du Deine Taschentücher u. Strümpfe schicken sollst, damit ich sie dann am Sonntag wieder mitbringen kann. – Gestern bekam ich einen Brief von Erich Sch.. Sie liegen vor der Maginot-Linie, haben schon ziemlich viele Verluste gehabt. Aber Erich schreibt, für mich haben die Franzmänner wohl keine Kugel gegossen. August muß ja auch ziemlich hindurch. Wilhelm ist in Ostpreußen zur Ausbildung.

Herzliche Grüße

Deine [Hannelore]

Das Oberkommando der Wehrmacht gibt am 11. Juni 1940 bekannt:

Die grosse Schlacht zwischen der Kanalküste und der Maas ist immer noch in vollem Gange. Am rechten Flügel und in der Mitte wird die Verfolgung der geschlagenen französischen Armeen rastlos fortgesetzt, zwischen Reims und den Argonnen noch erbittert, aber erfolgreich gerungen. An mehreren Stellen sind starke feindliche Kräfte abgesprengt und umschlossen und gehen ihrer Vernichtung entgegen. Infolge der schweren blutigen Verluste und der grossen Einbusse an Gefangenen und Material aller Art schwindet die feindliche Widerstandskraft zusehends dahin.

Kampf- und Sturzkampfverbände griffen wiederum den Hafen und die Kaianlagen von Le Havre an, zerstörten die Schleusen, versenkten einen Zerstörer und beschädigten weitere Schiffe, darunter 1 Zerstörer und 2 Transporter von 10 000 to. durch schwere Bombentreffer. Neben den dichten Kolonnen des zurückgehenden Feindes, Transporansammlungen [sic], Batteriestellungen, die mit Bomben belegt wurden, gelang es der Luftwaffe, auch mehrere Brücken über die Marne und die untere Oise zu treffen und teilweise zu zerstören und so den feindlichen Rückzug empfindlich zu hemmen.

Am 9. Juni wurden im Nordmeer ein Kreuzer und 4 Transportschiffe mit Bomben angegriffen und so schwer getroffen, dass die Mehrzahl dieser Schiffe ausbrannte.

Feindliche Flugzeuge warfen wieder im Schutz der Dunkelheit einzelne Bomben über Nord- und Westdeutschland ab, wesentlicher Sachschaden ist nicht entstanden.

Die Gesamtverluste des Gegners in der Luft betrugen gestern 29 Flugzeuge, davon wurden im Luftkampf 19, durch Flak 6 abgeschossen, der Rest am Boden zerstört. Ferner wurden 3 Sperrballons abgeschossen. 8 eigene Flugzeuge wurden vermisst.

Der Oberleutnant und Kompagniechef in einem Inf. Reg., Volker Tegelmann, hat an der Spitze seiner Kompagnie durch vorbildliche Kaltblütigkeit 8 angreifende feindliche Panzerkampfwagen zur Übergabe gezwungen.

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[* = Der Brieftext ist handschriftlich, der Wehrmachtsbericht ist mit der Schreibmaschine getippt]

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Autor Hannelore Wilmers
Korrespondenz Neuengamme
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Über den Autor

Hannelore Wilmers

Abbildung von einem Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, grüner Karton mit Schreibmaschinenschrift. andes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.
Ba-NGM K02.Pf1_.A14, Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, 1944, Hamburg, herausgegeben vom Landes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.

 

 

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als

Über die Korrespondenz

Neuengamme

Abbildung mehrerer Bündel Briefe aus dem Konvolut Neuengamme, von Kordeln zusammengehalten, in einem Schuhkarton durcheinander gewürfelt.

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost