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[NGM-400627-004-01]
Briefkorpus

[*] Hamburg-Bergedorf, den 27. Juni 1940

Mein lieber [Heinrich]!

Am Dienstag sind die Maler in unserer Wohnung angefangen. Da R. am Mittwochmorgen nicht gekommen war, kam Fiede B. gestern abend bei uns hatten an. Sie wollten gern weitermachen, hätten aber schon aufhören müssen, weil erst die Anlagen gemacht werden müssten. Ich ging dann zu R., seine Mutter war nur da. Er war am Mittwochnachmittag aber doch dagewesen, war aber noch nicht fertig geworden. Die Lampe im Wohnzimmer ist noch nicht versetzt, ein Stecker fehlt noch in der Stube, in der Küche ist auch noch keiner angebracht, und dann wollte ich auf dem Flur ja neben der Tür noch gern einen Anschalter haben. Wann er nun wieder dabeikommt, ist fraglich. Seine Mutter war überhaupt ziemlich frech. Die Wohnung stände ja doch nachher leer, da täte es ja auch gar nicht nötig, dass Arno käme, und der Maler hätte auch wohl noch andere Arbeiten. Bei Ihnen [sic] würde immerzu angeklingelt, Arno sollte hier hinkommen und dort hinkommen.

Ich war gestern abend noch in Curslack, es sieht dort oben bös aus. Die Wände waren abgewaschen, ebenfalls die Decken. Alles lag auf dem Fussboden wüst durcheinander. Die neuen Tapeten lagen in einer Dachkammer. Ich habe sie mir noch angesehen. Die Wohnzimmertapete hat jetzt eine ganz andere Farbe. Ich weiss nicht, ob das von der anderen Beleuchtung kommt, oder ob es tatsächlich eine andere ist, vielleicht ist die andere nicht vorrätig gewesen. Die Leisten waren nicht dort, vielleicht liegen sie ja noch beim Maler, oder sonst sind sie noch nicht geschickt. Ich war nachher vor beim Maler, und habe Bescheid gesagt, dass er im Schlafzimmer und im angrenzenden Zimmer weitermachen könne. Der junge Fiede meinte, er würde die Tür ganz überspannen und zukleben. DieKüche [sic] fand er so auch unmöglich, so gut wäre die Farbe auch noch, dass sie einige Jahre hielte. Fussbodenlack aber hat er überhaupt nicht mehr.

Abends war ich dann noch bei Tante Bertha. Sie fragte, wann wir dann nun heiraten wollten. Alle Leute fragten sie immer danach, wo die Wohnung nun doch gemacht würde, und wir die Möbel schon gekauft hätten. Ausserdem kämen wir ja jetzt gut davon ab, wir könnten Kriegstrauung machen. Sie würde es aber wieder von anderen Leuten erfahren, genau so, wie mit der Wohnung, dass wir die damals gemietet hatten. Dabei war es doch damals noch gar nicht fest, durch den Milchmann G., der sie sonst hätte haben wollen, und dem gesagt worden war auf der Dienststelle, dass ein Altengammer Lehrer sie wahrscheinlich nehmen würde, hatte sie es erfahren. Wenn man mit Grete spricht, so ist alles immer Stichelei. Sie sähe mich ja nie, und wenn man mich besuchen wollte, sei ich nicht da. (Sie war nämlich vorigen Sonntag mal vor), aber ich käme ja nie rüber. Sie hätte gar keine Zeit. Das sind alles immer die alten Kamellen, das hängt einem bald zum Hals heraus. Ende Juli muss sie zum Erntedienst nach Westpreussen, anschliessend wollen sie eine Radfahrt durch Ostpreussen machen. Tante Bertha war dann noch mit mir oben, hat sich die Tapeten angesehen, sie fing natürlich von der Küche wieder an, konnte es gar nicht verstehen, dass wir die nicht so lassen wollten. Dann fragt sie mich nach Strich und Faden aus, wohin Mutti und Papa wollen, wann sie losfahren usw.

Mutti will dann immer nicht, dass man das erzählt. Nach den Preisen der Möbel fragt sie natürlich dann auch ganz unverfänglich. Kommt man dann nach Hause, dann hat mich [sic] sich wieder zu lange aufgehalten. Mutti fragt dann wieder, was ich dann dort alles wieder erzählt hätte. Ach, Du kannst Dir wohl schon denken, alles ist immer eine Stänkerei.

Gestern schrieb Tante Else aus Toppenstedt. Sie war in Salzhausen gewesen. Oma hatte noch gar nichts davon gewusst, dass sie zu uns kommen möchte. Mutti hatte den Brief mit in einen Umschlag gelegt, den Günther an August-Wilhelm geschrieben hatte. Der wird das aber wohl verfuscht [sic] haben. Oma hätte aber gemeint, wenn die Engländer jede Nacht kämen, und sie immer in den Keller müsste, dann wollte sie doch lieber nicht kommen. Mutti will nun erst einmal abwarten, was Papa heute bei seiner Untersuchung für einen Bescheid bekommt. Vielleicht könnte er in nächster Zeit eingezogen werden, man kann ja nicht wissen. Papa ist ja auch dafür, dass Oma nicht kommt, denn in den Keller werden wir ja sicher müssen.

Mutti ist nun schon so oft nach Bergedorf gewesen, aber nie hat sie Zeit gehabt, sich die Lampe anzusehen, die ich ausgesucht habe. So kann ich sie ja auch nicht anmachen lassen, nachher baumelt sie, und sie mag sie nicht leiden. Hoffentlich kommt sie nun Ende der Woche noch einmal hin.

Gestern habe ich Busch an meine Riecherbsen gesteckt. Nach dem Regen sind sie ganz schön gewachsen, es wird ja aber auch Zeit, anderswo blühen sie nämlich schon lange. Ärgern kannmich [sic] immer, dass Mutti überall etwas dazwischen pflanzt. Jetzt hat sie wieder zwischen meine Gladiolen und Kapuziner Kresse Astern gepflanzt. Ich kann dieses Durcheinander nicht ausstehen. Die ganze Schönheit ist dadurch hin. Aber dafür hat Mutti kein Verständnis.

Gestern habe ich Deinen Brief bekommen, in dem Du schreibst, dass Du Dich äusserlich entlobt hast. Was soll ich schon dazu sagen. Wenn der Ring beim Dienst hinderlich ist, so ist es doch schon besser, wenn Du ihn abnimmst. Aber verliere ihn nur nicht

Fräulein B. behauptet gerade, dass Du Grübchen hast beim Lachen. Ist das wahr? Ich habe gesagt, dass [sic] wäre mir sicher aufgefallen. Wir haben hier überhaupt augenblicklich Gespräche. Eine Pflaumerei nach der anderen. Aber der Brief wird wieder so lang, und Du hast ja keine Zeit zum Lesen. Übrigens heute hatte ich ziemlich viel zu tun. Jetzt ist es bald wieder Feierabend. Noch 1 ½ Tag [sic] und dann kommst Du hoffentlich auf Urlaubnach [sic] Neuengamme.

Herzliche Grüße

Deine [Hannelore]

Dies sollte ich Dir mitschicken.

[* = Der gesamte Brieftext ist mit der Schreibmaschine getippt, nur Gruß und Unterschrift, das nachträglich eingefügte „an“ und der Nachsatz auf der Rückseite des beigelegten Kalenderblattes sind handschriftlich hinzugefügt.]

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Autor Hannelore Wilmers
Korrespondenz Neuengamme
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Über den Autor

Hannelore Wilmers

Abbildung von einem Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, grüner Karton mit Schreibmaschinenschrift. andes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.
Ba-NGM K02.Pf1_.A14, Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, 1944, Hamburg, herausgegeben vom Landes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.

 

 

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als

Über die Korrespondenz

Neuengamme

Abbildung mehrerer Bündel Briefe aus dem Konvolut Neuengamme, von Kordeln zusammengehalten, in einem Schuhkarton durcheinander gewürfelt.

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost