Nr. 450
Hbg.-Neuengamme, d. 19. Dezember 1942.
Mein lieber [Heinrich]!
Heute abend will ich Dir meine herzlichsten Weihnachtswünsche übermitteln u. Dir ein frohes Weihnachtsfest wünschen. Wenn Du auch dann in Dänemark bleiben mußt, so mach Dir Weihnachten keine Sorgen um mich, sondern sei frohen Herzens. Ich hoffe ja auch so sehr, daß ich bald wieder gesund sein möge. Der Spezialarzt weißt hoffentlich Rat. Wie ich telefonisch erfahren habe, ist der Arzt selbst eingezogen, hoffentlich ist die Vertretung auch gut. Vielleicht aber hast Du ja noch die Möglichkeit, Weihnachten nach hier [sic] zu kommen. Das würde dann das erste Weihnachtsfest sein, das wir zusammen feiern können, u. außerdem ist es Puppes erstes Weihnachtsfest. Ob sie wohl schon etwas davon wahrnimmt? Heute bekam ich eine Karte von Vater, daß sie ein Päckchen an mich abschicken wollten per Expreß. Papa war heute nachmittag sowieso in Bergedorf, da hat er gleich nach dem Päckchen gefragt, u. es war auch schon da, so daß er es gleich mitbekommen konnte. Es ist eine Pute drin. Ob nun das die Pute ist, die ich bei Hermine bestellt hatte? Aber Vater schickt sie ja. Vom Preis schreibt er nichts dabei. Du sagtest ja neulich schon, daß Deine Eltern früher schon Hermine mit einer Pute ausgeholfen hätten, als sie keine Gans mehr hatte. Vielleicht ist es ja in diesem Fall ähnlich. Oder meinst Du, daß wir von Hermine auch noch eine bekommen? Sie hatte damals nämlich geschrieben, sie wollte sie uns erst nach Weihnachten schicken. Von E. u. Henry P. bekamen wir gestern u. heute zwei herrliche Schweinebraten vom Schlachten, Würste u. Brühe. Also verderben können wir fürs erste nicht. – Heute wird bei Ernst R. Verlobung gefeiert. Mutti hatte für uns Biergläser besorgt für Ernst, die hat Papa nun heute zu P. gebracht zum Mitnehmen. – Für Papa war heute der letzte Schultag. Sein Geburtstag ist von der Klasse gefeiert worden. Eine Edeltanne, große Azalee, Alpenveilchen, Maiglöckchen, Tulpen, alles haben wir jetzt. Außerdem hat Papa noch Zigarren, Äpfel u. 1 Buch bekommen. Dein Brief ist auch eingetroffen. Du schreibst darin von Deinen gekauften Sachen, aber Papa hatte ja noch gar nichts gesehen. Ich hörte dann nur, wie Papa in der Küche zu Mama sagte, ist da wohl noch ein Paket für mich unterwegs? Ich sagte dann, Du wärst doch schon eine ganze Weile gar nicht mehr in Dänem. Ja, aber [Heinrich] schreibt doch davon. Da sagte ich nur, hast Du denn vielleicht schon Geburtstag gehabt? Nun ist er ja gespannt. – Wie bin ich heute abend bloß entsetzlich müde, es ist aber [*] auch gleich 11 Uhr. Werner I. war noch lange hier heute abend. Er ist heute für 14 Tage von Freiburg gekommen. Morgen, Sonntag, geht ausnahmsweise Post ab. Da sollten meine Weihnachtsgrüße an Dich mitgehen, damit sie Dich noch bis zum 24. erreichen. Hast Du auch die Päckchen noch nicht geöffnet u. den Inhalt verzehrt so wie Dein Schwager Günter? Er hat Weihnachten nichts mehr. Deinen Brief Nr. 413 bekam ich heute. Und nun hab einen allerliebsten, süßen Weihnachtskuß von Deinem Frauchen u. nimm mich fest in Deine Arme.
Herzlichst Deine [Hannelore]
[* = Von hier an ist der Brieftext auf dem linken Seitenrand von oben nach unten geschrieben, zunächst auf der Rückseite, dann auf der Vorderseite des Blattes]
- Anmelden oder Registrieren, um Kommentare verfassen zu können
Hannelore Wilmers
Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als
Neuengamme
Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost