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[OBF-421127-002-01]
Briefkorpus

38.) 

Freitagabend, am 27. November 1942.

Herzallerliebster! Mein lieber, liebster [Roland]! Herzensschätzelein Du! Heute hat uns aber niemand beim Bade gestört, und ich sitze nun fein neuwaschen und mit einem ganz vollgegessenen Bauchel bei Dir! Du, es ist mir doch grade, als ob ich heute ganz schnell müde würde. Viel gegessen – es gab Pilzsuppe und Hackfleischschnitten – heiß gebadet, warm im Stübel! Das sind alles Umstände, die nicht zu meiner Munterkeit beitragen. Aber ich bin jetzt noch nicht müde! Und überhaupt, wenn ich beim Mannerli sitze, werde ich nicht so rasch müde, gelt? Du [w]eißt es ja schon! Du! Wo steckst Du denn eben? Herzelein!

Ich habe doch heute so lieb schon an Dich gedacht den ganzen Tag. War heute früh, als ich in Limbach einholen ging, wieder mit bei B.s und habe gefragt, ob sich P. gemeldet hat, wegen dem Möbelabtransport. Ich habe es dem Herrn nämlich nochmal schriftlich gegeben nach den Anruf, damit er mich nicht verschieben kann. Scheinbar hat's geholfen. Wenn alles gut geht, erscheinen sie Anfang der Woche! Ich freu mich! Daß man sich doch heutzutage immer erst selber kümmern muß, ehe ein Weg möglich wird. Ich lasse aber nicht locker. Ach Du! Herzelein! Nun werde ichs [sic] nicht erwarten können, bis Du heimkommst und auch siehst wo Dein Weibel "wohnt”! Du!! Ich hab Dich doch sooo lieb! Und ich freue mich ja so ganz sehr, wenn sich alles so schön fügt, was unseren eignen Hausstand angeht! Ich will Dir doch alles so ganz besonders lieb bereiten! Du!!! Weil ich Dich so liebhab! Ach Du!!! Wenn Du nur erst ganz daheim wärst bei mir! Den ganzen Tag hab ich daran denken müssen, als ich so putzte und schrubbte, wenn es erst für uns beide geschieht, das Werken und Schaffen! Ach, wie ich mich schon freue, Geliebter! Du bist ja in allen Plänen und Zukunftsbildern! Du!!! Mit Dir zusammen erst hat alles einen Sinn! Geliebter mein!

Ach und ein bissel ist’s doch grad schon so als wäre es unser Heim, das ich hier bestelle; denn viele Dinge stehen darinnen, die uns gehören, Geschenke, die wir uns machten, die wir uns aus Liebe gaben; erinnerst Du Dich noch, Geliebter? Vor drei Jahren zur Verlobung erstanden wie die schöne Uhr, das Tischlein, die Lampe. Ach, ich kann alles garnimmer aufzählen.

Und aus noch einem Grunde fühl ich mich doch wie in den eignen Wänden: weil hierher mein Herzensmannerli zuerst kommt, wenn es nach der Heimat reist! Zuerst in der Geliebten Haus, ehe in der Eltern Haus! Du!! Das ist ein ganz eigenes Glücksgefühl! Wenn ich es so froh spüre, wie gern Du zu mir kommst und bei mir einkehrst! Oh Geliebter! Und wie froh magst Du erst heimkehren, wenn Du ins eigne Heim kommen kannst, Geliebter! Ach Du! Segne Gott unser heißes Wollen! Schenke er Erfüllung!

Du! Herzensmannerli! Heute war bei uns ganz schlechtes Wetter. Dicker Nebel, Regen, Schneematsch. Da haben mich die schönen Stiefelein gedauert! Die müssen nämlich noch lange fein bleiben! Will sie ja noch wie neu tragen, wenn ich mit meinem Mannerli erst wieder durch die Gegend stiefele! Dann mußt Du auch Paar feine Maßstiefel kriegen, gelt? Auf dem Lande gibts [sic], [sic] Dreck! Und keine feinen Straßen, wo immer gleich der Schneepflug fährt. Wunderst Du Dich, wenn ich so daherrede? Ach Herzelein, ich sehe uns in meinen liebsten Träumen auf dem Lande. In einem kleinen Häusel, Blumen vor den Fenstern, und ein Garten dabei – und im Garten, da kullern und purzeln doch paar kleine [Diminutivformen der echten Namen von Roland und Hilde] [h]erum! Ach ja! Und ich schaue mit meinem Herzelein glücklich zum Fenster heraus und freue mich! Freue mich! Du!!! Ach Geliebter! Ich hab Dich unermeßlich lieb!

Du!!! Immer noch habe ich einige Boten nicht beantwortet und da kam nun heute wieder solch lieber, langer an! Ach, sei tausendlieb bedankt, mein Schatz! Angesprengt kam ein Reiter! Beladen mit Mann und Weib! Hurra! Du bist ein lieber Reitersmann, Du läßt mich nicht allein! [Wo]hin wollen wir denn galoppieren? Ins Land wo Frieden ist? O, da müssen wir noch lange reiten. 2 mal um die Erde, dann muß das Pferdchen halten, denn ein großer See versperrt den Weg. Mannerli heißt das Weibel absitzen und muß allein hindurchschwimmen auf dem Pferdchen (denn sonst käme es wohl nicht bis ans andre Ufer!! hau mich nicht!) Und drüben wirds [sic] ein Schifflein finden, womit es dann sein Weibel [sicher] herübergeleiten kann. So wird es sein in meinem Märchen, dann erst, nach so langer Zeit, 2 Jahre wird es dauern, sind wir zwei im Land des Friedens. Endlich! Du!!! Du!!!!! Waren doch heute 2 Brüderle im Briefkasten beisammen! Ein schwarzes und ein blondes. Welches war mir wohl das liebere? Du! Unser Kleiner schrieb mal wieder. 'Aus dem Land, wo die Zitronen blühn' , das heißt, noch in Europa befände er sich. Das Wetter ist warm und gut, die Frauen liefen da barfuß und trügen eine Pelzjacke! Gemalt seien sie reichlich und sähen ganz nett aus. Wir hätten schon recht vermutet, an dem Tag da es offiziell bekannt wurde von Frankreichs Lage, sei er südwärts gereist. Den Ort darf er uns nicht nennen. Ich soll die Hauptzentrale Kamenz ausfragen, die könnten mir manches sagen. Es geht ihm vorläufig noch gut. Nur sehr enttäuscht ist er, daß die große Urlaubsfreude sich nun bei der Vorfreude aufhält bis auf unbegrenzte Zeit. Aber er hat die rechte Einstellung eines Landsers, der schon seit Jahr und Tag nichts mehr kennt, als blind gehorchen. Abgestumpft ist er in gewisser Hinsicht. Ich glaube, es kommen alle dahin. Auch die, die vorerst sich wild aufbäumten.

Sein Freund Toni hätte mehr Glück, er sei in Genesungsurlaub. Er hatte die Gelbsucht, weil er zu gut und reichlich gegessen hat. Eine goldne Füllerfeder lag bei und die benutze ich schon! Die hat er also doch noch erwischt. Es wäre mir auch leid gewesen um den Halter. Er kann mir auch nicht zu einem Patengeschenk raten. Er kann da nichts ergattern. Und will sich vielleicht mit an unser Sparkassenbuch hängen. Aber nun kaufen wir ja erst mal die Stühle.

Du Herzelein! Ich bin ja gespannt, ob Elfriede nun das Kindel hat! Es rührte sich noch nichts. Ach muß das Warten quälend sein. Und für den guten Hellmuth am allermeisten! Ob er denn nun heimdarf? Wollen nur die Daumen feste drücken.

Ja, der Kleine. Er schreibt nicht zuversichtlich in bezug auf das Ende dieses Krieges. Aber es scheint ihm auch gleichgültig zu sein. Er schreibt: nun, mag es sein, wie es will, wenn wir ma[l] keine Frau kriegen und alt heimkommen, dann ziehen wir zu unseren 'Enkeln'. Bis dahin könnte noch lange Krieg sein. Er erwähnt Dich diesmal nicht im Briefe. Auch am Freitag, den 20. ist seiner geschrieben, wie Dein Bote und sind zugleich angekommen. Du! Herzelein! An jenem Freitag hab ich Dir doch können nur kurz schreiben, da hab ich ja den großen Kauf abgeschlossen in Kamenz! Für Dich und mich! Ach Du! Nun mußt Du es ja auch längst wissen! Ach, ich bin so gespannt auf Deine Antwort! Du! Ob Du Dich freust? Geliebter! Oh Du!! Ich wollte Dir damit eine ganz große Freude machen! Wenn sie mir doch nun gelungen wäre! Geliebter, Du!! Und was schreibt mir mein Mannerli heute! Ich denk doch ich muß einen Hopser tun vor Freude! Eine Husche?!! Eine richtige und wahrhaftige Huschegans? Du!

Wenn das gut geht, da mußt Du aber gleich mal ganz schnell kommen, daß ich Dich ganz lieb drücke! Du! Ach Du! Wenn die wirklich heil und gut ankommt, da wird doch heuer Weihnachten sein wie im Frieden, Liebster! Da mußt Du doch dabei sein! Ach Herzelein! Du!!!

Du bist so gut, daß Du daran denkst! Es ist doch jetzt ein ganz außergewöhnliches Geschenk, wenn man 'was recht Feines zu essen bekommt. Und wenn man bei Kräften bleiben will, dann hängt schon eine Seligkeit am Leiblichen! Da koche ich gleich tüchtig ein, bloß an einem Feiertag gibts [sic] Gänsebraten! Den andern, wenns [sic] Mannerli kommt.

Und vielleicht bringst dann noch eine mit extra! Du! Da gäbe es aber fette Urlaubstage. Und wenn Du sie sel[ber] mitbringst, dann kommt das Fleisch ja ganz frisch an! Da würden wir gleich die lieben [Nordhoff] Eltern zu Gaste laden, und Du brauchtest nicht wieder so lang umherzureisen. Aber wir wollten ja nach Wien kommen! Ach – Wien! Ich habe doch gar kein Geld mehr nun, Mannerli! Bloß noch [unklar]9 Mark im Moment und bei der Mutter ‘nen Haufen Schulden. 200 Mark Schulden! 100 ℛℳ hinzugezahlt zum Herrenzimmer, 100 Mark geliehen zur Reise nach Kamenz. Da sind 50 Mark weggefallen beim Weihnachtsmann in Chemnitz und das übrige brauchte ich für Fahrgeld und nötige Kleinausgaben jetzt noch zuhaus. Ach, das leidige Geld. Wohl dem, der keines hat, der lebt ohne Sorgen.

Zankst Du mich aus, Du? Wenn ich Dir alles vertu?

Ach, ich fürcht mich Mannerli, daß Du zankst.

Ich will doch immer Dein ganz gutes Frauchen sein – kein verschwenderisches. Ich hab gar keine Ruhe mehr, ehe ich nicht Deinen Brief habe, der mir beweist, daß Du Dich mit mir freust! Du!

Ach, ich freue mich wirklich soo sehr!

Schätzeli! Übermorgen ist unser Festtag. Ich will am Sonntag nach Limbach in die Kirche gehen. Du wirst auch zum Gottesdienst gehn. Da finden wir uns ja ganz lieb, Du! Und am Nachmittag sitze ich dann bei Dir und plausch’ mit Dir. Das ist doch das Schönste am Tage.

Wie unsre lieben Ringlein noch blinken! Wie wir uns freuen auch an den Zeugen unsres Einsseins. Ein bedeutsamer Augenblick war es doch, als wir sie uns über den Finger streif[ten]! Ich kann doch den Tag nicht vergessen, Herzelein! Wie alle bedeutsamen Tage zusammen mit Dir nicht. Alle unsre Lieben waren um uns und freuten sich an unserm Glücke! Du!!

Ach, es ist doch nichts Schöneres, als in Einigkeit und gutem Verstehen zusammenzuhalten im Kreise der Familien. Und wenn erst Frieden ist, dann wollen wir dieses Zusammensein noch viel mehr pflegen. Ich würde mich auch sehr freuen Liebster, könnten wir mit Hellmuths oft zusammen sein.

Den Kleinen können wie so noch garnicht einbeziehen; denn der geht ja noch einspännig durchs Leben. Und die lieben Eltern beide werden sich freuen, wenn wir so recht in Eintracht zusammenleben.

Ach, wie schön wird es sein, Du! Gebe Gott, daß bald, [r]echt bald Frieden ist! Und Du mir heimkehrst! Du!!!

Ach mein Herzlieb! Deine ganzen lieben Boten, die strahlen mir Dein Glück, Deine Freude! Du hast mich lieb!!! Du hast mich sooooo lieb! Weißt Du denn, wie Du mich sooo glücklich machst mit solchem Bekenntnis? Du!!!!! Was soll ich Dir auf all Dein Glücksjubeln antworten? Oh Geliebter! Wenn einer Deiner Boten ankommt, der so ganz dicht angefüllt ist mit Herzensjubel und -freude, ach dann muß ich doch die Hände auf mein Herz pressen, daß es nicht zerspringt vor Glück! Vor hellem Glück! Du! Worte reichen nicht hin, Dir meine große Freude zu sagen, wie glücklich ich mit Dir bin. Schätzelein! Herzelein! Du!!!!! Oh, ich liebe Dich! Ich liebe Dich so herzinnig, Du!!!!! Wie sehne ich mich, Dir all meine Liebe zu erzeigen, oh -

Geliebter! Mein Einziggeliebter!

Oh eile Zeit, oh rennet Stunden bis zur Wiederkehr, bis zum Wiedersehen!

Du!!!!! Ich liebe Dich! Herzelein! Ich kann Dich doch nie, nimmermehr lassen! Herzelein! Unsere Liebe ist Gottes Geschenk! Als solches achten wir sie und halten sie hoch und heilig.

[Dein] Leben war so liebearm vordem, mein [Roland]. Und Gott hat es gefügt, daß wir einander fanden. Du mit einem Herzen, das weit offen stand, sich verzehrte nach Liebe, das guter Liebe sich willig öffnen wollte. Und ich mit einem heißen Herzen voller Liebe, die zu verschenken ich gewillt war nur dir den Einen! Den Einzigen! An Dich!! Geliebter! Mein Alles! Dich will ich lieben! Dich mußte ich lieben von Anbeginn! Dir will ich bleiben! Dir will ich leben! Um Deinetwillen liebe ich dieses Leben. Dich darf ich nicht, Dich will ich nicht allein lassen und zurückfallen in Nacht und Einsamkeit. Du hältst mich bei diesem Leben – ich halte Dich bei diesem Leben! Du!!! In heißer, treuer Liebe vereint! Du!!! Eines mit dem anderen verschmolzen, innig vereint, ach – unlösbar verbunden! Ach Du! Ich mag alles geben, alles will ich verlieren, nur Dich nicht! Nicht Deine Liebe! Du!!! Du! Gering ist alles vor der Liebe, gering alles in der Welt. Nichts reicht an ihre Kraft, an ihre Wahrheit, ihre Tiefe.

Schicksal ist solche Liebe. Gottes Geschick. Unsre Liebe ist ein lebendiges Wirken, wie es zwischen den Sternen ist, daß sie ihre Bahnen ziehen. Eine Wunderkraft, die in des Lebens Tiefen und Quellen wirkt. Oh Geliebter! Ich bin so ganz bei Dir immer! Ich muß an Deinem Herzen mich bergen und fühle mich glücklich an meinem Herzen! Du!!!!! !!!!! !!!

Ich liebe Dich! Mein Liebstes! Mein Alles!

Gott sei mit Dir!

Ewig bleibe ich

Deine glükliche [sic] [Hilde].

Es ist gleich 11 Uhr abends, jetzt muß ich noch ein Brieflein schreiben für das letzte Weihnachtspaket. Morgen soll’s abgehen an Dich. Du!! Du!!!

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Kommentare

Hilde fragt bei P. an, wann die Möbel [Herrenzimmer] von K. zu ihr transportiert werden können. Sie stellt sich vor, wie er die Einrichtung das 1. Mal sehen wird. - Für Regen- u. Schmuddelwetter sind ihr die Stiefelchen zu schade, die er ihr hat machen lassen in S. – Siegfried, benannt der Kleine [jüngster Bruder von R.] hat geschrieben. Er ist jetzt in Südeuropa ‚’im Land wo die Zitronen blühn’. Er will sich an dem Patengeschenk beteiligen, dem Sparbuch. – Roland will ihr eine Gans schicken zu Weihnachten. Nach dem Möbelkauf hat sie kein Geld mehr nur Schulden bei Mutsch. Deshalb beteuert sie ihm aber ihre Liebe, was für Beide das Wichtigste ist.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946