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[OBF-410417-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 17. April 1941.

Mein geliebtes, gutes Mannerli! Herzlieb! Du mein lieber, lieber [Roland]!

Es ist gleich ½ 4 Uhr am Nachmittag. Die liebe Sonne scheint, seit heute früh schon. Und das ist Wetter für die Waschfrau! So bin ich heute aufs´ Neue losgezogen mit meinem Huckepack nasser Wäsche. Das Glück war mir hold! Es ist fast alles schon trocken. Du kannst Dir wohl denken, wie froh ich nun bin. Meine Hände hab ich mir so erfroren, daß ich kaum noch Gefühl drin habe. Immer in dem eiskalten Wasser herumgeplanscht beim Spülen. Ich hatte ja kein warmes mehr, weil ich den Kessel nicht mehr feuerte. Und beim Aufhängen heute früh biß mir die Kälte nur so unter die Fingernägel – es hatte nämlich gereift und war kalt! Ja Herzlieb! So sieht bei uns der Frühling aus.

Und nun da ich für meinen Hubo Zeit habe, bin ich eben erst aus der Badewanne gestiegen. Du!! Ich war ganz allein zu Haus! Ich habe doch soo an Dich denken müssen, mein Herzlieb! Weil morgen, am Badetag, die liebe Mutter zu uns kommt, wollen wir fertig sein. Wir möchten ja so gerne an den paar Tagen, die sie bei uns weilt, bissel Feiertag halten.

Reine gemacht ist ja nun alles schön. Nur die Wäsche will noch gelegt sein, damit wieder Platz wird bei uns. Wenn wir 3 Frauen [uns] alle mal 2-3 Stunden daran setzen, ist auch das geschafft. Wir haben ja schon allerhand Pläne, die wir zusammen mit Deiner Mutter ausführen wollen. Wenn alles gut geht, kommt an meinem Geburtstag Vater aus Döbeln! Und wenn am Sonntag das Wetter schön ist, wollen wir alle einmal ausfliegen. Nächsten Sonnabend fahren wir Frauen nach Chemnitz, Mutsch will sich einen neuen Hut kaufen und uns beide als Berater mitnehmen. Ich lasse mir dabei gleich an meinen Hut eine neue Blumenranke anbringen, die alte ist so sehr verschossen. Und außerdem hat uns die Tante Herta eingeladen, als sie Ostern bei uns war und hörte, daß Mutter kommt. Wir nehmen selbstverständlich diese Einladung an.

Den Breitenbornern habe ich in meinem Osterbrief auch unsern Besuch angekündigt (Mutters und meinen), die freuen sich gewiß! Und es klappt doch gerade so schön, weil Mutter so in ihrer Nähe ist. Da können sie gleich mal all die Hochzeitsbilder bewundern! Und ich mache bei dieser Gelegenheit gleich meine Erdbeeren für dies Jahr fest! Die hole ich mir dann ab mit Vatern. Du!!

Ich muß doch immer denken, daß bald Frieden ist und mein [Roland] kommt heim! Da will ich ihm doch auch [et]was Feines vorsetzen und ich will ihn mir ja 'dick' füttern!

Du! hast wohl heute mittag kurz vor 1 Uhr die Sondermeldung gehört? Ein 10 Stunden anhaltender Luftangriff auf London – fürchterliche Verheerungen! Das ist die Vergeltung für den feindlichen Angriff am 10. April auf Berlin, wo sie so schändlich sich an kulturellem Besitz vergingen. Schlag auf Schlag wird ihnen jede Dreistigkeit schärfstens heimgezahlt. Damals war alle Welt empört, als sie die Gebäude unter den Linden zerstörten.

Bei uns hier war lange kein Alarm mehr.

Hoffentlich habt Ihr da bei den Bulgaren nichts Arges dieser Art auszuhalten. Jugoslawien ist ziemlich fertig, am Ende, wie ich aus dem heutigen Wehrmachtsbericht hörte. Sarajevo genommen – das ist ja nun die letzte größere Stadt und eine Armee hat sich ergeben. Ich glaube, den Jugoslawe[n] braucht Ihr bei Euch nun nimmer zu fürchten. Ich habe immer das Gefühl, als wollte die deutsche Wehrmacht da unten reinen Tisch machen bis zu unsres Führers Geburtstag. Du!! Das würde ja die kühnsten Hoffnungen übertreffen!! Ich könnte mich ja vor Freude nicht halten! Du!! Wir wollen nur nicht orakeln. Ganz still abwarten.

Eine höhere Macht wird hier bestimmen, ihr wollen wir uns demütig beugen.

Mein Herzlieb, Du! Heute kam kein Bote zu mir. Er kommt jetzt einen Tag um den anderen. Wie schade! Da werde ich wohl an meinem Geburtstag leer ausgehen. Du!! Dein Brief, das ist mein allerschönstes Geburtstagsgeschenk, weiter will ich an diesem Tage garnichts haben – nur die Zeichen von meinem Geliebten!!

Mein Lieb! Heute Nacht habe ich so lieb von Dir geträumt – wo ich mit Dir war, das kann ich nicht mehr sagen, es war nur viel, viel Wald und Wiesen auch. Du warst bei mir und Du hast mich so sehr lieb gehabt, Du! So ganz sehr!! Herzlieb! Wir waren sooo glücklich miteinander! So, genau so, als wenn Du bei mir bist in Wirklichkeit! Du, Geliebter! Bald wird auch diese köstliche Zeit wieder für uns anbrechen! Wir wollen nur dem Herrgott vertrauen, er führt uns ganz gewiß einander wieder zu! Ich glaube daran, so fest wie Du, mein Herzlieb!!

Glaubst, ich bin so froh, daß wir der froheren Jahreszeit zugehen – man erträgt alles viel leichter, Trennung und Sehnsucht und Heimweh nach dem Liebsten auf Erden; weil das tröstliche, helle Licht der lieben Sonne uns lacht. Solange die liebe Sonne noch scheint, ist auch unsre Zuversicht und unsre ganze Kraft groß und stark. Das seelische Gleichgewicht des Menschen richtet sich richtig am Walten in der Natur draußen aus. Und wenn es nun wirklich Frühling und Sommer wird, dann darf ich all mein Hoffen und Sehnen, all mein heimliches, süßes Denken hinaustragen in Gottes schöne Welt – das Herz wird mir so nicht brechen wollen, wie es im grauen, toten Winter oft ist, wo nichts um uns her neue Lebensfreude weckt, und das Herz alles mit sich allein ausmachen muß. Ach, mein Herzlieb!

Wir werden diese böse Trennung schon vollends ertragen – gebe Gott, daß es die letzte ist! Wir sind einander Trost und Halt und eines ist des anderen liebster, treuester Weggesell! Wie schön ist es zu wissen, daß ein Herz voll Liebe und Treue schlägt in weiter Ferne! Ein goldenes Herz! Daß wir beide mit keinem anderen der Welt eintauschen möchten! Du!! Einen ganz köstlichen Schatz besitzen wir an unsrer Liebe!

Und wir wachen darüber, wie um unser eigen Leben, daß nichts und niemand sich daran vergehe.

Geliebter!! Wer könnte unser Liebesglück verraten?

Es ist ja ganz undenkbar! Ganz unmöglich!

Wir können beide nicht mehr weiterleben, ohne einander. Du!!! Und alles, alles – alle Schmerzen und Qualen vermöchte ich um uns[e]rer Liebe willen erdulden – nie könnte ich Verrat an ihr begehen! Ich habe Dir schon immer gesagt, schon solange Du mich kennst: ich liebe einen Menschen auf Gottes Erde, und ihm bleibe ich treu bis an mein Ende. Ich könnte niemals nach Dir jemandem angehören. Du!!!

Mein [Roland], Du!! Ich muß Dir wieder einmal sagen, wie sooo lieb ich Dich habe! Du!! Wie sooo unendlich lieb!!!

Das Glück und die Freude Deiner lieben Boten von gestern sind noch in mir, Du!! Sie überstrahlen meinen Tag! Das ist soo schön! Geliebter!!

Ich bin Dein! Ganz Dein!

Ich habe gestern Deine Filme fortgeschafft, vielleicht kann ich bis zum Sonnabend die ersten Abzüge haben. Die Nachbestellungen (für Deine 2 [K]ameraden?) werden jeweils etwas später, weil sie zu überlastet sind mit der Arbeit. Sie haben kein Personal dafür. Das ist nicht so schlimm, die Kameraden sehen ja die Bilder bei Dir, ihre eignen kommen halt nach später.

Nun will ich Dir für heute die lieben Hände drücken, mein Lieb!

Ich will noch nach meiner Wäsche sehen – und beim Wege besorgen Deinen Brief mitnehmen. Von den Eltern sage ich Dir tausend liebe Grüße!

Mein herzlieber [Roland]! Gott behüte Dich! Er führe Dich recht bald gesund heim zu mir! Ich harre Dein so treu, so ganz geduldig! Mein ganzes Herz, ich bewahre es Dir allein, mein Glück! Du mein Leben! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich wie nichts auf Erden!

Ich bin und bleibe immerdar Deine [Hilde]. Deine Holde!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946