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Briefkorpus

Freitag, am 9. Mai 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Du mein herzliebster [Roland]!

Du!! Heute ist kein Badetag, weil Vater Nachtdienst hat, nur Schreibetag! Muß nach Breitenborn zur Silberhochzeit gratulieren, muß Vater [Nordhoff] meine Absage zu seiner Einladung begründen, muß Mutter [Nordhoff] nach Kamenz schreiben und Deinen lieben Brief mit hineinstecken. Will meinem Herzlieb schreiben! Ja! Will!! Nicht muß! [U]nd da wird mein Nachmittag herum sein, sehe ich es versehe. Herzlieb Du! Heute kam kein Bote von Dir. Ich rechne auch noch nicht damit. Erst am Sonntag kann frühestens einer bei mir sein, wenn alles planmäßig vonstatten ging mit Deiner Reise. Du Liebster! Unser Herrgott wird Dich behütet haben, auch in diesen Tagen – ich glaube daran!

Bist nun in Feindesland, ich bin neugierig auf so vieles. Auf Deine Umgebung, auf Deine Unterkunft, auf Deine nunmehro Arbeit! Auf die Antwort, ob Du noch mit Deinen beiden Kameraden zusammen bist! Ach, es fällt mir im Moment garnicht alles ein, was ich manchmal beantwortet haben möchte, wenn ich so an Dich denke! Du wirst‘s verstehen, Herzlieb! Und Du erzählst mir schon lieb und ausführlich, was ich wissen möchte — was Du mir erzählen darfst! Hoffentlich bist Du auch ganz gesund und munter, Geliebter! Kannst Du das Klima auch ohne jegliche Beschwerden vertragen?

Du! Gestern abend, als ich von der Singstunde heimging und die vielen Sterne bewunderte und den zunehmenden Mond, da dachte ich an mein Herzlieb und dachte daran, daß Du auch denselben Himmel über Dir hast und da wurde die Sehnsucht nach Dir sooo stark und groß! Du!!! Weiter dachte ich, daß Du Heimweh haben könntest, Herzlieb! Oh Du!! Du!!! Sei tapfer und stark, Geliebter! Ich habe den festen Glauben, daß bald alles böse Getrenntsein ein Ende nehmen wird, daß alles gut wird! Nur noch ein wenig Geduld, mein [Roland]!! Ich harre mit Dir aus getreulich!!! Du! Ich habe auch Heimweh, aber nach Dir – Geliebter!!!

Ach,  welches Heimweh ist wohl schmerzlicher? Welches tut weher? Deines oder meines? Geliebter!! Geliebter!! Wir halten einander ganz, ganz fest in aller Liebe und aller Treue! Du!!!!!

Wir müssen noch vollends hindurch, durch dieses finst[e]re Tor, Du!! Und wir wollen uns um keinen Preis werfen lassen! Herzlieb! Was wir begonnen, vollenden wir! Im festen Glauben an Gott und seine Güte und Gnade.

Wir wollen einander helfend und liebend zur Seite steh[e]n, wenn es uns einmal schwer werden will, Herzlieb!! Du!!! Ich liebe Dich so innig! Ich liebe Dich sooo tief und wahr! Geliebter! Ich gehöre Dir mit allen Fasern meines Herzens! Ich bin Dein!! Dein für dieses Leben!!

Und Du bist mein! Oh ganz mein!! Geliebter!! Welch Glück! Welch unsagbares, großes Glück!

Herzlieb! Ich habe wieder so viel Böses und Schlimmes gehört und erlebt, was um mich her geschieht! Umso lieber und sehnsüchtiger flüchtete ich mich jetzt in Deine Arme, an Dein treues Herze Du!! Mein Bestes! Einziges!! Das kann zwischen Dir und mir nimmermehr geschehen!! Oh Geliebter, nie und nimmer!!

Wir sehen nur unser Ziel! Unser leuchtendes Glück! Sonst nichts auf Erden, woran wir unser Herz verlieren könnten.

Ich erkenne es immer wieder zutiefst beglückt, mein Sonnenschein, was uns unsere Liebe bedeutet! Was sie uns ist, wert ist! Oh Du!! Du!! Nichts gibt es auf der ganzen Welt, daß [sic] ich mit meiner Liebe zu Dir eintauschen möchte! Geliebter! Ich muß mich so oft fragen: gibt es überhaupt in dieser Welt noch ein Paar, das so treu, so hingebend, so ausschließlich einander liebt und verehrt, wie wir es tun? Ich muß die Frage beinahe verneinen – wohin ich blicke, sehe ich nur Masken, verhängte Gesichter – Treulosigkeit und Unzucht wuchern um mich her.

Und bin ich entsetzt, was ich gestern erfuhr über ein Ehepaar, das ich gerade besonders schätze. Wo ist noch Wahrheit und Ehrlichkeit? Woer zeigt sich [u]ns noch ein Vorbild?

Ich zweifle manchmal an dieser ganzen Welt um mich her, und ich bereue, daß ich aus meiner Zurückgezogenheit mich wagte, um Strebenswertem nachzugehen, wo ich doch nur Lüge und gemachtes Wesen finde in Wahrheit.

Geliebter! Was taugt mir diese Welt? Lieber, oh vieltausendmal lieber bin ich Ttagaus tagein nur mit Dir zusammen, mit allem Denken, mit allem, was mich bewegt! Herzlieb! Bei Dir kehre ich nie enttäuscht zurück!! Nie! nie!!!!! Du!! Du und ich, wir finden uns wohl viel zu schwerfällig in unsre moderne Zeit, Geliebter! Was sind wir nur für Menschen? Wie wollen doch nichts als klar sehen, als die Wahrheit, als ein ehrliches, unverbogenes Gesicht von einem jeden, der uns nahetritt. Ist denn das so viel? Daß man es uns überall verwehrt? Ach Herzlieb! Die meisten sind eben schon vergiftet, sie können Gut und Schlecht – Recht und Unrecht schon nicht mehr auseinanderhalten.

„Wohl dem, der sich vor der Welt ohne Haß verschließt“ diese Worte klingen jetzt in mir auf. Ich weiß es, Herzlieb, Du schriebst sie einst in einem Deiner ersten Briefe.

Sag, macht es uns die Welt nicht sehr schwer, nach diesem Wort von Goethe zu leben?

Ach, mein Lieb! Dieser Brief soll doch kein Klagelied werden! Ich kenne die da draußen, die nicht in uns[e]re Gemeinschaft gehören, nicht aufgenommen werden können, weil sie sich darin garnicht wohl fühlen würden und ich richte mich darnach.

Mein Herz und meine Seele gehört so oder so ja nur ganz Dir! Und ich will mich nur inniger und fester an Dich hängen und an Dich anschließen, daß mir aus diesem glückhaften Sichgehören immer mehr Kraft wächst, das Leben zu ertragen, wie es nun einmal ist, meine Rolle zu spielen — bis, ja bis der Einzige kommt, der mich erlösen kann!! Du!!! Du!!!!! Wie unsagbar ich mich freue mein [Roland], auf die Zeit, da wir gemeinsam weiterschreiten dürfen! Du!! Das glaubst Du ja nicht! Oh Geliebter!!

Ich sehe Sonne! Sonne! Oh Du! Nichts als helle, strahlende Sonne des Glücks! Daß Du dann ganz ganz mein bist! Für ganz und immer!! Du!! Oh Du!! Jeder Tag wird mir ein kostbares Geschenk bedeuten, den ich an Deiner Seite erleben darf. Ach, möge unser Herrgott Erbarmen haben mit unserm Herz voll heißer Sehnsucht und Verlangen!

Möge er mir Dich erhalten! Du!! Und bald, bald f[ü]r immer heimkehren lassen!

Mein [Roland]! Ich bin sooooo voll Sehnsucht nach Dir!!! Ich liebe Dich! Oh! Du!! Herzinniglich!

Geliebter! Auch nach dem Schlüsslein sehne ich mich – oh ja Du!! Auch nach dem Schlüsslein!!

Herzlieb! Gott schütze Dich!

Ich bin Dein – Du bist mein!!

Unnennbarer Jubel und sooo viel Glück und Freude!

Mein Herzlieb! Mein lieber, guter Bub!

Deine [Hilde]! Dein!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946