Bitte warten...

[OBF-390215-001-01]
Briefkorpus

Lichtenhain am 15. Februar 1939

Meine liebe [Hilde]!

Noch 72 Stunden, dann weiß ich Sie wieder bei mir! Heute Mittwoch, der Tag, an dem ich die ersten Vorbereitungen treffe. Das Zimmer ist bestellt, die Wärmflasche wird geflimmert. Heute war ich in Sebnitz. Morgen will ich Hosen bügeln. Ach liebe [Hilde], wenn Sie Montag vormittag Urlaub bekämen, dann hätten wir den ganzen Sonntag vor uns, dann würde sich die lange Reise erst lohnen! Ich müßte Sie freilich Montag früh allein reisen lassen. Wenn Sie diesen Urlaub nicht bekommen, dann sollen Sie aber wenigstens schon 1333 [Uhr] in Oberfrohna abfahren und in Chemnitz den Personenzug nehmen. Ich traue dem D-Zug nicht und muß dann so lange warten. Bitte, bitte, machen Sie es möglich, kürzen Sie d[as] Waschen mal um eine Viertelstunde. Auf das Wasser bin ich ohnehin schon eifersüchtig, Sie sind ihm mehr gut als mir. Ihre letzten drei Briefe erreichten mich pünktlich am Mittwoch. Ich danke Ihnen. Dem heutigen Briefe merke ich den Umzug und den Umsturz an. Ein Grund mehr, daß Sie sich für Sonntag richtig frei machen. Wohin ist nun die gefährliche Person? So schnell hat sie sich einschüchtern lassen[?] Hab ich gar so böse dreingeschaut? In Ihrer Angst hat sie sogar den Spaß mit den 20 M für die Frau ernst genommen. Na, soll sie sich mal ruhig ein bißchen fürchten.

Liebe [Hilde]! Ich habe mich recht sehr gefreut darüber, wie Sie ‚das Philosophische’ aufnahmen und beantworteten. Sie, die es selber drängt zu beschenken und zu beglücken, Sie wissen auch Geschenke anzunehmen. Beschenken möchte ich sie manchmal, liebe [HIlde]! Ein manches Mädchen von Ihrer Stelle hätte sich genötigt gefühlt, als Antwort ein paar geistreiche Sätze zusammenzukramen [sic], um sich ‚ebenbürtig’ zu erweisen. Philosophieren ist Männersache. Wenn die Frau ihren Lebens- und Wirkungskreis denkend durchdringt, dann ist sie Philosophisch genau auf ihre Weise. Und darin liegt wohl das Beglückende ehelicher Gemeinschaft vor allem: mit der Lebensgefährtin zu schaffen; im gegenseitigen Helfen und Raten; im gemeinsamen Schauen und Freuen.

Ich weiß nichts mehr Gescheites.

Es war mir am letzten Male leid um Ihre teuren Strümpfe. Folgen Sie Ihrer Mutter und wählen Sie für unser schmutziges Dorf und für unsre Wanderungen durch dick und dünn die geringeren. — Gefallen Ihnen diese Wanderungen?

Bitte grüßen Sie Ihre Eltern und danken Sie für den Urlau[b] auch in meinem Namen.

Bleiben Sie gesund. Reisen Sie glücklich. Sie sind uns allen herzlich willkommen. Ich erwarte Sie voll Ungeduld.

Noch ein paar Verse zum Schluß.

[Linke Spalte]

 

Entführen will ich mein Mädchen,

 

durch den tiefsten Grund

 

im fernesten Land

 

auf den höchsten Gipfel

 

am weitesten Strand.

 

 

[Rechte Spalte]

 

Und dort, mit ihm allein,

 

die Tiere nur zu Zeugen,

 

den frommen Wald zu Füßen

 

wollen wir tauschen Du gegen Du,

 

dort will ich Dich küssen.

 


Es grüßt Sie recht herzlich,

Ihr [Roland].

 

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946