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[OBF-390904-002-01]
Briefkorpus

(3. September 1939.)

Oberfrohna, am 4. September 1939.

Mein lieber, lieber [Roland]!

Nimm meinen herzlichsten Dank für Deinen lieben Sonntagsgruß, der mich so unerwartet überraschte und erfreute. Zugleich schrieben mir auch Deine lieben Eltern. Als erstes komme ich gleich zu Deinem Vorschlage, den ich voll und ganz billige. Ich denke, daß ich Montags und Donnerstags schreibe und Du Dienstags und Freitags — oder an einem Tage der Dir lieber ist.

Gestern habe ich am Vormittag mit Mutter eingekocht und einiges gewaschen; nachmittags saßen wir unten im Hofe, um den Sonnenschein noch auszunutzen, ich habe gestickt, wir waren wieder mal allein im Hause. Gegen 4 kam Besuch. Mutters Schwester mit Mann und Kindern, aus Glauchau. Onkel Albert wollte uns nochmal sehen, nächste Woche muß er zum Militär. Ach, man kann doch jetzt garnicht mehr so recht froh sein, dieser Zustand bedrückt alle. Liebster! Du willst Dich freiwillig zum Wachkommando melden. Ja, ich kann Dich recht gut verstehen, daß Du so untätig das Leben nicht erträgst. Und wo kann man sich besser nützlich machen, mehr geben, als wenn man sich in den Dienst des Vaterlandes stellt — gleichwo an welchem Ort.

Auch ich komme mir so unnütz vor an meinem Arbeitsplatz. Bei uns hier hat man schon einige Männer Deines Jahrganges eingezogen. Du! — Wenn sie Dich auch — ach, das ist der Hauptgrund, weshalb ich unbedingt heute noch an Dich schreiben muß. Ich bin seitdem so in Sorge und Unruhe — die Befehle kommen ja alle ganz plötzlich. Wenn ich Dich nicht noch einmal sehen könnte, bevor Du fort müßtest!

Du! Ich ertrüge das nicht!

Den ganzen Tag habe ich heute wieder darüber nachgegrübelt. Und ich bin zu dem festen Entschluß gekommen: Ich komme zu Dir. Am Sonnabend, bis Sonntag.

Ich muß Dich sehen, muß bei Dir sein.

Frage nicht wie, frage nicht, ob ich darf. Ich will.

Und ich werde alles daransetzen.

Daß Du mich bei Dir gerne aufnimmst, Liebster, daran zweifle ich nicht. Schreibe mir nur bitte umgehend, ob Du Dich nicht schon verpflichtet hast u. somit vielleicht gebunden bist am Wochenende. Der 17. war als Wiedersehenstag in Aussicht genomm[en,] kann man jetzt noch so weit vorausrechnen, wer weiß, was dann ist? Wenn ich nun am Sonnabend fahre und über acht Tage dafür nicht darf? Das ist mir jetzt einerlei, ich will's dann Deinen Eltern erklären. Jetzt will ich nichts, als zu Dir! Ich habe mir nach Arbeitsschluß auf der Bahn Auskunft geholt: ab Chemnitz 1550 [Uhr] D, an Dresden 1718 [Uhr], ab Dresden 1736 [Uhr], kannst Dir ausrechnen, wann Du mich in S. abholen müßtest? Ich fahre Sonntagskarte auch mit dem Bus nach Chemnitz, dann komme ich zu jeder Zeit wieder heim. Wenn uns auch wenig Zeit bleibt — ich war wenigstens bei Dir. Ich will mich noch nicht freuen! Dieser Brief muß um 8 mit fort. Glück zu! Liebster! Behüte Dich Gott!

Ich küsse Dich! Ich liebe Dich!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946