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[OBF-400618-002-01]
Briefkorpus

Oberfrohna, am 18. Juni 1940.

Herzallerliebster! Mein lieber, lieber [Roland], Du!

Bald nach Deiner Abfahrt setzte sich auch mein Zug in Bewegung und nun mußten wir beide wieder zusehen, wie so oft schon, wie wir uns einander immer weiter entfernen. Diesmal hat mich der Abschied nicht so sehr geschmerzt. Das, was wir in letzter Stunde miteinander erleben durften, Du! Es war so herrlich, es stimmte mich so froh und glücklich und es bannte alle die dunklen Gedanken, die erst mich im Innern doch immer noch beschwerten. Ein wirklicher endgültiger Sieg ist diese Nachricht nicht, aber unsere feste Hoffnung darauf dürfen wir getrost behalten, wie sollte es anders sein? Der schwerste Kampf ist bestanden, der größte Teil an Wichtigkeit in deutscher Hand; obwohl die Kämpfe zur Zeit noch im Gange sind und manche Schwierigkeit zu überwinden, manches Opfer unsererseits zu bringen ist, der endgültige Sieg über Frankreich ist nicht mehr ferne. Ich bin so gespannt, welche Beschlüsse die Führenden Männer fassen werden. Nachher will ich zur Großmutter, um Nachrichten zu hören. Ich bin gestern pünktlich zu Hause gelandet. ‚Niemanden’ traf ich an. Papa konnte ich im Dienst nicht erwischen, er machte gerade seine Runde. Ich packte meinen Koffer aus und machte mich auf, Mutsch zu suchen. Zur Großmutter ging's. Sie kamen eben alle aus dem Schreber[g]arten, Mutsch war nicht da. Es ging auf 2200, ich wartete die Nachrichten ab. Ich dachte dabei an Dich, Du! Ob Du wohl auch horchst. Denke mir! Zu der Nacht vom Sonntag zum Montag war in Oberfrohna zum 2. Male Fliegeralarm! Das erste Mal vergangenen Freitag. ½ 3 Nachts am Sonntag hätten sämtliche Sirenen zu heulen begonnen Regenwetter sei gewesen tagsüber und so sinnlich diesige Luft.

Mehrere feindliche Flieger, die in Richtung Leipzig — Altenburg kamen wurden gesichtet. Unsere Flak hätte tüchtig geschossen auf der Leipziger Straße. Der Gerhard, mein Vetter, hat die Schüsse gehört und von der Höhe sind die Feuerschein beobachtet worden. Ob man Flugzeuge erbeutet hat, ist mir unbekannt. Oberfrohna sei wieder mal völlig kopflos gewesen, ganze Fensterreihen waren hell erleuchtet in der Aufregung, dann hat das E-Werk den Strom weggenommen. Die Luftschutzräume haben sie fast alle aufgesucht, die Feuerwehr ist sofort ausgerückt, um das Lazarett (Schule) zu bewachen. Mutsch hat auch wieder mal Angst ausgestanden, sie mußte allein daheim bleiben, während Vater ja in seinem Betrieb zur Stelle sein mußte. Die Sirenen hätten schaurig geheult! Ich habe natürlich gestaunt über diese Neuigkeit, ob ich auch mal einen Alarm miterlebe? Es ist nichts geschehen. Um 11 gestern abend kam Mutsch heim, sie hatte, nachdem sie bei K.s niemanden angetroffen, Quellmalz S.s besucht und war hängen geblieben. Sie staunte nicht wenig, als sie beim Heimkommen meine Utensilien vorfand. Das Mädel selbst war aber ohne Licht zu machen schon in ihr Nestchen gekrochen u. war eben am Einschlafen, als Mutsc[h] kam, nachzusehen. Ich bin nochmal aufgestanden und mußte erst mit essen und mußte erzählen! Nicht alles, Du! Ach was sich nicht alles ansammelt an Fragen und Berichten, wenn man mal eine Woche nicht daheim war. Wir sind erst kurz nach 1 Uhr zu 2. mal ins Bett. Mutter war recht froh, daß ich nun wieder da bin, was denkste!, wie sie mich gedrückt hat! Um 6 heute früh kam nun Papa F. schon wieder mit seiner Begrüßungszeremonie an mein Bett. Kannst Dir vielleicht vorstellen, wie er mir willkommen war zu solcher Stunde! Ich hab erst eine ganze Weile [']rumgebrummelt ehe ich mich ausgefitzt hatte, ich dachte, ich sei eben erst eingeschlafen! Aber dann war's vorbei mit der Müdigkeit. Ich dachte an meinen Hubo, der muß doch auch raus! Ob er sich heute gewaschen hat? A[uf] den Wochenmarkt bin ich zeitig stolziert, habe verschiedene Geschäftsgänge erledigt.

Spinat mit Spiegelei hab ich heute gekocht. Und nun schicke ich Dir das Schriftstück, das ich anstelle der Heiratsurkunde der Eltern bekommen habe, in bezug auf Ehestandsdarlehen, man muß das haben. Deine Behörde, die wo der Antrag gestellt wird, hätte das schon noch verlangt. Also ein arischer Nachweis. Auf dem Lebensmittelamt habe ich Erkundigung eingezogen. Nun will ich Strümpfe stopfen und wenn Mutsch kommt, wollen wir zur Schneiderin und Schuhe kaufen, sie hat ihren Bezugschein bekommen.

Herzallerliebster! Mein lieber, guter [Roland]! So gerne und so frohen Herzens denke ich an die schönen Tage zurück, die ich mit Dir verleben durfte. Wie lieb du mich umsorgt hast, wie Du mich einhülltest in Deine ganze, große Liebe. Ach, Du! So glücklich habe ich es jeden Tag empfunden, ich kann es Dir nicht genug danken. Daß ich Dich habe, das ist mein allerhöchstes Glück, mein großter Schatz auf Erden. Ich liebe Dich unendlich, Du! Ich liebe Dich von ganzem Herzen!

Mein [Roland], behüte Dich Gott! Erhalte er Dich mir, Deiner dankbaren [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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