Oberfrohna, am 27. Juni 1940.
Herzallerliebster, Du! Mein lieber, lieber [Roland]!
Eigentlich soll ich Wäsche ausbessern, ein großen Berg liegt neben mir, und Strümpfe stopfen und Wäsche einsprengen, damit Mutsch gleich plätten kann, wenn sie heimkommt. Aber da denke ich eben daran, daß ich mich ja noch nicht einmal bedankt habe für Deinen lieben Sonntagsbrief. Und er war mir doch gerade diesmal doppelt lieb und wert. Du! Ich dank Dir [s]ehr, und ich schenke Dir einen recht lieben Kuß.
Heute habe ich Deinen neuen Brief erhalten, auch dafür meinen besten Dank. Es tut mir furchtbar leid um Onkel Erich's Sohn — ein so junger, blühender Mensch. Aber angesichts des Schmerzes, den der Tod, den ganzen Verlust eines Menschen hervorruft, müssen die Angehörigen still und demütig werden — er bleibt ihnen ja, das ist schon eine große Gnade. Wie viele, solcher armen Menschen, die aus dem letzten Krieg heimkehrten und [G]liedmaßen einbüßten und die doch auch wieder froh wurden mit der Zeit und neuen Lebensmut bekamen. Freilich, solch jungen Blut wird das viel Überwindung kosten.
Gott sei Lob und Dank, daß dieses Hinschlachten der Menschen in Frankreich nun ein Ende fand. Das wird auch Trost und Beruhigung sein für die, die noch Kinder und Angehörige im Felde wissen. Ich denke immer, in England kommt die Kriegsführung nicht zu diesen Ausmaßen. Wird wohl eine ganz besondere Art Kriegführung werden, gib nur acht. Trudis Vater, welcher jetzt in Warschau auf einer Kommandeur Schule weilte hat allerhand zu hören bekommen. Sein dortiger Vorgesetzter, ein persönlicher Freund Brauchtisch's, hat von verschiedenen Tatsachen aufklärend zu diesen Männern gesprochen. Sie müssen schweigen. Zuhause hat er natürlich Verschiedenes erzählt, was er darf, daher weiß ichs. Doch Trudi sagt, mein Vater ist voller Zuversicht gegen den Kampf mit England. Möchten doch die Brüder davon verschont bleiben! Ich ersah aus ihren Briefen, daß sie beide wohlauf sind, ich freue mich darüber. Ich würde es ihnen ja so von Herzen gönnen, wenn sie beide Sonderurlaub zur Hochzeit bekämen. Ob sie wohl meine Briefe zur Zeit bekommen? Du hast recht, Liebster! Elfriede schreibe ich nochmal einen lieben Einladungsbrief. Dank für die Zugverbindung, es war sehr nett von Dir! Selbstverständlich sind Geschwistergäste schon zum Polterabend geladen!
Ja, meine Hubo! Nun stehe ich schon seit 2 Tagen im Dienste des Pfarrers. Oder besser gesagt, des Querkopps'? O weh, wenn er's nur lesen würde. Nein, es ist ein sehr patenter Mann, im Dienst, wie ich ihn um mich sehe, auch im Privatleben. Ich gehe nur täglich von 9 - ½ 1 [Uhr] in die Kanzlei. Allerhand muß ich da machen. Heute z. B. gab es die Gemeindeblätter abzuzählen, bezirkweise einzuteilen und mit Abonnentenkarten zu versehen. 150 Feldpostbriefe versandfertig machen. Dazwischen kommt Jemand, will Formulare wegen: Steuerermäßigung, Geburt anmelden, Trauerfall, Hochzeit u. dergleichen. Mal klingelt das Telephon. Jemand bringt ein Bibliotheksbuch, will ein neues. Kurz: Mein Geschäft blüht. Ab 11 Uhr bin ich meist allein, da macht Herr Pfarrer Besuche. Ich verrichte diesen Ehrendienst (weil ich mich nicht bezahlen lassen will) nur 14 Tage, dann ist Herr H. wieder da. Es gefällt mir gut, ist mal was andres. Für heute Schluß, mein Lieb! Jetzt will ich Dich noch bissel verwöhnen im Schreiben, es wird in den nächsten Tagen schlimmer mit der Arbeit: Reinemachen, innen u. außen.
Behüt Dich Gott! Bleibe gesund und froh! Heute in 14 Tagen!!!
Liebster! Herzallerliebster! Ich hab Dich so sehr lieb!
Immer Deine [Hilde].
Hilde Nordhoff
Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.
Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946
Julia Paulus
Warum wird an dieser Stelle die Agnes Migel Plakette (unkommentiert) abgebildet?
Ihr wurde der Goethe-Preis…
Ihr wurde der Goethe-Preis Juni 1940 verliehen, also zur gleichen Zeit als das Brief geschrieben wurde.