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[OBF-401218-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 18. Dezember 1940. 

Herzallerliebster!! Geliebter, Du!! Mein [Roland]!!

Ich bin heute so voll heimlicher Freude und so voll großer Sehnsucht nach Dir! Du! Ich muß in einem fort an Dich denken, so hartnäckig schiebt sich immer wieder Dein Bild vor alles, was ich auch anfasse, und es ist mir so, als sähest Du mich sogar durch diesen Briefbogen hindurch an, Du!! Du verfolgst mich, Du!! Ich sehe immer Dein Gesicht — und die Augen darin, und sie leuchten, leuchten — Du!! Vor Freude? Vor Glück? Vor Sehnsucht? Du!!! Sag mirs' doch!!

Hast Du heute erst meinen Sonntagsbrief bekommen, Du? Mit der Gewißheit, Herzlieb? Mußt darum immerfort an mich denken? Es ist etwas mit Dir, was Dich bewegt, Du! Ich fühle es doch.

Es wäre schon möglich, daß Dich mein Sonntagsbote erst heute erreichte; denn auch ich erhielt heute früh erst Deinen Brief vom Sonnabend, mein [Roland]. Und ich möchte Dir dafür so herzlich danken, mein Lieb! Du hast mir so große Freude bereitet!

Was uns an dem Tag bewegt, das wir einander schreiben, das erreicht uns erst nach ein paar Tagen, und da ist schon wieder Neues geschehen, anderes in unser Gemüt gefallen — Frohes oder Trübes — wie es das Leben gibt.

Es waren trübe Tage in der verflossenen Woche, draußen in der Natur — wie drinnen in meinem Herzen. Du! — und das hat sich Dir alles mitgeteilt — ich mußte alles, was mein Inneres bewegte vor Dir ausbreiten, wie hilfesuchen[d] nach einem festen Halt, mein [Roland]! Zum Vertrautesten meines Herzens trieb es mich — zu wem sonst auf Erden? Und er nahm mich an sein treues, starkes Herz — und er tröstete mich, lind und gut, wie die Mutter ihr Kind trösten kann. Das hat mir so unendlich wohlgetan, Du! Mein Geliebter!! Daß ich Dich an meiner Seite weiß, Du!!! Das ist mir ein ganz unermeßliches Glück!! Das gibt mir so viel Kraft, wie ich sie allein nicht aufbringen könnte, das Leben zu meistern in Sorge und Herznot. So viel, unendlich viel danke ich Dir, mein [Roland]!!

Und heute, während schon die Botschaft in Deinen Händen liegt, der ersehnten, ach so lang ersehnten Gewißheit, Du!! Mein Herz!! Da kommt noch ein Bote von Dir, der mir soviel Licht und Sonne bringen will in meine dunklen Tage. Und ich nehme sie mit bewegtem Herzen auf, Deine lieben Worte, und so warm durchströmt es mich bis tief in's Herz hinein — wie Du mich liebst!!! Wie Du treu zu mir stehst!!!

Wie du durchdringen bist vom wahren Sinn der Mutterschaft, wie edel und gut Du das Weib in ihrer höchsten Erfüllung, vor Deinem Auge stehend einschätzt. Wenn alle Männer, so wie Du, dem Sinn der Ehe und der Liebe nachgehen würden bis auf den letzten, wahren Grund — Du!! Es gäbe dann kein Herzeleid mehr für das Weib.

Wie Du zu mir sprichst, mein Herz — so kann es keiner noch einmal — keiner — Du!

Könnte ich in Sorge sein um Dich?

Geliebter!! Mein Herzlieb!! Keinen Augenblick!!

Ich kenne Dich und Dein Herz, Du!!

Und wenn ich Dir schrieb: Behalte mich lieb — Du! So tat ich's nur aus der Herzensnot meiner Einsamkeit heraus, weil ich mich so sehr sehnte in diesen Tagen, nach Deiner Liebe, nach Deiner Nähe, nach einer Liebkosung von Dir, nach einem lebendigen Wort. Ach, Du! Wenn es so brennt, so heiß brennt, das Heimweh nach Dir, da will ich nichts als Dich, nur Dich ganz, mein [Roland]!! Und wenn Du mir nun einen so lieben Boten sendest, da wird das Heimweh nur noch größer und verlangender in mir. Ach — wenn Du [d]och erst ganz bei mir bist, Du!!

All das, was in den vergangenen Tagen an uns herantrat, er war wie eine Prüfung für uns: sind wir bereit? Und  mein [Roland] — es ist uns beiden ganz gewiß geworden, wir sind ganz froh und klar dessen bewußt:  Was auch kommen mag — Leid oder Freud — wir sind bereit, es zu empfangen. Stark, mutig zu empfangen. Wir sind eins! Du und ich! Wie ein heller Jubelruf klingt das in unseren Herzen wieder! Unsere Liebe, die so treu, so fest, so innig, so rein und tief ist, sie kann alles, alles ertragen — und wir brauchen uns nie, nie mehr darum je zu sorgen; denn sie wird nun, nach dieser neuen Prüfung nur noch fester sich gründen. Ich weiß es. Du!! Froh weiß ich es — mit Dir — mein Herz!! Und Du hast all meine Sorge, die ich auf Deine Schultern lud in den vergangnen Tagen so allein, einsam, bei aller Geselligkeit bewältigen müssen, Du! Herzliebster! Du!!

Hast Dich wieder, wie schon so oft im Leben auf Deine beiden Getreuen (die Füße) gestellt und bist hineingelaufen in das weite, ebene Land und hast doch, wie ich, die Ruhe nicht finden können, weil die Gewißheit uns fehlte.

Aber, mein Lieb, obgleich ich in der Mutter einen guten Kameraden habe — das Heimlichste, das Köstlichste, was mich immer nun bewegt, seit ich an Deiner Seite gehe, Du! Das kann ich nur mit Dir allein teilen!!! Und darin bin ich jetzt genau so einsam wie Du.

Das tröstet uns gegenseitig, mein Herz! Die Hoffnung auf uns[e]re Erfüllung: auf unser Zusammensein für ewig, die bewegt uns immer, immer, und sie wird nie ruhen! Einmal wird er kommen, der Tag der Erfüllung, [Du]!! Und bis dahin soll der Treuste unsrer Freunde, den wir gemeinsam haben und — lieben, Du!, nicht ruhen, er soll sie tragen, die Hoffnungen und Wünsche und Sehnsüchte, von Stadt zu Stadt, mit dem Siegel des strengsten Geheimnisses versehen, bis wir ihn endlich wieder in Händen halten: unsern Boten, Du!!

Heute kam Dein liebes Freßpackerl! Wie war ich erstaunt, Du! Und freudig überrascht! Ja — ja — auch! Bin ja ebensolch Leckerli wie Du, ach ja, leider haben wir da einander weni[g] nur voraus. Früher hab ich mir immer einen Mann gewünscht, der keine süßen Sachen essen möchte! Jetzt kann ich Dirs' nun sagen — hm? Aber weil er doch nun so ein lieber guter, zum Fressen süßer Kerl ist, Du! Da gönn ich ihm von Herzen die Hälfte von allem. Ich hab mir schon das "Uneingesargte" gut schmecken lassen (den Eltern auch mit!) das Eingesperrte kommt zum Feste dran.

Mein liebes gutes Dickerle!! Ich bin heute ganz sehr froh, ich fühle, wie Du mich soo [sic] lieb hast!! Du!!! Du!!! Und dafür dank ich Dir so — Du mein Herzlieb!!! Ich hab Dich ganz, ganz sehr lieb!! Ich küsse Dich! Du!! Gott behüte Dich mir, mein [Roland]! Er möge Dich gesund und froh erhalten! Ich bin nur Deine [Hilde] — in unlösbarer Verbundenheit! In Treue! In inniger Liebe

ganz Deine Holde. Und Du bist mein!!! mein!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946