Montag, den 20. Januar 1941.
Herzallerliebste! Mein liebe, liebste [Hilde]! Herzlieb, Du!!
Deine lieben Boten am Sonnabend und Sonntag stehen noch aus. Sie haben gewiß mit den Schneewehen zu kämpfen, die seit gestern sich auch bei uns türmen. Es könnte einem bange werden, wenn der Winter sich so toll gebärdet, bange, daß er nun die Wege zwischen Dir und mir ungangbar macht. Den Weg von Herz zu Herzen kann er nicht verlegen, Du!! Und auch der Winter untersteht Gottes Gebot. Ach, wenn wir dann für immer beieinander sind, mag er toben, so viel er mag. Na, und bis zum Urlaub – da wird ihn unsre Liebe alle hinschmelzen lassen, ja? Aber ein bissel muß uns noch überbleiben zum Liebhaben, ja? Du!!!
Du! Weißt! Heut ist ganz ohne mein Zutun von meinem Urlaub gesprochen worden – ja! Du! Der Chef selbst! Mehr kann ich noch nicht sagen. Aber das Wenige mag ich Dir nicht vorenthalten. Du!! Du!!!!! Ich glaube, ich glaube, es wird alles, alles gut. Du!! Du!!!! Und sobald ich mehr weiß, da hört zuerst davon mein Herzlieb, mein Herzlieb! Bist du das? Du??! Mein lieber, lieber Bub!!!!! Ach weißt, die Unzufriedenheit und der Druck von gestern, das war die Ungeduld, das Warten auf den Entscheid, dürfen wir uns denn nun freuen oder nicht; denn nun möchten wir doch bald mit der Vorfreude beginnen, ganz leise erst, und Du mit den Vorbereitungen, ich weiß es, Du!! Du!!! Die läßt Du Dir doch nicht nehmen, und sie sind ja der Ausdruck Deiner Vorfreude, und deshalb mag ich sie Dir auch nicht wehren. Du! Aber fein einteilen, hörst? Und nicht übernehmen, damit Du das meiste zurande hast, wenn das neue Röslein erblühen will, Du!!! Mein Röslein, meines! Du!!! Du!!!!!!! Ach, nun rede ich schon, als dürften wir schon damit beginnen. Du!! Ganz leise erst freuen! Ja? Du!! Du!!!! [Hilde]lieb! Herzlieb!!!!!
Ja, Herzlieb! Lieberes kann ich Dir nun gar nimmer schreiben. Alle Sinne richten sich nun angestrengt und gespannt auf unser Wiedersehen, das, so Gott will, doch nun so oder so in greifbare Nähe rückt. Du und ich, wir sehnen uns so sehr darnach!!! Wir freuen uns so darauf[,] als auf das Liebste und Schönste und Allerköstlichste auf dieser Welt, Geliebte, Du!!!!! Ist es nicht ein Beweis unsrer großen Liebe? Du!!! Ich habe schon Männer äußern hören, daß ihnen gar nicht so viel daran liege, so 14 Tage zu Hause zu sein! Herzlieb! O, die armen!! Die Ärmsten!! Vielleicht knickten sie schon viele Herzen – aber die Liebe eines Weibes, die fühlten sie nie! nie!!! Sie lieben nicht, sie flirten, rauben nur. Sie kennen nicht den heiligen Bezirk der Ehe, sie kennen nicht die Seligkeit der höchsten Traute, sie mißachteten das Geschenk, das Höchste, ihres Weibes, treten es mit Füßen, sie brachen die Ehe und ihr heiliges Jawort. Vielleicht sind die Männer nicht allein schuld daran.
Herzlieb! Wo es freilich so steht, da kann das Wiedersehen keine reine, tiefe Freude sein.
Herzlieb! Ich könnte, untreu geworden, Dir nimmermehr zurückkehren! Nein! Ich könnte es ni[ch]t! Und ich käme nicht zu dir, wenn Du die Treue gebrochen hättest, ich glaube, nimmermehr.
Siehst Du, Herzlieb, so denken wir beide, so treu und fest und gerade, – Gott helfe uns zu solch geradem Sinn – und wollen damit nur sagen, daß wir uns[e]rer großen Liebe so glücklich sind, daß wir sie unser Lebelang [sic] ganz fest halten wollen, Gott zu Dank und Ehre.
Dieses große Sehnen nach unserem Wiedersehen, es drückt sich darin so mächtig aus, „daß wir gesinnt sind, beieinander zu stehen unser Leben lang." Herzlieb, Du und ich, uns beide packt es am meisten, wir wollten ja eben die ersten Schritte miteinander gehen. Warten und Sehnen und Gedulden – sie bezeichnen deutlicher als bei vielen anderen den Weg unsrer Liebe – so deutlich, daß wir davon an Gottes Führen gemahnt werden, daß wir demütig in den Sinn dieser Führung lauschen. Du! Meine liebe [Hilde]! Und wir haben beide erkannt, daß dieses Sehnen, daß die Ferne zwischen uns die Liebe vertiefte, ganz gewiß! Daß unsre Liebe daran reifte. Du!! Ob sie wohl nun bald reif ist, Herzlieb? Siehst, das Geschick hat unsre Probezeit noch verlängert, unsre Probezeit, unsre Brautzeit, Du!! [Hilde]lieb!!! Bist noch immer meine liebe Braut?!! Und ich – Dein Lausbub! Ja? Du!! Solange Dein Lausbub nicht immer um Dich sein kann, ist er noch Dein Bräutigam – fühlt er sich noch ––– den Satz magst du selber fertig sagen. Aber weißt, einer aus einem Dorf in Bayern, Du! Wo das Fensterln erlaubt ist, nicht bloß zum am Fensterl stehen, sondern (den Satz will ich lieber selber fertig machen) auch zum Fensterl reinsteigen! Ja!! Und nicht bloß, daß er sich a Woatschn holt, sondern – – – ganz was andres, keine Erkältung! Du!! Ach, das klingt immer so, als ob am Fensterln bloß das Dickerle schuld wäre. Warum ist denn a [ein] Fensterl an der Kammer? Und warum steckt dann im Kämmerlein mein herziges Weiberl? Und warum lauscht es denn hinter der Gardine klopfenden Herzens, ob vor seinem Fensterl auch ein richtiger Bub auf– u[nd]. abgeht? Und wer reicht dem Hubo denn die Leiter mit ihrem Sehnen: mein süßes Evchen, mein Herzlieb, mein über alles geliebtes!!
Siehst, nun wollt dein Dickerle schon wieder närrisch werden!
Ach Herzlieb! Eines werden wir mitnehmen aus dieser Zeit des [W]artens und Sehnens: Noch viel deutlicher wird uns unsre Liebe als ein köstliches, seltenes Geschenk von Gottes Gnade erscheinen, das nur allzeit zu Treue und Dankbarkeit anhält. Wie werden wir ihren Besitz später danklos, gleichgültig und als selbstverständlich hinnehmen. Jeder Tag ist ein Geschenk Gottes – den wir dankbar wahrnehmen und nützen sollen.
Dieses heiße Sehnen und quälende Warten – es ist etwas Unnatürliches, Ungewöhnliches, es ist nicht die feste, treue gewisse Ordnung, die wir beide herbeisehnen. Das wollen wir nicht vergessen, und daran wollen wir denken, wenn uns bange werden will und unser Herz zittert vor Sehnen.
Vielleicht hüpft unser Herz dann nicht mehr so hoch vor Freude, ist unsre Erwartung nie mehr so aufs höchste gespannt. Herzlieb! Du!!! Ich sehne sie trotzdem herbei, die Zeit der treuen, gewissen Ordnung, die Zeit an Deiner Hand, an Deiner [Hand] Seite, die Zeit der leiseren, dafür auch feineren, innigeren Freuden, die Zeit der Bewährung, des gemeinsamen Schaffens. Du!! Gott wird sie uns schenken zu ihrer Zeit. Herzlieb! Kann es bei uns denn leer und freudlos werden? Du!! Wird sich nicht Herz an Herz, Freude an Freude immer neu entzünden? Mein Herzlieb, es ist ja so reich, so reich!! Und Gottes Welt und der weite Himmel darüber so reich, so reich!! Will doch Dein Hubo noch alles mit Dir bestaunen und mit unsere(m) [sic] Kindlein! Du!! Du!!!!! Weißt, Du! Herzlieb, süßes, von dem „m" müssen wir uns beide mal ganz leis was sagen, Du!!! Wenn ich Dir ganz nahe bin!! Aber schön der Reihe nach, weißt – 1, 2 Du!! Du!!!! Ach Herzlieb! Ich sehe keine Öde, kein Leere, Du! Du!! Ich spüre nur das große Sehnen nach dieser Ordnung, der Heimat, und des treuen Einsseins!!
Und das wird uns gar nicht schwer fallen, weil wir es doch schon jetzt sind, Du!! Dein Hubo ist Dir ganz treu und hat Dich so sehr lieb!!! Und Du bist bist [sic] mein liebes, treues, goldiges, herziges Weiberl!! Das allerbeste und allerliebste und allerschönste und allertreuste!! Und ich weiß es, Du bist von meinem Schlag, Du sehnst dich ebenso nach dieser Ordnung, nach dem Heim, dem Nest, unserem Nest, Du!!, in dem unsre Liebe erst recht sich bewähren, betätigen und erfüllen kann. Bist mein lieber, allerliebster Weggesell!
Von Elfriede erhielt ich heute einen Schreibebrief – von der Elfriede [Nordhoff]! – Hast mich jetzt auch mal geneckt, Du! Bub!! mit einem Freunde – einem recht lieben, den soll ich Dir weitergeben, was hiermit geschieht. Von dem Zerdebberten hast mir gar nichts geschrieben. Am Sonnabend schrieb ich nach Schandau. Auf die Antwort bin ich gespannt. Herzlieb! Im nächsten Boten sagst mir noch mal die Telefonnummer von S.s, ja?
Und nun? Behüte Dich Gott! Halt Dich warm und bleib gesund! Du!! Und ich bin immer um Dich und mit Dir – lebst ja in meinem Herzen, ganz allein, nur Du!! und gebietest ihm, nur Du!! Und ich wohne in Deinem, Du!! ganz allein! Kann ja gar niemand anders mehr herein, der Hubo braucht doch so viel Platz! Du, Du!! Wenn ich bei Dir bin, dann will ich sehen, ob er auch schon ganz drin ist, und ob das Herzl auch zulangt – sonst – sonst muss ich es ganz lieb und lang noch drücken und küssen – Du!! Du!!! Könnt ja auch an dem Dummerle und Dickerle selber liegen – das ist aber dann Deine Sache!! Ach Herzlieb! Wir wollen nicht vergessen zu danken und zu bitten! Du! Daß wir auch darin einsgehen miteinander, das macht mich so froh! Und daß wir uns darin so kindlich und geschwisterlich verstehen, das macht unsre Traute nur inniger und tiefer. Du, Kinder sind wir, Kinder vor dem Glück unsrer Liebe – und Kinder vor Gott, unserem Vater!
Ich liebe dich! Du! Meine liebe, liebste [Hilde]! Alle Liebe und Treue bringe ich Dir! Du!! Mit Dir will ich das Köstlichste tauschen und teilen: die Liebe, das Herz! Einssein möchte ich mit Dir! Nur mit Dir!!! Mit meinem lieben teuren Herzlieb und [Hilde]lieb!!!!!!!!!!
Du!! Du!!!!!
[*] Bitte grüße die lieben Eltern!
[* = Links am Rand in die Höhe geschrieben.]
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946