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[OBF-410207-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 7. Februar 1941.

Mein liebes, teures Herz! [Hilde]lieb! Herzlieb!! Holde mein!!!

Du! Wo steckst Du denn? Wart nur, wart, ich finde Dich schon! Könntest Dich ja gar nicht lange versteckt halten! Kämst bald von selber hervor wie die Kinder, wenn es ihnen zu lange dauert. Weißt wohl gar nicht, was ich meine? Nun, warten muß Dein Hubo, warten, warten! Auf Deinen lieben Boten – er wird nun morgen kommen.

Auf den Urlaub, auf die Heimkehr – sie rückt immer näher. Dein [Roland] freut sich so! Du!!! Auf die Reise! Stoß um Stoß komm ich meinem Herzlieb näher: Stendal – Du! da bin ich schon auf der richtigen Seite – von der Elbe nämlich – bist nämlich drüben, Du! – und wenn keine Brücke wäre nirgends, da könnt ich wohl gar nicht zu Dir? Du!! Du!!! Wenn mein Herzlieb auf der anderen Seite stünde im Ernst – ich würde noch schwimmen, und wenn es um mein Leben wäre.

Magdeburg – ach, da bin ich Dir schon so nahe, da bin ich ja schon in Sachsen - ja, Magdeburg gehörte früher zu Sachsen. Leipzig – Du!!! Da kannst ja von Oberfrohna schon hinschauen. Ach Herzlieb! Näher, immer näher! Wie werde ich mich freuen, herzlich freuen, wenn es dann über die Göhrener Brücke donnert – Cossen – Burgstädt – Du! Du!! Den [unklar]stein – das Wahrzeichen, eines davon, Eurer Gegend, Deiner, unsrer Heimat! – und dann – dann – Du!! dann geht mein Herzlein bumbumbum – vor Angst? – oh, Du! oh Du!!! – vor Freude!!! vor Liebe!!!!! – weil da jemand wartet – ein Menschenkind nur – ein kleines Menschenherz nur in dieser großen, großen Welt – auf das gerade freut sich Dein [Hubo] am allermeisten in dieser großen, großen Welt! Darum geht sein Herzlein bumbumbum – dahin zieht es – drängt es ihn – dahin wird es immer wieder heimkehren heißen, sehnsuchtsvollen Dranges, zu diesem Menschenherzen – zu seiner Heimat! zu seiner Liebe! zu seinem Weibe! zu seiner [Hilde]! zu seiner Sonne, um die mein Leben kreist! Geliebte! Es ist eine Macht, eine Gewalt, dieselbe, die die Sterne bewegt, eine Gewalt, die Liebende so mächtig zusammenbindet, zueinanderdrängt – zwei kleine, schwache Menschenherzen auf diesem weiten Erdenrund so mächtig und eigensinnig zueinander drängt! Geliebte! Herzlieb!! Und dann will ich Dich finden!!!!!!!!!!!!! Gott walte es! Und nicht nur ich will Dich finden – Du, mein liebes, liebes Weib sollst es beglückend fühlen, daß ich zu Dir gehöre, daß Du nicht allein bist, ach Du, daß ich Dich so lieb und fest umfange, mein Liebstes auf dieser Welt! Du sollst es wissen und fühlen, daß Du ein Mannerli hast, Du!! Du!!!!! Ich wollte Dich ja nimmermehr verlassen – ich wollte ja immer um Dich sein und bei Dir bleiben – aber es soll noch nicht sein – und wie wir uns auch dagegen wehren möchten – wir wissen, es ist das Schicksal so, von Gott geschickt, das uns zum Besten dienen muss, wenn wir ihn nur recht lieben.

Ach Du! Krieg ist! Krieg! Mit seiner ganzen höllischen Gewalt, mit furchtbaren Kriegsmaschinen, m[i]t seinem Schrecken –  – und für uns verlief es so friedlich bisher – nur daß wir uns trennen mußten – nach einem Jahre erst – Herzlieb! Du!! Ganz still und geduldig wollen wir sein – und dankbar, wenn dieses Kriegsgewitter so gnädig an uns vorüber geht – ganz dankbar darum, wenn Gott uns so nach unseren Kräften bedenkt – Du! Du!! Ganz still und geduldig und dankbar! – Herzlieb! Du mußt die größte Geduld aufbringen, ich weiß es. Bist viel allein, – allein mit Deinen Gedanken. Möchtest vielleicht lieber mit zupacken anderswo, Dich betätigen, Dich verdient machen, daß dein Tag besser ausgefüllt wäre. Steckt doch so viel Leben und Schaffensdrang in Dir! Und ich bin es, der Dir die Ketten anlegt, der Deine Geduld auf so harte Probe stellt? – Verdient machen – da denkt man zuerst an ein Lazarett – dort ist die Frau an wichtiger Stelle. Du! Herzlieb!! Dein [Roland] wäre dann so voll Unruhe! Du hast ein empfindsames, tiefes Gemüt – bist so gut – so lieb! Würdest mit Hingabe und Eifer dienen der großen, guten Sache dienen – Herzlieb! Dein [Roland] wäre so voll Unruhe! Du!!! Ich weiß es, wie dem Kranken zumute ist, der darniederliegt, wie dem Genesenden zumute ist – wie die Blicke hungern und gieren nach dem Leben – ach Herzlieb!! Und dann unter Soldaten, den freien, untreuen, schweifenden, freibeutenden – und verwundet ist nicht krank – der Leichtverwundete und dazu noch junge unbeschwerte Mensch wird ja durch eine örtliche Verwundung kaum beeinträchtigt in seinem Lebensdrang – –  – Geliebte! Du!! Das wäre nicht das rechte für Dich – glaubst mir das? Fühlst Du es? Täglich und stündlich tausend hungernde lüsterne Augen hinter Dir – tausend zudringliche Blicke und anzügliche Reden – Geliebte! Es wäre eine Hölle für Dich – ach Du!! Dorthin mag ich Dich nicht lassen, Herzlieb! Lieber noch wieder in Deine alte, böse Fabrik – und Du weißt, wie froh ich war, daß ich Dich aus dieser Umgebung riß! Du magst es mir übel nehmen oder nicht – Geliebte! Meine [Hilde]!! In solches Lazarett ließe ich Dich nicht! Du!! Du!!!!! Mein Herzlieb!!! – Bist Du nun unnütz deshalb? Geliebte! Bin ich denn nütz oder unnütz hier? Und die Kameraden hier? Wer kann darauf Antwort geben?

Bist Du unnütz? Darauf will ich Dir Antwort geben. Du!!!!! Mein Lieb!!

Mit Deinem Warten, mit Deinem Sorgen, mit Deinem Gedenken und Gedulden dienst Du wohl nur einem Soldaten von den vielen – Deinem [Roland]! [Du] Dienst ihm mit der ganzen Kraft und Liebe Deines Herzens – dem einen! Hältst ihn, umfängst ihn, begleitest ihn, beglückst ihn und stärkst ihm seinen Lebensmut und den Willen, durchzuhalten und heimzukehren! Bist Ihm damit mehr, als mir hier einer der Kameraden sein kann, bist mein liebster, treuster Kamerad! Machst Dich verdient – aber nur um einen Soldaten! Du, Herzlieb!!! Könntest denn so lieb und treu noch mehreren dienen? Du!! Wir beide sind doch so anders als die vielen! Wir brauchen einander so ganz! Wo hängen denn zwei noch so innig und fest zusammen? Wo sind denn zwei Herzen noch einmal so fest und innig verbunden? Wo ist denn die Sehnsucht nach Heimat und Geborgenheit und der einen Liebe noch so mächtig als in uns? Wo warten zwei noch so klopfenden Herzens auf den Boten des Geliebten – und wo sitzen noch zwei so vertieft über dem Gruß an das geliebte Wesen in der Ferne?

Herzlieb! Du sollst nicht denken, daß Du unnütz bist –  sollst nicht ein einziges Mal unzufrieden sein mit Dir – Dein [Roland] braucht Dich! Du!!!!! Er ist Dir inniger verbunden und tiefer und wundersamer als andere mit ihrem Weib verbunden sein mögen. Ach Geliebte! Wir wissen es, wie unsere Herzen mitsammen schlagen über alle Ferne, wie wir miteinander leben. Geliebte! Es ist nicht die Eifersucht und Sorge um unsere Liebe nur, daß ich Dich bitte, geduldig auszuharren zu Hause, es ist vielmehr das Verlangen nach Deiner ganzen Liebe – ach Du!! So wie ich hier fast jede Freizeit ausfülle um Deiner zu denken, weil es mich treibt, weil es mich bewegt wie nichts anderes, mich ganz erfüllt – Herzlieb! So mußt Du mir ja Antwort geben, Du kannst ja auch nicht anders. So fest ich Dich halte und lieb umfange – so mußt Du es erwidern aus Deiner großen Liebe – Und ich muß Dich so lieb umfangen – muß alle freien Stunden Dir weihen – und Du mußt erwidern – Du kannst nicht anders. Herzlieb, wir können nicht anders – und deshalb brauchen wir darüber auch nicht unzufrieden zu werden. Und Du bist es ja auch nicht. Auch nicht ganz im geheimen? Nein, ach nein! Ich weiß es. Und das Opfer des Einsamseins – Du tr[ä]gst es gern – und es wird Dir leicht, weil Du weißt, daß Dein [Roland] es auch ist.

Gott im Himmel wende es, daß wir bald Seite an Seite durch dieses Leben gehen können!!

Meine liebe, liebe [Hilde]!! Wievielmal darf denn Dein Dickerle noch schreiben? Sonnabend, Sonntag, Montag – dreimal noch, Du!!! Dienstag hat es schon gar nicht mehr viel Zweck. Herzlieb dreimal noch – und Du? Zweimal noch!! Weißt – kannst ziemlich bestimmt rechnen, daß ich Donnerstag komme – ich werde von selbst darauszukommen [sic] – da geht alles in Ruhe und Umsicht ab.

Mein Herzlieb ist nun wieder krank. Ganz lieb und leis und zärtlich möchte Dein Hubo um Dich sein! Du!! Du!!! Halt Dich fein [st]ill und warm und brav, damit Du ganz rasch und schnell wieder gesund wirst und zu Kräften kommst – mein liebes, liebes Weib, Du!!! Meine Hilde!!!!!

Gott behüte Dich! Er schenke Dir Kraft und Geduld und mache Dich bald gesund! So froh und glücklich mit mir, meine liebe [Hilde]!! Du!! Du!!!!! Ich habe Dich so lieb! Dein [Roland] ist Dir so gut!!!! Er sehnt sich nach Dir – er will zu Dir, zu Dir!! Zu meinem Herzlieb!! zu meinem lieben, treuen, schönen Weib, zu meinem [Hilde]lieb! Heimat, Geborgenheit Glück und Sonnenschein – Erfüllung bist Du mir – meine liebe liebste [Hilde]!! Dein [Roland] gehört Dir mit Leib und Seele – immerdar!!!!! Er ist Dein Eigen!! Und das macht ihn so glücklich! Du!! Du!!!!!!!!!!

Ich freue mich so!! Ich liebe Dich!! Du!!!!!!!!!!!!!

Bitte grüße die lieben Eltern!!

 

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946