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[OBF-410412-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 12. April 1941,

Ostersonnabend.

Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebste mein! Du!!

Mein Herzlieb ruht jetzt in weißen Kissen. Draußen regnet es, regnet. Unser Schulplatz ist ein See. Ich hätte nicht geglaubt, daß es hier so regnen könnte. Und der Hubo? Hat keine Wache – aber etwas Ähnliches: „Läufer". Dieselbe Dienstzeit wie die Wachen, aber nur mit umgeschnalltem Seitengewehr dem Unteroffizier zur Hand sein, tags – und nachts die nächsten Posten wecken und Obacht geben, daß man selber nicht schläft. Na, ich bin jetzt munter – und damit die Zeit verrinnt bis um 6 Uhr, weiß ich nichts Besseres als mit meinem Herzlieb zu plaudern. Die Posten treten wie richtige Seeleute in Ölzeug heraus, sie sind heute nicht zu beneiden. Eigentlich müßte ich heute auch schon stehen. Aber da habe ich mir am Dienstag beim Stiefelanziehen irgendetwas verdehnt, sodaß ich beim Gehen ziemliche Rückenschmerzen verspürte. Ich habe mich damit gleich dem Arzt vorgestellt. Er hat mir Sonnenbäder verordnet – die Sonne mag nur nicht scheinen jetzt – und Rückenmassagen mit Kampferspiritus. Die werden pünktlich gemacht, und so ist es auch schon viel besser geworden, so daß ich beim Gehen schon nichts mehr, nur bei langem Sitzen und Stehen ein Ziehen verspüre. Deshalb habe ich mich von der Wache befreien lassen und kann nun heute im Trocknen sein. Als ich vorhin meinen Dienst antrat, habe ich noch einmal die Strümpfe gewechselt – das letzte Paar aus dem Seesack hervorgezogen. Wie gut, daß ich nach meinem Urlaub so reichlich und gut damit versehen war dank Deiner lieben Fürsorge. Nun muß ich beim nächsten Schönwetter die Hände mal ins Waschfaß stecken und mich mit den Strümpfen waschenderweise unterhalten. Es trocknet ja hier so schnell! Dann habe ich wieder einen langen Vorrat, der meinem lieben Weiberl daheim alle Ehre macht! Und sie sind ja alle so gut in Schuß, ein einziges Paar hat ein Loch gekriegt. Nicht lange mehr, dann werden die Wollsocken zu warm. In unsrer Ausrüstung haben wir 3 Paar dünne Socken. Es wird gut sein, wenn ich dann zum Wechseln mehrere Paar habe. In einem Deiner Päckchen kannst mir ja 3 Paar mitschicken. Die mußt wohl erst von der [Nordhoff] – Mutter Dir ausbitten. Hat ja auch noch Zeit. In Gr. bekommen wir dann ja auch unsre volle Löhnung ausgezahlt (Feindesland), da werde ich mir paar gute Socken noch zukaufen.

Ich denke, daß wir dann auch Päckchen bis zu 1/2 kg nach Hause schicken können – da bekommt mein [Hilde]lieb zuallererst ein paar Stück gute Seife – wenn es noch welche gibt. Gr.[ichenland] befindet sich ja schon geraume Zeit im Kriegszustand, und es ist leicht möglich, daß dort schon manches knapp geworden ist. Heute sollen wir noch einmal 150 Lewa ausgezahlt erhalten, vielleicht, damit wir auf das Fest einen ausgeben können. Gestern abend  hörte ich auch, daß alle Bulgaren aufgefordert wurden, morgen, zum Ostersonntag, einen deutschen Soldaten als Gast ins Haus zu nehmen. Wenn ich auch darauf nicht brenne, so ist es doch eine freundliche Geste wie die andere, daß hier für deutsche Verwundete gesammelt wird. Diese Freundlichkeiten haben freilich auch wie alle politischen Freundlichkeiten einen ganz realen Grund: Die Bulgaren rechnen mit einem Zugang zum Mittelmeer, den sie zur Belohnung für ihre Freundschaft auch erhalten werden. Sie sind aber vielleicht neben den Ungarn auch noch das liebenswerteste Völkchen auf dem Balkan. Ein Völkchen, von dem auch in diesem und jenem Punkte ein großes Volk noch lernen kann! Vor ein paar Tagen zur Musterung verlas der Leutnant ein Schreiben der deutschen Ortskommandantur, in dem die Soldaten ermahnt werden, der strengen Auffassung des Gastlandes, den Verkehr mit der Weiblichkeit betreffend, Rechnung zu tragen! Sieh an!! Aber Dein Hubo war es nicht, der zu dieser Ermahnung Veranlassung gab, hörst?

Ich schrieb Dir schon, daß die Abenteurer auf diesem Gebiete sich hier nicht so ganz wohlfühlen – sie werden sich freuen, wenn es nach der doppelt so großen Hafenstadt weiter geht. Dazu noch eine andere Beobachtung: Ich schrieb Dir, daß im Straßenbilde die Schüler der höheren Schulen auffallen. Sie sind in einer geschmackvollen, unauffälligen Art uniformiert und damit doch schon, ihrer gehobenen Stellung und Verantwortung später entsprechend, gezeichnet und herausgehoben und damit zu einem beispielhaften Betragen angehalten. Die Schülerinnen tragen schwarze Schuhe, schwarze Strümpfe, ein blaues schlichtes Kleid mit weißem Kragen, eine Mütze, Lippen ungeschminkt, also eine betont strenge, zurückhaltende Kleidung. Wie ich gehört habe, unterliegen sie auch außerhalb der Schulzeit einer gewissen Aufsicht; z. B. darf nach ½ 7 Uhr sich keines mehr im Stadtpark umhertreiben, von einer gewissen Uhrzeit an auch nicht mehr auf den Straßen. Vorbildlich kann ich dazu nur sagen und nachahmenswert! Da sind also doch Maßnahmen von Staats wegen, die wir bei uns vergeblich suchen, die die Jugend schützen sollen, die Bildung[s]beflissene zumal. Zweifellos steht dahinter die Kirche. Ob deren Einfluß hier noch groß ist, konnte ich bisher nicht beobachten.

Mein Herzlieb! Gleich wird das Plauderstündchen zu Ende gehen. Es wird hell draußen. Die Hähne krähen wie toll. (Eier sind hier noch billig: 1 Stck. 2 ½ Lewa = 8 Pf.) Sie legen aber auch hier keine – sehen nur zu und krähen. Wie schön es sich plaudert in der Stille. Zum ersten Male kann ich so allein sein mit Dir! Will Dir nun gleich einen lieben, langen Kuß geben! Du!! Du!!!!!

Vielleicht, wenn wir in Gr. etwas geräumiger quartiert sind, kann ich es öfter, Herzlieb! Mit Dir allein sein, meine ich!

Bald wirst auch Du Dich nun räkeln – Ostersonnabend, da wirst noch an manches wollen Hand anlegen und nicht lang liegen bleiben. Aber morgen dafür desto länger – und dann an Deinen Hubo denken – Du? – ganz lieb auch? – Herzlieb!! Ich wünschte ja nichts anderes, als daß einer meiner Boten Dir ein wenig Freude bringen möchte. Ach fürs Nächste. Und sonst? Nichts anderes, als  Dir heimkehren, bei Dir sein, mit Dir leben! Geliebte!! Bei Dir sein!!! Mit Dir leben!!! Nichts anderes!

Gott behüte Dich! Er erfülle uns unseren großen Wunsch recht bald. Leb wohl! Herzlieb! Mein über alles geliebtes Weib! Du!!!!! DU!!!!!!!!!!!!! Ich liebe Dich so sehr und bin in Liebe und Treue ewig Dein [Roland]!!

Mein Herzlieb! Du!!!!!!!!!!!!!

So, den steck ich gleich noch in den Kasten – wird mit dem von gestern abend ein Zwillingsbriefchen.

Du!! Herzlieb! Noch einen Kuß, noch einen! Du!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946