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[OBF-410413-001-01]
Briefkorpus

Ostersonntag, den 13. April 1941

Herzallerliebste! Meine liebe, liebste [Hilde]! Herzlieb mein!

Zum lieben, frischen, frohen Ostermorgen möchte ich doch mein liebes, neuwaschenes [sic] Osterhäschen gleich mal ganz lieb und fest umfassen und ihm einen ganz lieben langen Kuß geben! Geliebte! Du!! Mein liebes, teures Weib!! Meine [Hilde]!!!

Hatte ich nicht geglaubt, diese Gegend jemals so recht herzlich triefnaß zu sehen, so belehrte mich der gestrige Tag noch eines ganz anderen: Alles in Weiß wie unsre Mützen und am Himmel ein echt deutsches Flockengewimmel – und das zu Ostern! Auf grünen Blättern weißer Schnee! Das war nun freilich wenig österlich. Wie mag es bei Euch nun erst wieder ausgesehen haben – wie kalt – und mein liebes Osterhäschen wird wieder gefroren haben!

Unsrer 'Osterstimmung' wurde wieder etwas aufgeholfen mit der Botschaft, daß wir noch einmal einen kleineren Teil in Lewa erhalten würden. So haben wir uns auch aufgemacht zu einem Gang in die Stadt, unsre Kaufkraft auf die Probe zu stellen. Wir waren nicht die einzigen Glücklichen. Überall in der Stadt beobachteten wir eine gesteigerte Kauflust der Soldaten, überall wartend und abwägend beieinanderstehend Gruppen von Soldaten.

So gern ich meinem Herzlieb etwas gekauft und ihm eine Freude bereitet hätte – wonach mein Sinn stand, dazu langte es nicht – und etwas Gutes und Originelles sollte es sein. Es wird schon noch einmal eine Gelegenheit sich finden.

Eine Büchse Ölsardinen habe ich mir gekauft für 22 Lewa = 66 ₰ als Leckerbissen für die Feiertage. Und als es dunkel und kalt wurde an die Hände [sic], da sind wir nochmal eingekehrt. Nach etwas Süßem stand Deinem Hubo der Tor Sinn (im Radio singt gerade einer vom Gartentor): drei gute Tortenschnitte haben wir uns geleistet (18 Lewa = 54 ₰). Wir hatten eine nette Unterhaltung mit einem Fliegerunteroffizier, und so saßen wir bis gegen 9 Uhr.

Ach Herzlieb! Es sind wieder 2 bewegte Tage, gestern und heute, es ist ja auch wieder der 13.

13. Februar: Dein [Roland] war ein glücklicher Urlauber, Du!! Herzlieb! Viel länger hätten wir auf den Urlaub nicht warten dürfen, Du!!

13. März: Weit, weit voneinander wurden wir geführt, unsre Reise begann.

13. April: Ostersonntag.

Auf dem Nachhausewege gestern begann K.: „ Hast Du schon etwas von Deinem UK-Antrag gehört?“ Ich hatte ja Wache, und wußte von nichts und ließ mir nun erzählen: Vom Wehrbezirkskommando in P. ist angefragt worden, ob ein UK-Antrag für den Lehrer [Nordhoff], der in der Planung als Lehrer vorgesehen sei, Aussicht auf Bewilligung habe. Weißt denn auch, was das ist, ein UK-Antrag? UK = unabkömmlich. Dieses Schreiben ist wieder zurückgeschickt worden, weil wir hier diese Frage gar nicht beantworten können, an die höhere Dienststelle.

Herzallerliebste! Du kannst Dir denken, welche Gedanken und Gefühle mit dieser Neuigkeit aufblitzten, welche Möglichkeit da aufleuchtete!!! Geliebte!!! Ich erzähle Dir das, heute zum Osterfest, weil Du es mit mir wissen sollst. Herzlieb! Wir wollen uns keinen falschen Hoffnungen hingeben. Dieser Antrag würde jetzt wahrscheinlich abgelehnt werden, ziemlich sicher. Was daran doch an Hoffnung und Freude bleibt, das ist 1.), daß man an mich gedacht hat. „In der Planung als Lehrer vorgesehen“: Höchstwahrscheinlich müssen die Schulräte jetzt schon Pläne und Rechnungen darüber aufstellen, wie sie nach den großen Ferien den Schulbetrieb aufnehmen und durchführen wollen. Schulrat S. hat mich in seine Rechnung eingesetzt – vielleicht doch ein Erfolg meines Schreibens – eine liebere Antwort konnte ihm nicht werden. Es besteht die Möglichkeit, daß, wenn der Frieden bis dahin noch ein Stück näher gerückt ist und unser Einsatz hier unten nicht mehr von so großer Wichtigkeit ist, der Antrag vielleicht doch durchgeht. Bleibt auch die Möglichkeit offen, daß dann von höherer Stelle die Bewilligung irgendwie begünstigt wird.

Herzlieb! Daß ich überhaupt mit vorgesehen wurde, das bereitet mir doch Freude!

2.) daß wir Lehrer doch jetzt schon so notwendig und rar sind, daß man schon mitten im Kriege an Freistellung denkt. Das läßt die Hoffnung wachsen, daß wir nach Friedensschluß mit unter den ersten sein werden, die man entlassen wird. Man wird gerade bei der Kriegsmarine dann noch viele länger festhalten, um deren ums Vielfache gewachsenen Aufgaben erfüllen zu können.

Herzlieb! Du!! Ich würde mich so freuen für Dich, mit Dir! Sollst mit Deinem Hubo Dich freuen über diesen Lichtblick, der uns Kraft und Zuversicht schenken soll, weiterhin vertrauensvoll und getreulich auszuharren – mein liebes, treues Weib!!! Mein! – Dein! Du!!!!!

Als wir nun, Dein Hubo freudig erregt, nach Hause kamen – da hatte ich meinen Ausweis und die Urlaubskarte nicht mehr. Das ist so das Dümmste, was einem Soldaten passieren kann. Eine Stunde war noch Zeit bis zum Zapfenstreich. Über meiner Freude konnte der Schreck gar keine Macht über mich gewinnen. Ich besann mich – lief zurück ins Kaffee [sic], in etliche Geschäfte, die wir besuchten, zwei waren schon geschlossen, darunter das, in dem ich meinen Ausweis verlegt zu haben glaubte. Also ging ich ge[t]rost zurück in die Kaserne mit dem Vorsatz, diese Geschäfte am nächsten Tage aufzusuchen. Dem U.v.D meldete ich nur den Verlust meiner Urlaubskarte (Nr. 13!). Ich mag eine Stunde geschlafen haben, da weckt mich einer der Kameraden und bringt – meinen Ausweis - - vom Lokus. Dort habe ich es ihn herausgerissen. Große Freude – und ich konnte getrost weiterschlafen in den Ostertag.

Noch etwas vom Ostersonnabend: Um 1 Uhr wurden wir zu einer Kinovorstellung geführt: 'Gasparone', eine Vorstellung für die hier liegenden Marinesoldaten. Dieser Film läuft auch in der Öffentlichkeit. Für die Bulgaren hat man den Film beschriftet[ sic: untertitelt]. Es ist kein ganz neuer Film. Ich besinne mich, mit Dir am Apollo die Voranzeige und Bilder gesehen zu haben. Maria [sic] Rökk tanzt. Im übrigen schien mir der Film mies, wenig gelungen.

Es ist Mittag jetzt, da ich schreibe[.] Eben vorhin kam die Nachricht, daß wir morgen schon oder in den nächsten Tagen, je nachdem, wie schnell uns Wagen gestellt werden, hier aufbrechen. Mit der Bahn. Das scheint uns günstig. Das Vorkommando wurde auf Lastwagen geladen. Urlaub ist zunächst nur bis 3 Uhr. Fällt unser Osterspaziergang vorerst ins Wasser. Möglich, daß wir dann schon packen müssen. Unser Ziel ist uns bekannt. Es wird keine Fahrt ins Ungewisse. Hier war unseres Bleibens doch nicht.

Heute am Nachmittag soll auch noch die Post kommen. Ich möchte gern noch einen Ostergruß und einen Osterkuß von meinem Herzlieb!

Heute lege ich Dir wieder Negative bei: Die beiden verwegenen Kletterer über der Stadt gehören noch zum ersten Film. Die übrigen Bilder knipsten wir am Sonntag drüben bei unserer Waschfrau. Du erkennst uns Matrosen. Waschfrau und Waschmann, letzterer auf den Gruppenbildern mit einem Gockelhahn. Die übrigen [sind] Verwandtschaft aus dem Nachbarhause. Die haben sich königlich gefreut und das Entwickeln der Bilder bezahlt.

Von all den Negativen sollst Du nur je 1 Abzug für uns machen lassen und diese Abzüge alle bei Dir zu Hause aufheben.

Herzliebes! Für je[t]zt laß mich erstmal Schluß machen. Mal sehen, was der heutige Tag uns noch bringt. Ich berichte Dir noch davon. Herzlieb! Was er auch bringen mag! Wir glauben, glauben es heute am Ostertag mit neuer Zuversicht, daß er uns dem Wiedersehen, unserem glückhaften Einssein einen Schritt näher führt! Du!!! Draußen ist ein prächtiger Tag geworden und ich möchte wünschen, daß wir doch noch heute hinausdürfen in diesen sonnigen Ostertag.

Geliebte! Ich denke Dein mit großer innerer Freude: Du mein Leben! Mein Sonnenschein! Du bist mein! Und ich wohne in Deinem Herzen! Um Dich kreist all mein Denken, mein Wünschen, meine liebsten und geheimsten, Gedanken!! Du, mein Herzlieb!!!

Mein liebes, teures Herz! Nun ist abend [sic]. Dein Hubo ist zurück – 8 Uhr war es. Die Kameraden wollten noch nicht heim. Mich aber verlangte es, noch ein Stündchen mit meinem Herzlieb zu plaudern! Du!! Ja, nun habe ich doch die Einleitung vergessen. Es gibt heute noch Urlaub bis 10 Uhr. Wir werden noch in Ruhe Ostern feiern können – fein! Um 3 Uhr haben wir uns also fertig und fein gemacht zum Ausgehen – K., H., [Nordhoff] und  H. Die Sonne schien – kalt die Luft – die Berge grüßten frisch verschneit herüber. Durch die Hauptstraße sind wir geschlendert bis zur Maritza, in den Stadtteil jenseits des Flusses, zurück zu einem der Stadtberge. Wieder abwärts zur Stadt und nach etwas Nahrhaftem ausgeschaut. Seife hat der Hubo eingekauft, und bei Gelegenheit bekommt mein Herzlieb davon ein paar feine Stücken [sic]. Unsre Lewa drohen doch nun mit einem Male altbacken zu werden. War das ein Leben in der Stadt. Schon seit Freitag tragen die Häuser reichen Flaggenschmuck – die bulgarischen Farben (weiß – grün – rot) und Hakenkreuzfahnen. Die Bulgaren feiern unsre Siege. Heute waren 20 Mann von uns in Hotels zu Mittag geladen, sind reich bewirtet worden. Im Lazarett haben Bulgaren große Mengen Liebesgaben verteilt. In der 7. Stunde zog bulgarische Jugend singend durch die Straßen – es ist eine Hochstimmung. Der Rundfunk meldete heute, daß die Deutschen in S. [sic] herzlich empfangen wurden. Mal sehen, ob sie uns auch noch etwas aufgehoben haben!

Mit diesem Briefe schicke ich einen Film ab, den wir heute gedreht haben. Den darfst wieder 4 fach ausfertigen lassen. Wird sich mein Herzlieb noch ein Kontor müssen bauen lassen, um alles unterzubringen.

Ach, Herzallerliebste! Ich bin so froh heute – mit Dir – mit Deinem Bilde im Herzen – mit der Gewißheit, daß Du mir gehörst, daß Du mein wartest, Geliebte!!!!!

Wo wirst Du heute gewesen sein? Wirst eben zu dieser Stunde auch meiner denken! Mit den lieben Eltern zusammen – da fehlt doch immer der vierte, der Hubo, er gehört doch nun dazu! O, Herzlieb! Er ist so glücklich darum!!!!! Ist so glücklich, daß er in Deinem Herzen wohnen darf, daß er an Deiner Seite gehen darf, Geliebte!!! Welches Glück!!! Sich von Dir geliebt wissen, welcher Reichtum!!! Von Dir beschenkt, welche Gunst!!!!! Geliebte!!!!! Gott behüte Dich mir! Er schenke uns Kraft, auszuharren bis zum glücklichen Ende! Er segne unsern Bund!

Mein liebes, teures Herz! Ich drücke Dir lieb die Hände!

Froh und glücklich schaue ich Dein teures Bild!

Du bist mein! Mein Herzlieb!! Meine [Hilde]!!!

Ich habe Dich ganz sehr lieb!!! Ich möchte Dir so gern alles Liebe erweisen! Du!!! Mein Glück, mein Leben!!! Mein Alles!!!!!

Ich bin Dein [Roland]! Immer und ewig Dein!!!

Ganz Dein!! Du!!! Dir am aller-allernächsten!!!!!

Dein [Roland].

Sage den Eltern viel liebe, herzliche Grüße!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946