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[OBF-410416-002-01]
Briefkorpus

Mittwoch, am 16. April 1941.

Mein geliebtes Herz! Du mein lieber, guter [Roland]! Herzlieb mein!!

Geliebter! 3 liebe Boten bekam ich heute von Dir! Ich bin ja soo glücklich und voll Freude darum, Du! Ich danke Dir recht lieb!! Und auch ein Bild von meinem Herzlieb ist dabei! Es gefällt mir ja ganz sehr, Du! Möchte am liebsten zu Dir hintreten wie Du so in der Ecke sitzt, ganz versunken, schreibend, und Dein Köpfchen hochheben, und einen ganz, ganz lieben Kuß Dir schenken! Ich muß Dich ganz sehr liebhaben, so wie ich Dich auf diesem Bilde sehe! Ach, wenn ich nur erst all die Negative da hätte! Ich freue mich darauf, meinen Hubo in alle möglichen Stellungen zu sehen!

Ja, vom Freitag, den 4. April und von Montag, Dienstag, den 7.+ 8. April sind die lieben Boten, die heute in meine Hände gelangten. 2 dazwischen fehlen mir noch, vom Sonnabend und Sonntag – ich denke, daß Du mir auch an diesen Tagen geschrieben hast – sie werden schon noch kommen!

Herzlieb! Vom Frühling in Bulgarien schreibst Du mir in einem Deiner lieben Boten. In verschwenderischer Fülle zeigt er sich Euch – ich wollte, ich dürfte es alles miterleben, dieses fremdländische Blühen und Erwachen in der Natur! Ich glaube gerne, daß man in dieser Fülle kaum dankbar das einzelne achtet. Ich blicke immer täglich sehnend nach den Sträuchern und Wiesen – überall, wo ich das erste, zarte Grün und die Blumenwunder des Frühlings vermute – es geht recht langsam voran. Kälte und nasse Witterung verzögern das Werden. Dafür aber tun sich umso eifriger und emsiger die Vogelstimmchen kund. Ist das ein Jubilieren! Schon morgens in der Frühe, um 5 [Uhr] beginnen sie ihr Konzert, wie ich heute feststellte; denn um diese Stunde bin ich aufgestanden! Es war noch finster draußen, aber das macht unsern Sängern garnichts aus! Die bearbeiten ihre Instrumente auch im Dunkeln. In unsrer Zeitung ist ein hübsches Bild vom Erzgebirge (Drebach) bekannt durch seine Krokusanpflanzungen. Ich lege Dir's bei, damit Du Dich im Bilde mit am deutschen Frühling freuen magst. In so reichem Maße wachse bei uns in Oberfrohna diese Frühlingsboten nicht.

An dem Frühlingserwachen in Deiner Umgebung spürst Du die Erinnerung an die Heimat doppelt stark – sie ist am schönsten, die Heimat, unsre Heimat! Du sagst es, Geliebter! Und ich lese diese Worte mit heimlicher Freude – ich weiß einmal mehr, daß [D]u Deine Heimat nimmermehr vergessen kannst! Du!!! Geliebter! Und wenn wieder Frühling wird, dann bist Du bei mir! Ich weiß es! Du hast nun zwei liebe Kameraden gefunden, Herzlieb! Aus unserm lieben Sachsenlande sogar. Ich freue mich für Dich! Und ich bin neugierig auf ihr Bild. Du berichtest mir auch so lieb und ausführlich von der Kameradschaft, die unter Euch herrscht. Und ich bin nun, da ich das gelesen, um vieles ruhiger geworden in meinem Sorgen um Dich. Nicht nur um Dein leibliches Wohl sorge ich mich – auch um das seelische. Und ich kenne Dich in Deinem Wesen so genau, daß ich nun hierüber nicht mehr in Sorge zu sein brauche. Du stehst nicht allein. Einer hält den andern – die Kameradschaft umschließt Euch alle wie mit einem Ring. Das Letzte, Vertraulichste, Du bewahrst es mir, Deinem besten Kameraden; ich kann Dich auch verstehen, daß Du dieses alles keinem preisgeben konntest — ich bin in dieser Hinsicht genau wie Du. Und darum sind wir uns auch bei aller Ferne so ganz nahe, mein Lieb! Weil das Vertrauen und die Liebe uns aneinander ketten. Weil unser Anlehnungsbedürfnis nur einander gilt, keinem anderen Menschen sonst. Und darum muß ich Dir auch recht geben, mein Herzlieb, wenn Du sagst: unsre Liebe blüht weiter in aller Innigkeit und Tiefe, nicht wie ich einmal schrieb, wohl unter dem Druck der quälenden Wartezeit:, wir sollen still sein, hart, einmal wird auch unser Glück wieder aufblühen. – So habe ich es nicht gemeint, so kraß – aber zum Teil ist es schon wahr: unser Glück[,] unsre Liebe muß jetzt nur im Verborgenen blühen. Aber, Geliebter! Damit ist ja bewiesen, daß sie blüht! Weiter blüht – und nicht verblüht, welkt! Oh nein! Das wird sie niemals! Unsre Liebe lebt! Deine Liebe hält mich, Geliebter! Wie Dich meine Liebe hält, mit starkem Arm. Und, Herzlieb! Ich will mein Herz sprechen lassen, ich will zu Dir kommen mit Freud und Leid – auch mit meiner Sehnsucht will ich zu Dir kommen, will Dir mein ganzes Herz ausschütten! Du bittest mich darum! Du[,] mein Herzlieb! Du bist so gut und so lieb mit mir! Ich will ebenso lieb mit Dir sein, mein geliebter [Roland]! Wenn Du mir in Deinem lieben Boten so lieb sagst, wie gut Du mir bist, wie sehr Du mich lieb hast und wie Du mit allen Fasern Deines Herzens an mir hängst; dann – oh Du!! Dann möchte ich am liebsten gleich bei Dir sein! Dann wird mir so warm ums Herz! So wundersam! Dann ist die Sehnsucht nach Dir unnennbar groß! Geliebter! Dann möchte ich Dich beschenken, ach, mit den [sic] Schönsten, dem Besten, was ich nur für Dich habe. Du!!! Alles, alles hebe ich auf, tief in meines Herzens Grunde! Und wenn Du zu mir kommst, dann will ich all dieses Schenkenwollen hervorquellen lassen wie eine gestaute Flut! Ganz einhüllen will ich Dich in meine große Liebe! Du!! Du!! Mein geliebtes, gutes Mannerli!!

Du! Oh Du!!! Mein herzlieber [Roland]! 5 Briefe kommen eben jetzt zu mir, am Nachmittag! Sooo reich beglückst Du mich heute! Du mein Sonnenschein! Wie nur, wie soll ich Dir sagen, daß ich sooo, sooo froh und glücklich bin? Du!! Du!! Mein allerliebster [Roland]! Du mein Herzlieb!! Ich danke Dir soo sehr! Nun habe ich mich doch noch überfreut, weinen muß ich vor Glück über Deinen lieben Sonntagsbrief, mein Geliebter Du!! So lieb, so unendlich lieb tröstest Du mich, Du beantwortest mir einen Brief von mir, in dem so viel Traurigkeit zu lesen ist. Ach mein Sonnenschein, mein Glück bist Du!! Ich weiß es voll jubelnder Gewißheit! Du!! All mein Licht! Mein Leben!! Wie kann ich bei Dir noch traurig sein?! Und nun ist doch alle Wartezeit vorüber! Du reichst mir beide Hände soo lieb und soo fest!! Ach Du!! Mein Herzensschatz! Die Gedanken stürmen auf mich ein – die Feder kann ihnen kaum nachfolgen! Lauter Gedanken der Liebe und Sehnsucht und Dankbarkeit sind es! Ach, mein [Roland]! Ich möchte mich an Deine Brust flüchten mit all meinem Glück! Meine Wangen glühen! Ich bin soo erregt vor Glück! Du hast mir heute so unendlich viel Liebes getan und gesagt in Deinen Boten! Du!!! Du!!!!!

Ich küsse Dich sooo innig! So heiß! Geliebter!!!

Und nun will ich eilen, Deine Wünsche zu erfüllen; ich gehe heute noch zum Optiker Köhler (der arbeitet am saubersten)[,] bringe ihm die (Bilder hin), die Filme! Ach, ich bin doch soo neugierig, Herzallerliebster Du!! Die Negative machen meine Neugierde auf richtige Bilder nur noch schlimmer! Du!!

Wenn Du wüßtest, wie ich mir Dich herbeisehne!! In jedem Briefe möchte ich am liebsten Dein Bild mit sehen! Aber nun kann ich ja meine Sehnsucht stillen!

4 huklige Briefe = gleich 4 Filme!! So viel! Fein! Du!! Und ich will Deine Wünsche hierzu beachten: 2 Kameraden hast Du, jeder will doch nicht nur sich selbst im Bilde haben, sondern auch die ganzen anderen Bilder, nicht wahr? Also, lasse ich für K. und H. auch sämtliche Bilder nachmachen – ist's so recht?

Freilich, 'ne kostspielige Sache! Aber wenn sie Dir das vergüten, ist das etwas anderes! Für Dich, für uns, ist mir beim Fotografieren nichts zu teuer. Es sind unwiederbringliche Gelegenheiten – unvergängliche Andenken an eine große Zeit! An Pappi's Militärzeit! Wenn ich daran denke, daß diese Bilder auch einst unsre Buben und Mädel sehen werden!!! Du!!!

Darum!: Fein aufheben, da legen wir ein Extraalbum an! Du! Herzlieb! Jetzt will ich Dir aber schnell noch etwas von mir erzählen, ehe Mutsch heimkommt; in ¾ Stunden ist sie da. Dann habe ich nicht mehr so viel Muße. Ich muß noch Wege besorgen. Ach Du!! Wenn Du wüßtest, wie mir meine Glieder schmerzen! Ich bin das Ausarbeiten garnicht gewöhnt!

Es ist gerade, als wäre ich nach langem wieder mal in der Turnstunde gewesen: Muskelkater. Aber – es ist vergänglich, das gibt mir Trost. Mutsch geht es ja genau so, die Arme muß nun wieder 8 ½ Stunden in der gleichen Körperhaltung sitzen. Wir brauchen nur paar Tage hintereinander eine tiefe Nachtruhe, dann ist uns geholfen. Und dafür will ich auch ab heute sorgen. Gestern früh hängten wir unsre Wäsche hinaus – es war sehr windig, aber darum trocknete es auch gut. Vom Langen [sic: Greifen] tut uns sicher alles weh. Heute wollte ich nochmal einen Garten voll Wäsche trocknen, dann wären [w]ir fertig gewesen. Aber – als ich alle hängen hatte und oben in der Wohnung sauber machte, begann ein tolles Regenwetter. Und ich bin „ haste was kannste“ runter und habe alles ganz fix abgenommen. Ich denke nicht daran, die Wäsche auf dem Boden zu trocknen; darum: zurück in's Wasser, so muß sie stehen, bis die Sonne aufgeht. Das Sauwetter**entschuldige! geht nämlich nicht so fort, es ist abwechselnd einen Tag um den andern schön – so ists' seit Sonnabend. Morgen ist es gewiß schön. Ja, darum habe ich nun heute den freien Nachmittag! Und wer bekommt ihn! Bloß mein Hubo!! Selbstverständlich!! Heute bin ich wenigstens nicht ganz so zerschlagen wie gestern abend, als wir heraufkamen. Da konnte ich kaum essen vor Müdigkeit. Es macht auch: einen ganzen Tag an der Luft, Frühlingsluft strengt an. Legen tu ich die Wäsche jetzt noch nicht, dazu reicht die Kraft noch nicht. Aber Deine Taschentücher bekommst Du sobald wie möglich! Ich muß ja auch die Wohnung fertig machen zum Besuchempfangen [sic]!! Am Freitag kommt die liebe Mutter! Sonnabend kommt Vater dazu! Das wird ein Leben! Wünschte nur, mein Hubo könnte mit dabei sein! Du!!!!! Einen Wunsch habe ich nur an meinem Geburtstag: daß Dein Brief möchte pünktlich sein! Weiter will ich garnichts haben – garnichts weiter!

Ach, Du mein geliebter, guter [Roland]! Du mein Herzlieb!! Hast mir ja heute soooviel Sonnenschein gebracht! Der reicht ganz bestimmt bis zum 19. April! Wenn der Geburtstagsbrief doch nicht ankommen sollte, so bin ich doch auch voll Glück und Freude! Du!! Du!! Lieber! Guter!! Kannst Du spüren, wie ich glücklich bin? Wie so sehr ich Dich liebe? Du mein geliebtes Herz? Du!! Du!!

Ich bin unserm Herrgott so unendlich dankbar, daß er unsern Bund liebend bewachte alle Zeit daher. Und ich werde nicht müde, ihn zu bitten, er möge immerfort mit uns sein, mit uns[e]rer Liebe! Und mit meinem liebsten, teuersten Schatz auf Erden! Mit meinem [Roland]! Gott behüte Dich! Du mein Sonnenschein! Mein Glück! Ich bin Dein mit all meiner Liebe und Treue!

Ich bin Dein mit meiner ganzen Zärtlichkeit! Geliebter! Ich küsse Dich! Ich danke Dir für all Deine Liebe! Sie schlägt Dir heiß und treu entgegen auch von mir! Du!! Mein Herzlieb! Mein gutes, herzliebes Mannerli! Du!!!

Ewig Deine [Hilde]: Dein!!!

Viele herzliche Grüße von Mutsch und Papa! Er wird sich über die Überraschung freuen!! Du Räuchermannel!!

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946