Bitte warten...

[OBF-410418-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 18. April 1941

Mein liebes, teures Herz! Geliebte! Herzlieb mein!!!

Der ganze Schriftverkehr hier bei uns ist streng geschieden in einen geheimen und einen offenen. So möchte ich auch nun verfahren. Meine Mutter weilt bei Euch. Ich erhielt heute einen Brief von Hause [sic]. Wenn man von unsrer Mutter einen kriegt, dann weiß man über einen Zeitabschnitt gut Bescheid. So berichtet sie mir auch von Siegfrieds Beförderung und von ihrer Absicht, am Dienstag nach Oberfrohna zu fahren. Ich freue  mich sehr darüber. Sie schreibt: Da werden die 2 [Hildes] (die 2 Strohwitwen v.R. [sic]) im Jungfernstübchen schlafen. Du!! Herzlieb!!! Geh nur schnell und nimm allen lieben, vertrauten Dingen im „Jungfernstübchen" einen Eid ab, daß sie schweigsam sind, nichts ausplaudern.

Herzlieb! Dein Stübchen! Unser Stübchen!! Mußt nun noch immer darin hausen, Du!!! Herzlieb!! Ich denke an die klopfenden Herzen – Du!! Du!!! Du und der alte große Hubo auch – wie 2 Kinder auf verbotenen Wegen – ach, soviel Ängstlichkeit, entdeckt zu werden: Ängstlichkeit auch einander zu nahe zu kommen, Du!! Soviel Heimlichkeit und zum ersten Mal im Leben alle Weltenseligkeit, Du!!! Du!!!!! – Da denke ich eben, daß meine Warnung doch zu spät kommt. Nein, ich freue mich wirklich über Euren Besuch und wünsche Euch recht viele frohe Stunden. Hast doch nun die Mutter von Deinem Hubo bei Dir!

Also meine Korrespondenz, solange Mutter bei Euch ist, wird in einen offenen und geheimen Teil zerfallen; denn sonst wirst doch zu sehr bedrängt, davon zu berichten, was ich Dir schreibe.

Herzlieb! Nun habe ich doch ganz vergessen, von Deinen lieben Boten zu sprechen: 3 kamen heute zu mir! 3, Herzlieb!! Du!! Mein liebes, teures Weib!!! Wie soll ich ich Dir danken, ach, wie Dir alle Liebe erwidern und Dir meine Gegenliebe bezeigen? Du!! Du!!!! Ich kann es erst recht wieder, wenn ich ganz bei Dir sein darf. Du!!! Herzlieb!! Ganz bei Dir! Ganz ganz nahe – ganz mein Du! – ganz Dein ich!!!!!!!!!!!!!

Ein Bummelant, der von Montag, darunter. Nun weiß ich doch alles, Du!! Ach, Herzlieb!! Sorgst Dich so lieb um mich! Wirst nun Gewißheit haben, daß dein [Roland] sicher im Frieden sitzt des bulgarischen Gastlandes, immer noch. Wir werden Ostern noch einmal feiern. Geliebte! Ein Teil des Kriegsbrandes ist heute ausgetreten – um 12 Uhr hat Jugoslawien kapituliert. Vor 14 Tagen noch ein intaktes, geordnetes Staatswesen – heute aufgelöst, ein Wrack, zerspalten, Trümmer und Herzeleid – um nichts und wieder nichts – ein dummes Volk. Bald wird Griechenland folgen.

Mein Herzlieb hat schon wieder auf Post warten müssen – wie der Hubo. Nun wird alles wieder gut sein. Dein Hubo schreibt so fleißig er kann. Dein nächster Bote wird mir vom Geburtstag berichten. Fein, daß unsre beiden Mütter ihn zusammen feiern konnten. Unsre Mütter, Herzlieb!! Wir ihre Erstgeborenen. So wundersam zu denken, daß sie uns mit all ihrer bangen, zitternden Hoffnung unter ihrem Herzen trugen einmal! Und nicht immer frohen Herzens und im Schutze und in der gesicherten Heimlichkeit des Bundes für das ganze Leben!

Herzlieb! Du!! Unser Kindlein?! Es wird ihm besser sein, ja? Du!!!!! Ganz froh und sicher, lieb und warm umhegt wirst Du es tragen – Du!!! Mein Weib!!!!! In Deinem lieben Schoß – unter Deinem lieben, lieben Herzlein (Du! Da möcht doch Dein Hubo gleich selber noch einmal ruhen)!!!!! Und Dein [Roland] wird dir tragen helfen, Du!! Mußt ihn mittragen lassen!! Wird mit Dir, Gott bittend und vertrauend, froh und glücklich warten und hoffen – Du!!! Du!!!!!!!!

Karfreitag ist nun hier heute. Ich bin vorhin eben von einem kurzen Gang mit dem Kameraden S. (Frisör) aus der Stadt zurück – es regnet, tüchtig, regnet Blasen, es hat auch schon gedonnert heute. In der Stadt wie immer um diese Zeit reges Leben. Die Menschen, zum Teil schon festtäglich gekleidet, gingen zur Kirche. An den Kirchen in Reihen Zigeunerfrauen in rotem Rock, schwarze Tücher umgehängt. Sie verkaufen Tulpen, Narzissen, Maiglöckchen – ein farbenprächtiges Bild. Auf den Gesichtern der Menschen schon Festfreude und eifriges Rüsten – richtig, daß man ein bissel davon angesteckt werden könnte, daß man ein wenig Sehnsucht und Heimweh bekommen könnte – eine Verabredung mit meinem Herzlieb für das Fest – ganz heimlich – Du!! Du!!! Ich beobachte die Menschen darauf wieder und wieder: es scheint mir viel Ernst und echtes, gutes Wesen und Empfinden unter diesen Menschen, obgleich sie Großstädter sind.

Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, so als Soldat, auffällig uniformiert, durch die Menschen des fremden Volkes zu gehen. Nur das viele Gegrüße ist lästig!

Weiß nicht, ob mein Herzlieb schon unser Ziel aufgefaßt hat. Es ist eine Hafenstadt, eine bedeutsame in Griechenland, Du erwähnst sie in Deinem letzten Boten: S. [sic] Wir sollen möglichst bald dahin, aber es fehlt an Kraftwagen, und es wird voraussichtlich Mitte nächster Woche werden.

Herzlieb! Neuigkeiten weiß ich nun heute nicht mehr. Habe nun eben Deine lieben Boten noch einmal ganz für mich gelesen, Du!! Wo niemand zusieht, wie die Sonne über mein Gesicht zieht, die Sonne unsres Glückes, Herzlieb!!! Du!! Du!!! Des großen Glückes, das Du Liebe mir bereitest!!

Mein Herzlieb hält mich sooo fest! Es ist so ganz bei mir mit seinen Gedanken, seinen Wünschen, seiner Sehnsucht und seinem Wollen. Es schließt mich ein in sein Gebet! Du!!! Du!!!!! Geliebte!! Wie reich, soo reich ist Dein [Roland]!! Wie zeichnest Du ihn aus, beglückst und beschenkst ihn über alle Ferne!! Wie stellst Du Dich so tapfer und lieb und reif an seine Seite, mein liebster, bester Kamerad, Du!! Mein Lebensgefährte!!!

Herzlieb! Wie groß und lieb und schön stehst Du vor mir!! Wie steht Dein Bild in meinem Herzen!! Geliebte, Du!!! Mein Ein und Alles! Du!!! Ganz fest habe ich Dich in mein Herz geschlossen. Du!!! So lieb und geborgen sollst Du darin wohnen wie ich in dem Deinen!! Heimat möchte ich Dir sein, so wie Du mir es bist! Herzlieb!!!

Gott behüte Dich mir!!! Er sei mit Dir auf allen Wegen! Er schenke Dir Kraft und Geduld! Er schenke Deinen innigen Wünschen und Hoffnungen – es sind auch die meinen – reichste Erfüllung!

Geburtstagskind bist du morgen!! Herzlieb!!! Ach könnte ich bei Dir sein!! Geburtstagskind darf einen Wunsch tun, einen möglichen! Wie er wohl hieße, Du!, wenn ich bei Dir wäre? – Du! Du!!! Ich glaube, er gliche – er entspräche – dem Deines Mannerli: Herzlieb! Ich möchte ganz bei Dir sein!! Und wie würde wohl mein Herzlieb sagen – mit seinen Augen sagen?!!! Du!! Du!!! Herzlieb, diese Worte umschließen alle Seligkeit, all unsre Liebe, all unser Einssein: „Komm zu mir!" Geliebte! Du wartest auf mich – ich höre Dich – ich bleibe Dir – ich kehre Dir heim! Ich komme zu Dir!!!!! Walte es Gott, daß es nicht mehr so lange währen möge.

Du!!! Ich liebe Dich herzinniglich – ich gehöre zu Dir –

ich gehöre Dir ganz, immer und ewig!!

Dein [Roland] – meine [Hilde]

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946