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[OBF-410424-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 24. April 1941.

Herzallerliebster mein! Mein geliebtes, teures Herz! Mein [Roland]!

½ 3 Uhr vorbei zeigt die Uhr, wir zwei [Hilde]n sitzen beisammen im warmen Stübchen. Eine näht – eine schreibt. Welche wird denn nun von beiden schreiben?

Ach Herzlieb, Du!! Ich möchte doch gleich einmal bei Dir sein! Möchte Dich bei mir haben! Du!! Soo viel Sehnsucht habe ich heute nach Dir!! Wie schön, wie traulich waren die Mittagsstündchen zu zweien, ja? Ach Du!! Es kommt gewiß recht bald wieder der Tag, da all unser junges Glück wieder ganz vollkommen ist! Ohne Wünsche, ohne Sehnsüchte, wie jetzt; es wird die Zeit kommen, da wir so ganz wunschlos glücklich miteinander sind! Du!! Ich bete, daß Du mir gesund wiederkehrst; oh, so innig bitte ich unsern Herrgott um dieses! Seit ich nun noch diese frohe Botschaft von Dir hörte, die in mir einen hellen Schein der Hoffnung läßt, Du!! Seitdem bin ich so fest zuversichtlich auf ein gutes Ende!

Wie könnte Gottes Güte uns auch anders beschenken? Du!! Weil Dich nur die Heimat nicht vergißt! Das macht mich soo froh! Obwohl das ganz selbstverständlich ist! Herzlieb!!

Aber man hat vom Vater Staat halt schon genug Undankbarkeit gesehen und geerntet, daß einen solche Nachricht doppelt freudig erregt. Du siehst also wieder einmal: es gibt schon noch Menschen an leitenden Stellen, die ihren Maßstab an Leistung und Können legen – die nicht nur nach einem politischen Zeugnis sehen, wie es heutzutage vorwiegend getan wird.

Die Herren spüren nämlich zum Teil auch schon jetzt die schlechte Ernte ihrer Saat!! Ich will hier nicht beginnen aufzuzählen — doch es ist Tatsache. Und daß Herr T. Dich recht erkannt hat in der Zeit Deines Wirkens in Schmilka, das freut mich besonders; denn sonst würde er sich nicht für Dich einsetzen. Ich glaube nicht, daß sein Handeln allein der Erkenntnis entsprang, daß ihr Lehrer rar seid – oh nein – hat man sich schon so lange eingeschränkt, nun schon 2 Jahre sind es, wenn auch nicht allesamt eingezogen waren seit Kriegsbeginn – so schränkt man sich auch noch länger ein! Glaube nur! Außer denn, die gesamte Elternschaft spricht mal ein Machtwort. Und das tut sie in Wirklichkeit auch schon längst, es dringt nur noch nicht vor bis zu der Stelle, da man Abhilfe schaffen könnte. Dieser böse Krieg nagt eben an allen Enden wie ein zerstörendes Element.

Die Nachrichten bringen heute, daß sich das deutsche Heer Athen nähert – ich denke, es hat am längsten gedauert da unten. Aber nun richtet sich unser aller Augenmerk gegen den deutschen Osten! Du wirst von alledem nichts wissen. Es ist auch besser so, wenn man nicht alles weiß. Es kommen nur neue Sorgen dazu. Ach, soll uns denn garnichts erspart bleiben? Das Schicksal rollt unaufhaltsam seinen Weg.

Gestern im Kino sahen wir die neueste Wochenschau. Sehr interessant war sie! Vom Balkan handelte sie ausschließlich fast. Der V[or]marsch Deutscher in Griechenland – Einmarsch in Saloniki! Und ich habe gespannt und geguckt! Kein Hubo war da! Na, da muß ich später nochmal nachsehen, ja?

Die Einnahme von Bengasi unter der Führung Rommels; ach, überhaupt das ganze Treiben unsres Afrikachors zeigte man. Dieser Sand!!! Die Panzer durchqueren die Wüste wie ein teuflisches Ungeheuer – die verstaubten, armen Soldaten! Uns hat das alle 3 so beeindruckt, wir konnten garnicht schlafen. Und erst die Geländeschwierigkeiten in Griechenland! Man muß bewundernd zu den Soldaten aufblicken!

Der Film an sich war recht unterhaltsam. Deutlich spiegelte er die Wesensverschiedenheit der Menschen. Bremen – Wien! Es war eine konfliktreiche Liebesgeschichte. Ein Sohn angesehener Eltern (Konsul, der Vater – Kapitän der Großvater) aus Bremen, der wenig Lust hatte, die väterliche Werft zu übernehmen, verläßt kurzerhand die Heimat, um in Wien seiner musikalischen Neigung nachzugehen. Er gelangt nach 3 jähriger harter Arbeit zu Ruhm und Ansehen, verliebt sich in die Tochter eines Wiener Weinbauern, der nebenbei ein Lokal besitzt und verlobt sich, heiratet, ohne seiner Eltern Wissen – sie haben auch ein Söhnchen! Nachdem er seine musikalischen Studien abgeschlossen hat, reist er heim, um seinen Eltern seine Frau vorzustellen und so ein gutes, harmonisches Zusammenleben beider Familien zu vermitteln. Doch dabei stößt er auf harten Widerstand und Mißverstehen. Der Standesunterschied scheint nicht überbrückbar zu sein — nach vielen Konflikten, die uns deutlich die Wirklichkeit des Lebens widerspiegeln nimmt doch noch alles ein gutes Ende. Helfend ist dabei zugegen das goldene Wiener Herz, daß endlich auch die kalte Zurückhaltung des norddeutschen Menschen bezwingt. Wir haben uns alle 3 wirklich gut amüsiert.

Mein liebes Mannerli! Du bist nun gewiß längst schon in S. [sic], wenn Euer Transport noch in der Osterfeiertagswoche abging. Die Post bleibt aus, daran merke ich es! Ich sorge mich aber nicht, Herzlieb! Ich weiß ja, es geht alles seinen planmäßigen Gang. Ich sorge mich nur, wenn ich daran denke, daß Du nun in Feindesland bist, mein Lieb! Ich bitte Dich! Sei ganz vorsichtig! Sei argwöhnisch! Nicht so gutgläubig, wie Du sonst immer bist! Die Fremde steckt voller Tücken!

Geliebter! Welcher namenlose Schmerz, wenn Dir etwas zustieße, durch eigene Unvorsichtigkeit!! Denk' an mich! Denk' an die lieben Eltern! An unsere Zukunft, Du!! Mein [Roland]! Bitte, gehe niemals ganz allein aus!! Nimm Deine Kameraden mit! Wenigstens einen!

Man weiß nie, was einem zustoßen kann – dann liegt man irgendwo hilflos allein! Du!! Geliebter!! Ich bitte Dich bei unsrer Liebe: höre auf mich! Versprich mir das! Mein [Roland]!! Du! Mein Leben!!

Es liegt nun alle Gefahr der beschwerlichen Reise dahin erst einmal hinter Dir. Gott hat Dich gütig beschützt! Er möge segnend auf Dich blicken, alle Tage, immer, solange Du an meiner Seite gehst! Geliebter!! Du mein Sonnenschein!!

Ich mag Dich doch nimmermehr lassen! Geliebter! Du gehörst ja zu mir, wie mein Herzschlag! Ohne Dich — ich möchte nicht mehr leben! Geliebter!! Du kennst Deine [Hilde], ihre Schwermut – oh ich, ich würde wieder zurückverfallen – nein, nein! Nicht so denken!

Ich weiß so genau, daß ich ohne Dich nicht mehr weiterleben würde, aber so gewiß weiß ich auch, daß ich mit Dir weiterleben will mit Gottes Hilfe! Ich liebe Dich mehr als mein Leben! Du bist mein Ein mein Alles! Gott weiß es, Gott sieht es – er sei uns gnädig, er führe uns bald, bald für immer wie[de]r zusammen. Aber ich möchte so inbrünstig gerne auf seiner Erde noch viele Jahre mit meinem Herzlieb leben! Der Himmel, sein Himmel, er soll uns viel später erst zusammen aufnehmen. Du!! So voller Wünsche solch schwaches Menschenherz – Gott aber weiß allein, was uns frommt – er ist unser gütiger Vater.

Geliebter!! Eine große, große Freude: Wir sind seine Kinder, wir dürfen in seiner Huld leben. Ich bin so zufrieden und getrost darum. Sei es mit mir, Geliebter! Gott behüte Dich! Er erhalte Dich froh und gesund!

Ich liebe, liebe Dich! In Treue allezeit ganz

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946