Bitte warten...

[OBF-410425-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 25. April 1941

Mein liebes, teures Herz! Geliebte!! Meine [Hilde]!!!

Es dünkt mir noch kaum einen Tag, daß ich eben hier auf der Bank saß und mit Dir plauderte. Sie enteilen unversehens und reihen sich zu Wochen. Was treibst Du wohl eben? Soviel ich weiß, ist Mutter noch da zu Besuch. Wenn es bei Euch so schön ist wie hier, dann könntet Ihr jeden Tag einen feinen Bummel machen. Richtig heiß hat die Sonne heute wieder geschienen und beim Sport sind Arme und Rücken verbrannt. 56 Mann sind wir noch hier. Man weiß nichts Rechtes mit uns anzufangen. Der Leutnant spielt gern Fußball, und so geht es dann täglich 2 Stunden hinaus auf den Sportplatz, ein prächtiger Rasen. Ich spiele höchstes einen Tag um den anderen mit, sonst wird es mir zu viel. So waren wir heute eine kleine Gruppe, die einen ganz gemütlichen Faustball gespielt hat. Ach weißt, es könnte jetzt anfangen, uns zu gefallen – aber daß die Post nun anders läuft, ist doch bös. Es heißt heute, daß wir Mitte nächster Woche abrücken werden. Warten wir ab.

Sonst kann man also sagen, daß es uns gut geht. Die Vorgesetzten, – es wäre über sie mancherlei zu erzählen – sorgen dafür, daß es uns nicht zu wohl wird. Fast täglich ist Musterung, mußt heute das Arbeitszeug, morgen das Blauzeug vorweisen, fein sauber, Namen drin – Gelegenheit immer ein wenig zu schikanieren. Der Soldat reagiert darauf mit Schimpfen, und dann macht er, was verlangt wird. Von mancherlei Kleinigkeiten hängt auch das Schwanken des Barometers der allgemeinen Stimmung ab: Wetter, Dienst, Verpflegung, Vermögen in Lewa  u. dergl.. Wenn dieses Barometer seinen Tiefstand erreicht, dann macht sich wohl bei vielen der Seufzer Luft, es möchte dieser Krieg bald ein Ende nehmen, wir möchten doch bald befördert werden – in die Heimat nämlich. Meine beiden Kameraden verhalten sich da verschieden. K. unterliegt sehr rasch einer Stimmung, wird leicht mißmutig und lamentiert. Er hatte jetzt mal ähnlich wie ich so Rückenschmerzen, die sich dann nach dem Magen zogen. Er ist also ein wenig launisch. Er erzählte auch, daß er sich im Urlaub mit seiner Frau gezankt hat, d. h er hat sie eifersüchtig gemacht – nicht arg, aber doch. Es ist eine reizende Frau, dazu zwei allerliebste Kinder.

Kamerad H. ist anders. Er macht sich Luft durch allerlei trockene Bemerkungen, die er mit einem Grienen und Schmunzeln herausbringt.

Und der Hubo? Er hört meist zu – sein Seufzer vor den andern verbirgt sich meist hinter ein paar gut formulierten Einsichten. Nein, ich mag nicht seufzen – es wird nicht leichter dadurch. Aber es ist gut, daß es die andern tun, es tröstet.

Dein [Roland] ist ganz ruhig und zuversichtlich. Immer wieder bricht das Licht durch die Trübnis, immer wieder wird uns ein Trost. Und einmal wird der Tag kommen, von dem aus wir das Ende sehen aller Kriegsnot, von dem aus wir den Tag des Wiedersehens erkennen. Geliebte, die Hoffnung nicht verlieren! Solange noch Sterne am Himmel scheinen[,] waltet Gott über dieser Erde. Er bedenkt uns nach unseren Kräften. Bei ihm sind Gnade und Güte und Liebe ohne Ende.

Herzlieb! Ich hoffe, daß Du wenigstens ganz regelmäßig meine Boten empfängst. Die Deinen aber warten meiner so lieb schon am neuen Orte, sie werden mir wieder viel Kraft und Freude schenken.

Behüte Dich Gott! Geliebte!! Möchte er auch Dir allzeit frohen Mut und reichen Trost spenden. Herzlieb! Alle, alle müssen warten. Wir dürfen so froh und glücklich aufeinander warten, weil wir uns so lieb haben, weil dann uns[e]res Lebens Hochzeit anheben soll. Geliebte! Als unser Kostbarstes, wie unser Leben selbst hüten und hegen wir unser Glück – Du daheim, mein liebes, treues Weib – ich hier in der Fremde!! Herzlieb! Du mein Leben!! Mein Ein und Alles!! Dir ganz allen gehöre ich allezeit – Dein [Roland] bin ich ganz –

Mein Herzlieb! Meine Heimat, an der ich hänge mit allen Fasern meines Herzens – keinen anderen Gedanken habe ich als denn [sic], [zu] Dir zurückzukehren. Du!!! Du!!! Du!!!!!

Dein [Roland].

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946