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[OBF-410427-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 27. April 1941

Mein liebes, teures Herz! Herzlieb!! Geliebte mein!!!

Wenn ich nun auch vor Mittwoch oder Donnerstag das Geschriebene nicht aufgeben kann, so will ich doch versuchen, täglich mit Dir ein Stündchen zu plaudern. Und wenn ich nicht schreiben kann, plaudern werde ich gewiß mit meinem Herzlieb – ach, alles mit seinen Augen schauen, mit seinen Sinnen erleben, in seinem Sinn handeln. Herzlieb, ich kann ja nicht mehr anders – und Du auch nicht – weil wir uns so lieb haben!

Sonntag ist. Der letzte hier in Plovdiv. Ein herrlicher, warmer, sommerlicher Tag. Vor Sonnenaufgang gab es ein Gewitter mit Regen – und nun ist der ganze Tag neuwaschen [sic]. Heute wollten wir eigentlich noch einmal an Land gehen und Abschied nehmen – aber K. ist heute mit einem Unteroffizier in die Berge gefahren, d.h. bis an den Berg heran und dann hinaufgestiegen. Diese Tour wurde am Sonnabendmorgen verabredet und der Hubo wollte eigentlich mit von der Partie sein. Als aber bekannt wurde, daß wir abreisen, habe ich abgewinkt. Und nun hat der Hubo zum Schluß auch noch einmal Wache zu stehen – ist er eingesperrt und darf gar nicht mehr hinaus. Er trauert nicht darum. Die Lewas sind auch alle bis auf 14. Kamerad H. bringt mir dafür ein Stück Seife mit für meinen eigenen Gebrauch. Er muß nun für uns alle Abschied nehmen.

Mein Seesack ist schon gepackt, prall gefüllt, gerade, daß ich alles unterbringe. Im Koffer ist schon alles gelegt, daß das Wichtigste sofort zur Hand ist. Er ist mein treuer Begleiter, einfach unentbehrlich. Mein Gepäck hat sich um einiges vermehrt: Moskitonetz, Hängematte; um ein ganz liebes Packl: Deine Boten und ein Paket Seife. Die letzten beiden werde ich bei Gelegenheit heimschicken, sonst bringts der Hubo nimmer fort.

Mein Herzlieb wird wieder Wunschkonzert hören? Ach weißt, wenn es so schön ist, dann nutzen wir den Tag und gehen ins Freie. Wer weiß, ob das dann möglich ist, wenn wir hier Sommer haben; es wird heiß heiß [sic] sein dann. Aber bei den 8 Uhr-Nachrichten und der Zeitungsschau denke ich immer an mein Herzlieb!

Heute brachte der Rundfunk wieder viel gute Nachrichten. Korinth, Stadt und Kanal, in deutscher Hand, von Fallschirmtruppen besetzt – die sind bei uns aufgestiegen. Athen, die Hauptstadt in unserem Besitz – es geht dem Ende zu in Griechenland. Die Spannung hier ist gewichen, bald wird die Stadt abends wieder von Lichtern erhellt sein wie zu unsrer Ankunft.

Ach, ich was gäbe ich darum, wenn ich jetzt mal einen Blick nach Haus tun könnte! Die [Nordhoff]mutter, womöglich auch der "Vater["] werden da sein, mit den lieben Eltern in trauter Runde, und dazwischen mein Herzlieb, beider Eltern Schützling jetzt, mein Herzlieb nicht allein!! In seinem Herzen ist der [Roland] mit anwesend, ist ganz feste darin eingeschlossen – nicht minder lieb und fest als später unser Kindlein unter dem Herzen! Ach Geliebte!! Da[s] Herzlein, mein Herzlein!!! Es schlägt mir lieb und treu! Des bin ich so froh!!!

Heute abend zwischen 8 und 10 Uhr und heut nacht zwischen 2 und 4 Uhr muß der Hubo noch aufziehen. Nach den Sternen wird er wieder schauen, dorthin, wo sie versinken. Bald werden wir uns ein paar neue suchen müssen. Der Sirius und Orion sind jetzt gar schnell hinunter. Und dann ziehen so viele auf, die wir gar nicht recht kennen, auch der Hubo nicht, die wir aber mal zusammen kennenlernen wollen, ja? Du!! Bleibt eigentlich bloß der große Bär oder Wagen. Du! Als ich von Barkelsby früh loswanderte, da schaute ich auch aus nach den Sternen. Viel [sic] waren nicht zu sehen; aber genau über mir funkelte der große Wagen und da dachte ich, daß es wohl eine große Reise geben könnte. Na, wenn er nun wieder mal recht funkelt, dann mag es wieder eine große Reise bedeuten: Heim zu meinem Herzlieb! Gott walte es, daß es nicht mehr so lange währt!

Ach Herzlieb! Nun bist ja auch Du mit diesem Orte hier verbunden. Hast so viel liebe Gedanken und Wünsche, so viel Sehnsucht hierher geschickt – und Dein [Roland] hat hier Ruhe und Muße gefunden, Dein zu denken, ganz lieb auch, Du!!! Und so nehmen wir beide Abschied mit Dank zu Gott im Herzen – eine Station wieder hinter uns – vertrauensvoll legen wir unser Schicksal auch fernerhin in Gottes Hände. Unsre Herzen aber werden sich wiederfinden, unsre Hände sich ganz lieb wiederfassen – wie immer, wie für unser ganzes Leben! Ich bin Dein – Du bist mein!! So schlagen es uns[e]re Herzen! Ich küsse Dich ganz lieb! Du!!!!!! Ich habe Dich sooo lieb!! Du!!!!!

Dein [Roland] – meine [Hilde]!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946