Bitte warten...

[OBF-410428-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 28. April 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Du!! Herzallerliebster! Mein lieber, guter [Roland]!

Gestern hatte ich aufgehört, weil man nach mir rief und es wäre auch nicht mehr dazu gekommen, daß ich noch länger mit Dir plaudern konnte, nach dem Kaffee. Besuch kam: erst eine Frau B., eine befreundete Dame meiner Eltern, sie wohnt am Bahnhof bei Herrn T. im Hause. Und nach einer Weile gesellten sich Frau G. und Gertrud dazu. Sie hatten ihren Vati an den Zug gebracht, der kommt erst nochmal nach Chemnitz, dann irgendwohin, mit seiner Kompanie. Bis 10 Uhr hatten wir Besuch, dann aßen wir noch Abendbrot und sind erst um 11 [Uhr] ins Bett. Du!! Wie und wo wird denn mein Herzlieb seinen Sonntag gefeiert haben? Du!! Ich habe so lieb und so oft Dein gedacht gestern! Mein Herzensschatz, Du! Ich wollte heute noch etwas dazu sagen, was Du in einem Deiner lieben Briefe anschneidest.

Wenn Du so sitzt irgendwo und betrachtest Dir das Kommen und Gehen der vielen, höher gestellten Uniformierten, dann regt sich manches in Dir. Herzlieb! Wie Du mir das sagst, ich kann Dich sehr wohl begreifen und verstehen – mir ginge es sicherlich selber so, wenn ich Soldat wäre – ehrgeizige Menschen sind nicht nur zufrieden, wenn sie sehen: du meisterst deine gestellte Aufgabe – sie wollen auch einen gewissen Erfolg sehen darin, einen tatsächlichen Erfolg ihrer Leistung. Und gerade beim Militär muß es Freude machen, das Emporklimmen auf der Leiter des besonderen Verdienstes. Gewiß, ich erkenne all das an, und hier regt sich nur zu verständlich der Wunsch eines Mannes, der vorwärts strebt. Ich würde mich gewiß auch von Herzen freuen können mit Dir, an Deinen Erfolgen – aber – aber, Herzlieb!

Ich weiß auch, daß ich Dich dann verlieren würde, verlieren jetzt nicht genau wörtlich genommen! Du verstehst mich schon! Ich hätte Dich nicht mehr so ganz wie jetzt – Du müßtest Deine Kräfte teilen, Deine Interessen – überhaupt, Dein ganzes Wesen würde sich dadurch wandeln. Weil man so einer Sache ganz gehören muß, zumindest mit viel Hingabe und Liebe.

Es ist das Los einer liebenden Frau, selbstlos zu sein, selbstlos bis ins Letzte auch hierin – ich würde es auch ertragen, aus Liebe zu Dir, gewiß. Aber Herzlieb! So sonnenhell und ungetrübt, so voll seligem Glück und völligem Einssein wäre mir dann das Leben an Deiner Seite nicht mehr – weil ich Dir in diese Welt nicht so gerne und nicht so aufgeschlossen folgen könnte, wie in jene, die Du verlassen mußtest für die Dauer dieses Krieges. Sieh, in dieser, unsrer Welt liegt doch unsre ganze Zukunft beschlossen, von ihr träumten wir von Anfang an unsres Glückes, in ihr leben wir innerlich, eng verbunden, gemeinsam weiter! In dieser Welt soll sich fortsetzen, was wir begonnen!

Du! Geliebter! Du bist nicht für die andere Welt geschaffen – ich kann es nicht glauben, dazu bist Du viel zu tief veranlagt. Wenn Du schon anfangs Genüge an ihr fändest, glaub mir: einmal käme die Nüchternheit und die Leere. So sehr ich das Soldatentum schätze und einen jeden Meister auf diesem Gebiet bewundere – ich lehne das alles innerlich doch ab. Ich weiß nicht, warum. Es birgt eine ewige Unl Unruhe in sich, es ist mir so unbehaglich zumute, wenn ich Dich immer in diesem kriegerischenm Aufzuge mir vorstelle – ich könnte nie ganz getrost und ruhig an unsre gemeinsame Zukunft denken. Und wo wir ja soo viel vorhaben im Leben, wir zwei!! Du!! Du!! Wenn ich an unsre allergrößte Aufgabe denke, Geliebter! Du könntest Dich unserer eigenen Sache nicht mit aller Hingabe widmen, wenn Du dauernd von andrer Stelle aus gebunden wärest. Ausbildung, Kursus, dies und jenes – ach, man kennt das ja zur Genüge!

Ach nein! Nein! Nein! Geliebter!! Es wäre für uns beide keine Freude! So will ich mit Dir einstimmen! Einmütig, das Neue abzulehnen, was sich da vordrängen wollte.

Eben war mein Herzlieb dabei einen Hafen anzulaufen und nun sollte er schon wieder ausfahren in ein ruheloses Leben und Abenteuer? Nur, damit er Offizier wird, oder sonst etwas? Ach nein, Geliebter! Du sagst es ja nun selber: Lieber wirst Du Hauptmann und Leutenant [sic] bei mir!! Ich bin soo von Herzen fröhlich, wenn ich Deine frische, frohe [M]einung höre! Und ich bin wirklich ganz sehr befreit von einer großen Sorge, daß solches nicht Dein Wunsch ist, Herzlieb, Du!! „Schuster, bleib' bei deinen Leisten“, möchte man hier sagen. Du!! Mein [Roland]! Es würde mir um Deinen Verlust in Deinem Berufe leid tun!, denke doch nur einmal an die Zukunft unser Kinder, unsrer Jugend in Deutschland! Wie wir uns die Erzieher für unsre eigenen Kinder wünschen, so müssen wir sie uns auch wünschen, auf das Ganze gesehen.

Du müßtest hier und dort Opfer bringen – was Du aber hier bringst in Deiner Welt, die Dir vertraut ist, bis ins Letzte, das ist viel größer und wertvoller und schöner! Denn, was in die Jugend gepflanzt wird, bringt erst später seine Früchte. Und wie diese Früchte dann ausfallen, daran liegt einzig und allein wie Du [sic], als einer der Hüter unsres größten Volksgutes, unsrer Kinder, die Saat gehegt hast. Im eigentlichen Grundstoff ändert später kein noch so strenger und militärischer Schliff etwas. Das siehst Du doch auch im Moment selbst am besten.

Mein [Roland]! Komm zurück! Ich warte auf Dich! Wir wollen mit Gottes Hilfe an unserm großen, herrlichen Lebenswerk weiterbauen! Es soll uns mit Freude und Stolz erfüllen! Du!! Du!! So schön wird es werden!! Du sagst es selbst: Wenn es geht, alle Kräfte erhalten für unsere Aufgaben – das hast Du Dir vorgenommen. Und wenn was an Kräften noch zur Entfaltung drängt, zur Gestaltung, das soll den begonnenen Aufgaben zugutekommen, und unserem Kindlein, Du – und mir! Mir! Wie so lieb Du mir das versicherst, Geliebter!! Es täte mir soo leid um Dich, wenn ein Beruf, auf den Deine Wahl fiel, all Deine Kräfte verzehren würde; und das tun alle Spitzenberufe, alle hohen Stellungen. Der Mann wird zum Sklave seines Berufs, so soll es nicht sein. So findest Du auf die Dauer auch keine Befriedigung, das ganze Leben wird beschattet dadurch. Und noch bitterer ist es, wenn solch Geplagter ein Weib und Familie sein Eigen n[en]nt; ich kann mir denken, daß dadurch ein Ehe in Gefahr gerät. Ein Teil muß zurückstehen, entweder der Beruf, oder die Familie.

Ach, Herzlieb! Wie glücklich sehe ich Dich vor mir, wenn Du schreibst: ich gewann ein liebes Weib und damit noch einmal die Gelegenheit im Leben etwas Ganzes zu vollbringen, wir denken beide an etwas Bestimmtes!! Du!! Bist wahrhaft glücklich, daß Dir außerhalb Deines Berufes noch Stunden und Tage bleiben, die Du einem schönen, gepflegten und stilvolleren Leben mit Deiner [Hilde] widmen kannst! Du!! Oh Du!! Womit kannst Du mich mehr beglücken, als mit den Worten Deiner tiefen, echten Freude auf unser gemeinsames Lebensglück! Mein Herzlieb! Du all mein Leben! Mein Sonnenschein!

Oh Du! Du bist mein lieber, großer, allerbester Hubo noch!! Und ich bin Deine [Hilde]! Dir lieb und treu ergeben, wie es immer war! Herzlieb! Herzlieb! Daß Du Dich mir verschreiben willst, mit allem, was Du bist und was Du hast, Du!! Du!!! Das ist mir das köstlichste, wahrste Bekenntnis Deiner treuen Liebe! Dein ganzer Ehrgeiz ist es, nur mein zu sein, nur ganz unserer Liebe und unserm Glück zu leben! Du! Du!!! Was täte ich lieber, als das? Der Herrgott aber schenkte uns seinen Segen zu unserem Wollen! Er behüte Dich mir! Meinen Schatz auf Erden!!! Mein Leben!!!

Ich bin in Ewigkeit Dein! Ganz Deine [Hilde]. Du!!!!!!!!!!!!!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946