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[OBF-410429-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 29. April 1941.

Mein liebes, treues Herz! Du mein lieber, liebster [Roland]! Herzallerliebster!

Du!! Heute endlich scheint wieder einmal die liebe Sonne. Wir haben uns richtig nach ihr gesehnt in diesen Tagen. Eben sind Mutter und ich fertig mit unserer Hausarbeit: wir waschen auch zusammen auf! Mutter sitzt jetzt an der Nähmaschine, sie will gerne fertig werden mit ihrer neuen Garderobe. Du!! Fein macht sie sich, solltest sie nur mal sehen! Vater schreibt [a]uch immer in seinen Briefen: „macht alles recht schön, damit ich paar Jahre Staat machen kann mit Mutter!“

Ach Du! Hast ja nun was angerichtet mit Deinem letzten Brief, in dem du sagst, daß deine Korrespondenz nun in einen geheimen und einen offenen Teil zerfallen soll, solange Mutter bei Euch uns ist! Das habe ich natürlich auch mit vorgelesen! Nun war sie aber wild! „So, wir sind also die neugierigen Ziegen?“ meinte Mutter, ach, wie haben wir doch gelacht! Und unsre Mutsch meinte: „nein, woran der alte Hubo auch alles denkt, damit seinem Frauchen ja nicht Unrecht geschieht!“ Es war alles im Spaße, natürlich!

Herzlieb! Und nun setzten sich die Mütter um mich, um den offenen Teil des Briefes zu vernehmen! Und Du hattest doch gerade sehr wenig Offenes geschrieben, mein Lieb! Nur für mich! Viel Süßes, Liebes, Heimliches! Du!! Aber ich war garnicht bange und ich erzählte drauf los, auch etwas, was Du mir schon vorher geschrieben hattest! Und ich las auch das vor, was für die Öffentlichkeit bestimmt war! Nun hatte ich wieder Ruhe!!

Na, Mutter wird Dir schon den Kopf waschen, warte nur!! Aber Du! Ich stehe zu Dir! Wir halten zusammen wie Pech und Schwefel! Uns können keine 1000 Teufel auseinanderbringen! Und wenn es arg wird, das mütterliche Gewitter! Du!! Ich helf' Dir! Mein Herzlieb! Ja Du! Seit dieser Woche schlafen wir 2 [Hilden] im Jungfernstübchen! Weil der Vater Tagesdienst hat und nachts sein Bett allein benutzen soll, um richtig auszuruhen.

Ach Du! Ich denke ja so sehr an die Zeit zurück, da wir beide mit klopfendem Herzen uns gegenüberstanden im Stübchen, da wir die süßesten Heimlichkeiten tauschten und alle Weltenseligkeit zum ersten Male erlebten! Geliebter! Geliebter!! Welch selige Zeit! Nie werde ich sie vergessen! Und nun dürfen wir die köstlichen Früchte der Liebe pflücken ohne Ängstlichkeit und Furcht, entdeckt zu werden. Wir gehören nun einander ganz, und niemand kann uns wehren, wenn wir uns ganz liebhaben, Du!!! Oh Du!!

Die süßen, heimlichen Bilder aus der Vergangenheit, sie steigen alle vor mir auf, wenn ich des Abends im Stübchen liege und auf den Schlaf warte – oh Herzlieb! Herzlieb!! Ich muß mich dann recht fest zusammennehmen, damit ich die große Sehnsucht nach Dir dämpfe. Du!! Du!!! Ich habe heute nacht ganz lieb von Dir geträumt, Geliebter! Du warst mir soo nahe! Du!! Ich will ganz vernünftig sein und geduldig und lieb Dein warten! Ach – ich kann noch lange warten – ich darf nur nicht an Deine Zärtlichkeit denken, Du!! Du!!!!! Umso inniger wollen wir uns liebhaben, wenn wir endlich dürfen wieder beieinander sein, ja? Du!! Mein Herzlieb!!!

Am Freitag, den 18. April bekamst Du wieder mal Post von mir. Mußt auch manchmal paar Tage länger warten, und dann kriegst gleich paar Briefe auf einmal – so geht es mir auch; doch länger als drei Tage brauche ich nicht warten, wenn Du mir regelmäßig, täglich schreibst. Heute kam kein Bote. Aber ich rechne noch mal mit einer Unterbrechung, wenn Du auf Dein neues Ziel zufährst – aber solange wie zum ersten Male wird es hoffentlich nicht wieder dauern. Du!! Ich weiß es so froh: Du schreibst, so fleißig Du nur kannst! Herzlieb! Ich warte auf einige Bestätigungen von Dir, ich habe Dir ja allerhand Dinge abgeschickt in der letzten Zeit – Du wirst mir schon alle Eingänge melden, ja?

Auch die Mutter wartet, daß Du den Empfang ihres Osterpäckchens bestätigst! Ostern, erlebst es nun zum ersten Male in der Fremde. Und was Du mir berichtest davon, Deine Beobachtungen und Eindrücke, ich lese alles mit großem Interesse, mit Freude – wie Du beobachtest, das zeigt mir wieder so deutlich Dein liebes Wesen; Du bist ein rechter, echter Deutscher, auch in der Gründlichkeit und ganz besonderen Art, wie Du, alles Neue aufnimmst und mir erzählst. [Ich] freue mich so sehr an Deinen Berichten!

Ein andrer würde das, was Du bemerkst und empfindest garnicht so spüren – warum? Weil er vielleicht keinen Sinn hat für das Wesen und die Eigenart fremder Völker, weil ihm der Blick, der Weitblick dafür fehlt. Oder, weil er in dieser ganzen Sache, daß er durchs Militär ein fremdes Land kennen lernen kann, ganz andere Vorteile sieht, Vorteile niederer Art. Ach, die Menschen sind ja soo grundverschieden! Der größte Teil der Soldaten wird durch die Gegend dunseln und nichts entdecken und nichts seltsam, eigenartig, oder reizvoll finden. Ach, wie arm sind die, die keine Augen im Kopfe haben! Es ist ja so köstlich, wenn man seine gesunden Sinne recht und gut gebraucht. Wenn Du doch erst wieder bei mir wärst, mein [Roland]!

Ich glaube, der Frühling will nun kommen! Unser zarter, heimlicher, deutscher Frühling! Wie ein keusches Mädchen nähert er sich uns Menschenkindern, so leise – dies Jahr besonders! Wie wollten wir uns gemeinsam freuen am Blühen und Grünen draußen in den Fluren! Ach Herzlieb! Der Frühling weckt die Sehnsucht nach uns[e]rer innigen Liebe doppelt stark! Ich glaube aber ganz fest: den nächsten Frühling, den brauche ich nicht einsam zu erleben!! Du!! Du!!! Du!!!!!

Möge der Herrgott unserem innigen Wunsche Gehör schenken! Wir wollen es ihm danken, unser Leben lang. Geliebter! Du wirst mir bald wiederkehren! Gott behüte Dich mir! Er erhalte Dich uns! Du mein Ein, mein Alles! Du mein Glück! Mein Leben! Du bist mein Sonnenschein! All mein Sein und Werden! Ich warte auf Dich! Ich rufe Dich voll Sehnsucht heim!

Herzlieb! Du hörst mich! Ich fühle es! Ich bin Dein — Du bist mein! Das ist der beglückende Schlag unsrer Herzen! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich in Ewigkeit! Du!! In Treue allezeit ganz

Deine [Hilde], Deine Holde.

Herzlieb! Hier lege ich Dir das Konzept bei, daß [sic] ich für die beiden Kameradenfrauen aufsetzte. Ich hoffe, Du bist mit meinem Tun einverstanden. Ich mag unmöglich immer so viel Geld auslegen und Gefahr gehen, man zahlt Dir's nicht zurück. Es ist Dein Geld, Dickerle! Wir brauchen es noch weiter! Und Ihr Soldaten seid auch froh, wenn Ihr von dem Wenigen nicht noch Photoauslagen bestreiten müßt. Heute sind die Sendungen abgegangen, bin neugierig, welche sich von den beiden zuerst rührt!

Herzl[ichen]. Gruß Deine [Hilde]

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946