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Briefkorpus

Freitag, den 2. Mai 1941.

Herzallerliebste mein! Meine liebe, liebste [Hilde]!!

Es ist 9 Uhr am Abend. Da ist hier Zapfenstreich für alle Soldaten und Zivilisten. Dann fahren auch die letzten Straßenbahnen und wir müssen sehen, dass wir mitkommen: Heute hatten wir zum erstenmal [sic] Urlaub. Um 6 Uhr aber waren wir erst fertig mit der Arbeit, ½ 7 Uhr kamen wir erst weg zum Abendessen – und dann ist es ja schnell 9 Uhr. Solange [sic] es hell war, sind wir erst noch mal durch die Geschäftsstraßen gegangen. Viele Geschäfte sind noch geschlossen, die Schaufenster dicht, man hat den Eindruck, daß viele Bewohner noch scheu und abwartend in den Mäuselöchern stecken. In der Hauptstraße sieht man viele Schießspuren und an vielen Balken an Häusern und im Pflaster Spuren von Bombeneinschlägen – die Italiener haben Saloniki bombardiert und fast ausschließlich unmilitärische Ziele getroffen, auch eine Kirche. Die Griechen sind nicht gut auf die Italiener zu sprechen, wie auch auf die Bulgaren. Wenn sie hier erscheinen werden, gibt es noch ein Drama. In allen Straßen sieht man Landser eifrig am Kaufen. Und viel ist hier nicht zu kaufen – den ersten Erkundungen nach zu urteilen. Morgen, am Sonnabend, wollen wir mal einen energischen Vorstoß in dieser Richtung unternehmen. Nach unserem Abendbrot (Tomatenreis, Hammelbraten mit Makkaroni, Salat und Kuchen) haben wir den Wein des Landes gekostet, eine Flasche heiben [vielleicht: heißen] Samos unter drei – aber der war schwer – und es fiel uns mordsschwer, unsre drei Treppen hochzukrauchen. Ja, und nun sitzt der Hubo wieder in seiner Stube, in der neuen Bleibe. 8 Mann liegen wir hier in einem geräumigen Zimmer. Die Fenster gehen nach Südosten, auch der große Balkon. Den Blick aus diesen Fenstern werde ich Dir bald schicken. Herzlieb! Das Meer so in der Nähe ist doch etwas Wunderschönes und jedesmal, wenn ich es sehe, muß ich mich freuen. Immer bietet es sich anders – und hier meist in wundervoller Bläue. Alle Reize fast der Natur spielen hier zusammen: Meer, Hochgebirge. Eine gewisse Ähnlichkeit mit den Bodensee ist unverkennbar. Ein Doppelgipfel aber nach dem Lande zu gemahnt an das Bild von Neapel. Es ist jedenfalls hier ein erlesener Aufenthalt, reich an Schönheiten, die auch mich mir über manche trübe Stunde hinweghelfen können. Morgen will ich mal nach ein paar Postkarten Ausschau halten und vielleicht auch selber ein paar Bilder aufnehmen. Auf die von Plovdiv sind wir alle recht gespannt.

Herzlieb! Dein [Roland] ist heute ganz sehr müde. Heute sind wir nun auch dazu gekommen, die Schreibstube einzurichten. Ich bin der Kompanieschreibstube zugeteilt, vorläufig. Bis das alles in Gang kommt, gibt es noch viel Arbeit. Unser Arbeitszimmer liegt auch ganz wunderschön mit dem Blick zum Meere. Du!! Ich bin so dankbar im Herzen über mein Geschick. Geliebte!! Und das macht mich froh und freut mich auch für Dich. Unsre Vorgesetzten tun zwar alles, um uns diese Freude zu vergällen, aber das können sie nicht.

Drei Tage, so heißt es, gibt es jetzt keine Post, weil das Feldpostamt umzieht. Muß der Hubo sich wieder gedulden. Behüte Dich Gott! Geliebte!! Ich bin in aller Liebe und Treue in Ewigkeit, Dein [Roland], ganz Dein!! Dein Mannerli!! Du!!! Und Du bist mein Herzlieb!! Ach, es gibt so viel Herzlein in dieser Welt – aber eines gehört mir ganz allein – ein ganz liebes, weites, feines – mein liebes Herzlein – Du!!! Mußt es mir wieder schenken, wenn ich bei Dir bin, Herzlieb – ganz, ganz lieb will ich es halten und küssen – mein Herzlein – meine Heimat!

Meine [Hilde]lieb! Du!!!!! Du!!!!!!!!!!!!! Holde mein!!!!

Viel liebe Grüße den lieben Eltern!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946