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Briefkorpus

Montag, der 5. Mai 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Du mein lieber, liebster [Roland]!

Herzlieb Du! Ich bin wieder zu Haus, in Oberfrohna. Da ist es doch am schönsten, Du! Da sind die lieben, vertrauten Räume, da sind alle Bilder von meinem [Roland] und da ist Ruhe! Himmlische Ruhe und wohltuendes Sichbesinnen!

So gerne wie ich mit zu den Verwandten fuhr vorgestern, ebenso gerne bin ich wieder heim gegangen. Es wartete doch sooo viel Liebes mein, Herzlieb! 3 liebe Boten lagen da von Dir! War das eine Freude! Ich konnte nicht schnell genug mich ausziehen und in meine Sofaecke flüchten, um zu sehen, was mein Lieb mir sagen will. Herzallerliebster Du!! Sei recht lieb und herzlich bedankt für all Deine so reiche Liebe und Treue! Du!! Mein gutes Mannerli!! Und heute früh kam noch ein Bote zu mir, nun habe ich ihn, den fehlenden vom Mittwoch, vom 23. April. Die anderen 3 sind vom 24. – 25. – 26. April. Nun weiß ich wieder, was mein Herzlieb treibt, es ist so leer um mich, wenn nichts von Dir zu mir dringt, das habe ich an den beiden Tagen meiner Abwesenheit recht empfindlich wieder gemerkt.

Du! Mein [Roland]! Armer, Lieber! Mußt nun wieder eine Geduldprobe bestehen! Die Post kommt nicht mehr zu Dir, sie ist schon am neuen Orte. Du!! Währen ich diese Zeilen hier schreibe, weiß ich Dich nun schon am neuen Platze. Mögest Du recht gut und wohlbehalten mit Deinen Kameraden dort angekommen sein! Du wirst mir bald erzählen, ob alle gut überstanden ist, mein Lieb. Ich denke immer mit Grauen an die Fahrstraßen in Südosten, wenn ich mir die Bilder der neuen Wochenschau vom Film vergegenwärtige, die zeigt Ausschnitte von Griechenland u.v.m. Wenn es nur dabei blieb, daß man Euch in Wehrmachtomnibussen dahin transportierte! So habt Ihr wenigstens eine anständige Unterkunft. Und da denke ich eben auch an Deine neue Unterkunft, die nun für eine Weile Deine ,Heimat' sein soll, wenn sie nur recht schön wäre, nichts wünsche ich mir dazu lieber als das! Und vor allem auch sauber und bequemer als die zurückgelassene. Das konnte man doch garnicht Unterkunft nennen im Sinne des Wortes — das war ja nur ein Unterschlupf, ein Notbehelf! Ach Herzlieb! Ich gönnte Dir von Herzen ein menschenwürdiges Quartier. Mußt in dieser Zeit so viel Bequemlichkeit entbehren Herzlieb, der Du in Deinen vergangenen Jahren schon nichts als halbes Leben kennst, immer nur bei Fremden untergebracht – und nun, da sich das alles zu Deiner Erlös[un]g wenden sollte, kam dieser unselige Krieg dazwischen.

Wir können nichts tun, als getreulich ausharren und an eine frohere, hellere Zukunft glauben, Du!! Und das will ich mit Dir, mein Lieb, von Herzen freudig! Du!! Wenn Du wieder bei mir bist, dann will ich Dir unser Heim so lieb und warm bereiten! Du sollst alle Deine Wünsche mir sagen dazu! Du sollst Dich so ganz wohl und zu Haus fühlen bei mir! Mein Sonnenschein, Du!!! Gebe Gott, daß dieser Tag nicht mehr in allzu weiter Ferne liegt!

Herzlieb! Gestern nachmittag um 3 Uhr rüsteten wir in Glauchau zur Heimfahrt — jetzt ist es eben so spät – um 416 [Uhr] ging der Zug nach Penig. Es waren ein paar recht frohe Stunden, die wir bei Tante Marthel verlebten. Die Kinder stiften viel Freude. Drei sind es und nur die Mutter dazu zur Erziehung und Betreuung, es ist nicht einfach! Aber die Tante hat die Kinder gut in Zügel [sic], ich freute mich. Hoffentlich bleibt es so. Aber immerhin ich bin dem lustigen Tumult garnicht lange gewachsen, wie´s mir in allen Nerven kribbelt! wenn ich so 2 Tage mitten drin mit stehe. Also: das ist ein Zeichen der Ungewohntheit – weil ich sonst immer so viel für mich allein bin und meine ganzen Gedanken nur auf eines konzentriere, Du!! Etwas andres greift dann richtig störend ein in meinen Gedankengang. Für kurze Zeit halte ich es aus, aber auf die Dauer? Nein.

Du! Herzlieb! Wenn Du und ich ein Kindlein haben, dann ist es gewiß anders, dann bist Du bei mir und dann brauche ich meine Gedanken nicht mehr in die Ferne zu schicken – und das entspannt, bestimmt – und dann könnte sicher noch eines oder zwei Kindlein mehr kommen und ich würde die Nerven nicht verlieren, weil es dann doch unsre sind, das ist ja ganz etwas andres! Du!!! Und wenn man an diese Mutterpflichten so ganz von Anfang an [g]ewöhnt wird, wenn man sich so ganz von Anfang des Werdens an hineinlebt in diese Pflicht, dann ist sie auch garnicht ungewohnt oder störend – dann ist sie uns eigen, lieb und vertraut – sie ist eben dann auch ein Teil unsres Seins. Ach Herzlieb! Ich bin so garnicht bange, daß ich unseren Kindern keine gute Mutter sein werde. Ein großer Wunsch ist dazu nur in mir, daß, wenn es bei uns einst so weit ist, geregelte Verhältnisse sind und eine ruhigere Zeit — nicht wie jetzt, da die Welt voll Kriegsgeschrei ist.

Gott wird es fügen mit uns, nach seinem Willen, und wir wollen ihm uns demütig und dankbar fügen; denn er allein weiß[,] was uns gut ist.

In Penig hatten wir gestern eine reichliche Stunde Aufenthalt, der Omnibus fuhr erst ½ 6 Uhr abends weiter. So bin ich mit Mutsch in's Cafe [sic] Schneider gegangen, weil es begann zu regnen. Weißt noch? Wir waren da auch schon mal miteinander! Als wir eine Radpartie ins Muldental unternahmen, kurz nach unsrer Hochzeit! Dort hielten wir so reichlich Kaffeestunde!

Ach Du!, an den Tag denke ich so sehnsüchtig zurück! Wir waren sooo glücklich! Du und ich! Geliebter!! Am Tage vorher war es, da ich mich Dir ganz schenkte, weißt Du noch? Wie wir uns erschrocken anschauten im Bettlein? Du!! Du!! Darauf war es, als müßten wir unser heimliches Glück weit hinaustragen um es auch ganz und wirklich zu fassen, als unser eigen. Du!! Du!!! Ich weiß noch sooo, wie selig - froh wir miteinander waren, Du hast mich immerzu angeschaut, Herzlieb! Gerade, als könntest Du kaum ermessen, daß alles Wirklichkeit ist! Du!!! Du!!!!! Und gestern saß ich mit Mutsch am gleichen Platze.

Um 1800 [Uhr] begann die Reichtag[s]sitzung mit der Rede des Führers, durch den Rundfunk. Ich bedauerte so, daß wir bald gehen mußten. Aber dafür habe ich es mir heute Mittag angehört. Ob Du wohl auch am Lautsprecher saßt [sic], mein Lieb? Unser Führer spricht so zuversichtlich von unsrer Zukunft, d[as] kann uns alle nur wieder auf's Neue Vertrauen fassen lassen. Aber nicht zuletzt liegt doch alles in Gottes Hand, was unserm Volk beschieden ist. Und wir wollen durch nichts in dieser Welt uns den festen Glauben an ihn und seine endlose Gnade nehmen lassen. Das allein kann uns die Kraft schenken, immer wieder in Geduld zu warten und zu vertrauen auf ein glückliches, siegreiches Ende. Mein [Roland]! In wieviel trüben Stunden war uns der Glaube mildes, tröstliches Licht?! Herzlieb! Du und ich, wir haben erkannt, welche Kostbarkeit uns wurde durch den Glauben, der uns Gott erkennen läßt – wir lassen nicht von ihm, wie wir nicht von unsrer Liebe lassen. Du!!! Nach alldem, was wir nun an den Ereignissen im Südosten erfahren haben, möchte ich wissen, wie lange noch Deines Bleibens da unten sein wird! Du!!

Ich will keine unmöglichen Gedanken und Wünsche nähren! Aber es bewegt mich ungemein, wie Deine künftige Zeit sich gestalten soll. Herzlieb! Wie könnte ich wohl anders, als die heimliche Hoffnung haben, daß eines Tages doch Dein UK Antrag durchgehen wird!

Von meinem Standpunkt aus bist Du ja hier in der Heimat tausendmal nötiger! Ach, es ist ein Gewirr von Fäden, die keiner auf einen Hieb lösen kann. Das alte Wort, daßs immer mit uns geht seit Kriegsbeginn: Geduld – es muß weiterhin unser Begleiter sein.

Wie denkst Du denn zu dieser ganzen Geschichte? Herzlieb. Kannst Du eigens nichts dazu tun, den Stein in's Rollen zu bringen mit Pirna? Hast Du wohl schon Nachricht vom N.S.-Lehrerbund? Hat sich das Wehrkreiskommando gezuckt [sic]?

Ach ja, mein [Roland]! Wo soo freudige Aussichten winken, ist es bitter, das Warten. Und ich weiß doch genauso gut wie Du, daß Ihr Soldaten nur Nummern seid, mehr nicht. Müßte sich ein Mann, der Dir wohl will, ganz besonders für Dich einsetzen, derselbe muß aber dazu auch irgendwie Einfluß haben auf die höhere Substanz [wohl: Instanz], sonst ist genau auch nichts zu machen. Ich denke hier an Schulrat Tschaepe.

Hier bei uns ist seit einigen Wochen auch die Stimmung wieder mal auf den Höchstpunkt gestiegen, der Spannung!

Man zieht wieder einmal wahllos Frauen und Mädchen heran zu ‚bewußten‘ Arbeiten für die Allgemeinheit. Ich staune, wie ‚sie‘ sich das so ohne weiteres erlauben dürfen. Aber hierin soll man sich das Wundern und Staunen getrost abgewöhnen, hier heißt es nur, die Lage blitzschnell erfassen und in Abwehrstellung zu gehen soweit es nur irgend angeht. Ich sehe ein, daß ungeheure Mengen an Arbeitskräften nötig sind, zumal da immer mehr Männer eingezogen werden; ich wundere mich, warum noch so viel eingezogen werden. Und ich würde mich letzten Endes auch nicht weigern meine Kraft zur Verfügung zu stellen, wenn ich der mir angetragenen Arbeit meiner Person gewachsen bin [sic]. Überallhin lasse ich mich jedenfalls nicht stecken.

Und wenn ich mich auf die schlechte Seite legen müßte!

Aber, alles in allem: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ich möchte Dir mal davon schreiben, damit es Dir nicht gar so unverhofft kommt, wenn man eines Tages auch mir an den Kragen geht.

Mutter [Nordhoff] erzählte mir auch verschiedene Tatsachen, die, wenn sie der Wahrheit entsprechen, bestimmt tolle Stücken [sic] sind; aber, so schnell lasse ich mich nicht ins Boxhorn jagen! Und ich will Dir hier nichts von alledem erzählen, hat ja gar keinen Zweck! Du sorgst Dich bloß unnütz und das will ich auf gar keinen Fall. Ist schon genug, daß ich mir den Kopf eine Zeit damit beschwerte.

Sie sollen nur erst mal herantreten an mich, dann können [w]ir ja immer nochmal von dieser Sache reden. Und wenn es sich nun um eine schnelle Entscheidung handeln sollte Herzlieb, dann – traue mir nur so viel zu, daß ich mich nicht verschachern lasse! Du sollst immer wissen, bei allem, was auch kommen mag: Meine besten Kräfte gehören nur Dir! Meine ganze Liebe! Meine ganzen Gedanken! Ach — ich bin nur Dein!

Und man könnte mir noch so viel Arbeit geben, ich vergesse mein Herzlieb nimmermehr darüber! So wie Du mich über aller Pflicht und über der Fremde nimmermehr vergißt! Du!!! Es gibt keine Macht auf Erden, die uns von einander reißt! Sooooo fest sind wir einander verbunden! Sooooo fest und innig sind unsre Wesen ineinander verschlungen! Du!! Unsre Liebe steht hoch und heilig über allem!

Sie ist unser Wegweiser für alle Zeit, Geliebter!

Und wenn ich mich schon in den Dienst des Volkes stellen soll, Du verlierst mich darum nicht um das Geringste!

Herzlieb! Wir wissen doch beide, wo allein unser Ziel ist, wo allein unsre liebsten, heimlichsten, und innigsten Gedanken hingehen: zu mir – zu Dir – zueinander!! Du!!

Wir wollen alle Aufgaben, die das Leben an uns stellt[,] würdig lösen und so, daß sie vor unserm Gewissen und vor unsrer Ehre bestehen können. Gott wird mit uns sein, wie immer! Mein Herzlieb Du! Nur um eines spüre ich schon jetzt den Schmerz, wenn ich daran denke, daß mir dann die schöne Zeit, die lange, die ich jetzt habe für Dich, nicht bliebe. Das ist das einzige, worum ich trauern kann — sonst, ich kann viel aushalten, viel ertragen und verwinden, es wird alles gut gehen.

Nur für Dich mag ich nichts verlieren, Du!!!

Mein herzlieber [Roland]! So viele liebe Boten von Deiner Hand liegen in meinem Kästchen, ich will sie alle noch einheften jetzt, damit mir keiner verloren geht! Mein Lieb! Wenn ich Dich jetzt nicht hätte in dieser verworrenen Welt, ich würde so hilflos umhergetrieben, mit in dem großen Menschenstrom. An wen, sollte ich meine heiße Liebe hängen, meine Sehnsucht? Ach Du! Ich kenne niemanden, der ihrer würdig ist; und so von Herzensgrunde geliebt zu werden, das gönne ich keinem außer Dir, mein Lieb! Weil Du soo lieb und soo treu und so edel, ach – weil Du, eben nur Du mein ganzes Sehnen und Hoffen und Wünschen bist! Geliebter!! Geliebter!!!!!

Ich bin so voll heißem Verlangen nach Dir!!!!!

Ach, Du weißt ja nicht, wie ich mich nach Dir sehne! Du!!!!!! Bei Dir ist soooviel Geborgenheit und soooviel Wärme und alles, alles ist gut, wenn ich an Deinem Herzen ruhen kann! Geliebter!! Geliebter!!! Ich lasse Dein liebes Bild nicht mehr von meiner Seite – ich schau es immerzu an! Du!! Du!!!!!!!!!!!!! So allein finde ich mich in das Unabänderliche dieser Zeit! Weil nur Deine geliebten Boten immer zu mir finden, das ist mein ganzer Trost, Du!! Bis auf einen haben sie den Weg zu mir immer gefunden. Der vom 11. April fehlt.

Mein Herzlieb! Ich will für heute schließen. Vater ist aufgestanden und will für den Nachtdienst versorgt sein.

Morgen will ich näher auf einiges Deiner liebe Boten eingehen. Nach der Stadt muß ich auch noch einmal, zum Photographen. Die Frau H. schrieb mir auch einen lieben Brief heute und legte das Geld bei. Ich will erst ein paar Filme wieder zusammen kommen lassen, ehe ich eine neue Sendung loslasse, sonst ist es doch eine Kleckerei! Mal sehen, ob ich wieder ein paar Filme einkaufen kann für meinen fleißigen Kameramann!

Ich habe auch einen Film begonnen, als Mutter M. [sic]. da war, aber durch das trübe Wetter komme ich nicht dazu ihn vollzumachen. Du sollst doch auch wieder mal was von Deiner [Hilde] sehn!

Mein Herzlieb! Du mein Sonnenschein! Ich bin so sehr glücklich in Deiner Liebe! Spürst Du es, wie mein Herz Dir schlägt, ganz allein nur Dir? Geliebter!! Geliebter!! Ich bin Dein!!!!!!!!!!!!! Du bist meine ganze Freude auf dieser Welt! Du bist der Inhalt meines Lebens! Ohne Dich wäre es so leer!! Du!! Du!!! Der Herrgott schütze und behüte Dich mir!

Mein [Roland]! Du mein Herzlieb! Er erhalte Dich immer gesund und froh! Ich liebe Dich! So innig liebe ich Dich!

Ich bleibe in Treue Dein! Ganz Dein!!!

Du!!! Ich liebe Dich sooooo sehr!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Deine [Hilde], Dein!

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946