Bitte warten...
Briefkorpus

Dienstag, am 6. Mai 1941.

Herzallerliebster! Mein geliebtes, teures Herz! Du mein [Roland]!

Du! Ich weiß garnicht mehr[,] was ich denken soll, es will und will nicht Frühling werden. Alles in der Natur draußen hat sich bereitet, zu blühen und zu grünen, aber es bleibt alles in den Anfängen stecken. Die Knospen und die ersten grünen Hälmchen auf Feld und Wiese, sie sind schon seit vielen Tagen bereit, sich weiter zu entfalten – sie [ve]rmögen’s nicht, die liebe Sonne fehlt. Was soll das werden mit unsrer Ernte? Schon Mai, der Bauer kann nichts tun. So wie er die Samenkörner in die Erde streut, verfaulen sie, so naß ist es immer von neuem. Der Regen läßt schon seit Wochen nicht mehr nach, wenn auch mal ein schöner Tag dazwischen war, der kann aber alles auch nicht aufholen. Heute ließ sich das Wetter morgens so gut an und jetzt ist es wieder umgekippt nach der schlechten Seite. Sogar Schnee fällt noch, er liegt teils noch an Stellen, wo die Sonne nicht hin kann. O, man muß jetzt in jeder Hinsicht so viel Geduld haben. Jeden Tag muss ich noch feuern, als wolle es Herbst werden. Und ich sehne mich so sehr hinaus, wenn es ein paar Stunden wären, die man so recht genießen könnte in der Sonne. Wenn das so weiter geht, komme ich Dir nachgereist, Herzlieb! Du hast so viel Sonnenschein! Bist nicht schon recht braungebrannt? Du!! Lach‘ mich nicht aus! Aber ich will Dir’s nur sagen, ich habe mir jetzt an [ein] paar Abenden die Wärmflasche gefüllt, es ist eine Schande, im Mai! Aber, ich konnte vor Kälte nicht einschlafen.

Wenn Du mich wieder einmal wärmen könntest, mein Lieb!! Ach ja, der Frühling wird vergehen, ohne daß wir ihm recht gewahr werden. Nächsten Monat ist schon Sonnenwende, dann geht es wieder abwärts und es wird nicht lange dauern[, dann] haben wir wieder Winter.

Mein Herzlieb! Auch Du sprichst in Deinen lieben Briefen von der Sehnsucht nach einem gemeinsamen, trauten Feierabend, mußt nun ebenso allein wie ich Deinen Tag beschließen. Ach, ich kann sie mir zu gut vorstellen, Deine Sehnsucht! Geliebter!! Mit Dir die vielen, vielen Wochenkreise, den ganzen Jahreskreis, einen Tag um den andern, ohne Sehnsucht, Ungeduld, ohne Trennung, ohne Abschied, immer bei Dir! Herzallerliebster Du!! Möchte diese schöne[,] liebe, traute Zeit recht bald anbrechen!

Ach Du! Ich glaube mit Dir, daß sie sich einst erfüllen wird, so wie sich alle unsre großen und heißen Wünsche (fand) [sic] erfüllten – daß wir uns fanden und lieben lernten – Du!! der größte unter allen!

Herzlieb! 9 Tage sind darüber hingegangen über den Tag, den Du mir als Euren Reisetag vorher angeben konntest. Ich habe heute zum ersten Mal keine Post von Dir, ich sorge mich nicht, es ist verständlich, daß nun wieder alles ein wenig in’s Stocken gerät. Ich wünsche mir nur, daß Du recht g[u]t und ohne Unfall angekommen bist!

Wir müssen Gott so dankbar sein, daß er Dir immer noch so ein erträgliches Los bescherte! Daß er Dich behütete vor Krankheit und Not – oh, so von Herzen dankbar wollen wir ihm sein! Und wir wollen ihn täglich auf’s Neue bitten, er möchte diese böse Kriegszeit gnädig an uns vorüber ziehen lassen. Daß Du mir gesund wiederkehrst! Nichts erfüllt mein Herz so sehr wie dieser Wunsch! Du!!! In Geduld uns bescheiden, das wollen wir, bis Gottes Wille an uns offenbar wird.

Mein liebes Mannerli! Von unseren Bildern sagst Du mir. Ja, ich habe schon einen ganzen Packen Negative hier. Die 8. Serie, ich nummeriere die ankommenden Filme serienweise. 3 neue Filme erstand ich wieder in den letzten Tagen –  nun bekomme ich erst Mitte Mai wieder mal einen, bei der neuen Lieferung. Es ist aber auch unglaublich, was jetzt verbraucht wird an Filmen, durch die Wehrmacht. Ich warte auch auf den letzten Film von Dir, den Du vor der Abreise noch fertig geknipst hast. Ich will Dir nächstens wieder ein Päckchen schicken mit allerlei Dingen, ich warte aber noch auf die dünnen Socken, die mir Deine Mutter schicken will. Ich habe ein Paar in Arbeit, um sie ein Stück anzustricken, ich muß nachher noch fleißig stricken! Du! Die zerrissenen Strümpfe schicke mir doch heim, daß ich sie in Ordnung bringe. Du hast ja jetzt genug zum Wechseln, ja? Gib nur Obacht, daß Du Dir die Füße nicht wund reibst mit so dünnen Socken! Das geschieht sehr leicht, wenn man sie in die Stiefel anzieht! Magst Du Fußschlüpfer oder –lappen haben? Ich schicke Dir welche. Du, Dickerle! Sieh nur mal nach, ob Du irgendwie Wolle auftreiben kannst, ja? Da kann ich Dir einen schönen Vorrat an Socken stricken derweil, Mutter meint, daß Du garnicht mehr so reichlich damit versehen bist! Hast ja auch viel mit zum Militär genommen. Ach, Du wirst schon Obacht geben auf derlei Raritäten, das weiß ich doch! Bist doch mein liebes, wirtschaftliches Mannerli! Und Rosinen, Kakao und vielleicht auch Schokolade, wenn Du [das] erwischen kannst. Ich möchte Dir so gerne wieder einmal ‘was Schönes backen! Sag, hast denn unsre Osterpäckchen aus der Heimat bekommen[?] es [sic] würde mir so leid tun, wenn es so einem Postwagenbrand mit zum Opfer gefallen wäre! Die schönen 5 Kuchen? Na, das dauert halt auch länger, weil zu Ostern alle Leute schicken.

Du Herzlieb! Gestern schrieb mir Frau Sch. aus Schmilka! Sie will Deine Adresse, um Dir zu schreiben! Und sie klärte auch endlich mal die Geschichte mit dem vertauschten Überzug über Dein Bett. Wir brachten doch damals, als wir auszogen, einen falschen Bettbezug mit heim und Frau Sch. fand aber auch keinen in ihrer Wäsche, der mit Deinem Namen gezeichnet war. Jetzt hat Frau Bürgermeister B. sie gefragt, ob sie nicht uns mal schreiben will, daß wir damals bei der Übernachtung einen Überzug von ihr mitgenommen haben, sie will gerne den verkehrten mit dem richtigen eintauschen! Du!! Ich mußte so lachen, als ich das las! Aber ein bissel [sc]hämen tu ich mich auch: so verliebt waren wir damals, daß wir nicht einmal sahen, was wir fortschleppten!! Was wird sie von mir denken! Ich, als Deine Frau[,] bin doch für sowas verantwortlich!! Na, ich habe der Mutter schon Nachricht gegeben, sie wird die Sache regeln. Ich selbst komme doch so schnell nicht mehr dahin. Herzlieb! Gestern beim Einholen traf ich Frau G., sie hat mich angesprochen und wir unterhielten uns von dem und jenem. Und dann lud sie mich für morgen nachmittag ½ 4 [Uhr] ein, ich soll mir irgend etwas zu arbeiten mitbringen, sie will auch handarbeiten. Ich habe zugesagt, sie lud mich so herzlich ein. Ich bin gespa[nn]t, wie der Nachmittag ausfällt! Ich will Dir erzählen davon. Ich werde ihr ein paar Blümchen mitnehmen.

Mein Herzlieb, Du!! Ich will Dir nun ganz lieb und fest die Hände reichen! Du!! [Ich] Will noch ein wenig an Deinen Socken stricken. Du! Heut Nacht bin ich mit Dir Schneeschuhe gefahren! War das sonderbar! Herzlieb! Ich träume Tag und Nacht von Dir! Du füllst mein ganzes Denken aus! Du!! Du!!! Ich liebe Dich sooooo [sic] innig! Ich sehne mich nach Dir!! Mein Herzensschatz! Gott behüte Dich mir! Er führe Dich selbst recht[,] recht bald für immer heim zu mir! Du!! Herzlieb mein!!!!!

Ich bin und bleibe in unverbrüchlicher Liebe und Treue Deine [Hilde].

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946