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Briefkorpus

Montag, am 12. Mai 1941.

Geliebter! Mein Herzlieb Du!! Mein lieber, liebster [Roland]!!

Mit Montag fängt die Woche an, drum kommt von jedem etwas dran! So muß ich heute beginnen, Herzlieb!

2 Briefe steckte mir heute früh der Postbote zu! Meine Freude darüber kannst Du Dir sicher gut vorstellen, Du!!!

Einer von meinem Herzlieb! Einer vom Photohaus Eckernförde! Auf beide war ich gespannt – doch mein Lieb ging doch allem [vo]ran! Zuerst las ich seinen Brief. Du!! Du!! Mein [Roland]! So bist nun wirklich gut und gesund in S. angekommen! Ich ersehe es aus Deinen lieben Zeilen, aber ihnen müssen schon einige Schilderungen vorausgegangen sein. Ich finde so garnicht die Überleitung von Deinem letzten Brief, der bei mir ist und am Tage vor Deiner Reise nach S. geschrieben ist. Du!! Du!! Die anderen Briefe werden schon auch noch eintreffen! Ich bin ja heute soo, sooo sehr froh und glücklich, daß ich überhaupt ein Zeichen von Dir erhalten habe! Und welch liebes dazu!! Sonnabend, den 3. Mai hast den Brief begonnen, Herzlieb! Gerade an dem Tag, wo ich mit Mutsch in Glauchau weilte. Tags zuvor war Deine liebe Mutter nach Hause zurück gereist. Und nach 7 Tagen ist er schon in meinem Besitz, er ist am 5.V. abgestempelt. Sonnabend war, da Du mir schriebst, und ich lese mit Bedauern, daß es im Kriegsgebiet zunächst nichts ist mit einem Wochenende. Schade! Und auch am Sonntag müßt Ihr arbeiten! Aber das Gesetz ist gewiß unterdessen außer Kraft getreten; denn schon auf der Fahrt frühmorgens nach Glauchau, also am selben Tage, da Du mir dies geschrieben, hörten wir im Bus erzählen, daß in Griechenland Waffenruhe eingetreten sei. Und am Tag darauf, dem Sonntag, trat der Reichstag zusammen hier in Berlin und der Führer sprach über den Balkanfeldzug. Seit 8 Tagen sind wir wieder einmal ohne jeden Zusammenhang mit der großen Politik – so schreibst Du mir. Das kann ich mir gut denken, daß sowas vorkommt. Doch nun, heute, da ich dies schreibe, bist Du ganz sicher über die letzten großen Ereignisse unterrichtet. Mein Herzlieb ist am Sonnabend über meinem Brief eingeschlafen! Das Arme! Liebe! Soo müde war mein Dickerle! Du! Ich bin Dir nicht böse!!! Wo denkst Du hin!! Ich kann mir so lebhaft vorstellen, daß Dich die Müdigkeit übermannt nach Dienstschluß! Erstens das ungewohnt heißere Klima! Der bisher entbehrte Schreiberdienst und sicher noch die nicht gänzlich überwundenen Strapazen der Reise nach Deinem neuen Orte – all das trägt bei und ich trage Dir nichts, oh garnichts nach mein Lieb!!

Und Du!! Höre!! Denke zuerst an Deine Gesundheit, an Deine Nerven – dann schreibe Deinem Frauchen! Hörst Du?!! Ich will einen ganz frohen, gesunden Hubo empfangen in der Heimat! Du!! Und ich bin auch mit ganz wenig Geschriebenem zufrieden! Ich will bloß wissen, wie Dir’s geht!! Und – Du!! Ob Du mich noch lieb hast!! Herzlieb!! Ja, das möcht’ ich auch w[is]sen!! Und nun erzählst mir so lieb von Deinem Sonntag, mein Herz! Du! Fast könnte ich Dich um das herrliche Wetter beneiden, daß [sic] Du fast täglich genießen kannst! Wie ist es bei uns noch kahl und kalt!! Aber – nur den Mut nicht verlieren, es muß doch auch noch schön werden!! An unsre Zeit der werdenden Liebe erinnern Dich die herrlichen Tage in dieser schönen Umgebung? Du!! Oh Herzlieb! Ich möchte von Herzen gerne all das mit Dir erleben! Und ich bin’s schon zufrieden, wenn Du mir alles so lieb erzählst. Und Filme hast Du auch schon wieder abgeschickt?! Ich freue mich darauf, Liebster!!

Mit K. bist nun nicht mehr zusammen. Ich weiß nicht, ich bedaure das ein bissel. Wer ist dieser Sch.? Vielleicht hast ihn mir schon mal näher vorgestellt in einem der Briefe, die noch ausstehen. Du!! Von den ‚Villen‘ Eurer Straße schreibst Du mir!! Was höre ich? Soo feudal haust mein Hubo? Von Balkonen und Rosenbäumen sagst Du? Vom Hotel, in dem Ihr an weißgedeckten Tischen speist? Hört, hört!! Du malst mir ja hier ein kleines Schlaraffenland her! Aber! Ich gönne Dir das Schönste und Beste! Herzlieb! Und wirklich von ganzem Herzen! Ihr habt’s alle verdient!! [J]etzt heißt es zwar beizeiten aufstehen – doch das ist mein liebes Schulmeisterlein gewöhnt von früher – und ich glaube, Du magst die herrlichen Tage, die Dir jetzt beschieden sind, garnicht verschlafen! Sowas gibt’s nicht gleich wieder zu sehn!! Ach Du!! Wie wirst Du mir erzählen können, wenn Du heim kommst! Gegen 8 Uhr beginnt die Arbeit und Du bist mit noch 2 Kameraden in der Kompanieschreibstube. Weiß nicht, wie man hier urteilen kann, aber ich meine, Du hast das bessere Los gezogen, wenn Du in der Kompanieschreibstube bist – nicht wie K., in der Hafenkommandantur. Du schreibst, daß voraussichtlich am 30. Mai die Bulgaren die Stadt in Besitz nehmen. So ist wohl dann Eure Anwesenheit da überflüssig?

Darfst dann etwa heim?????

Fein, daß Dir das Essen schmeckt und bekommt! Schreib mir nur auch mal einen Kuchenzettel auf von der Kompanieküche! Sonntag nach Mittag durftet Ihr aber doch an Land gehen. Mit Seitengewehr!! Ist es wohl geschliffen? Mit großem Interesse verfolge ich nun im Geiste Euren Weg und bin ganz dabei, wo Ihr auch rumgestiefelt seid! Lieb, wie Du mir alles so anschaulich berichtest! Freude bewegt mich, wenn ich die Zutraulichkeit der Einheimischen Euch Deutschen gegenüber erkenne! Brauche ich mich doch nicht mehr ganz so toll zu sorgen, wenn ich Dich in Feindesland weiß. Freilich: größte Vorsicht ist immer oberstes Gebot, trotz allem Schein! Es gibt auch Gegensätze.

Ihr Lieben, ich spür’s, wie Ihr Euch doch heim sehnen müßt!! Nach dem Bahnhof seid Ihr suchen gegangen!! Du!!! Du!!! Wenn es doch erst wieder heimwärts ginge!!

Herzlieb! Halte tapfer aus mit mir! Sei ganz zuversichtlich und ganz stark! Gott weiß, wann er uns erlösen wird von aller heimlicher Qual! Und das ist unser Trost! Du!! Geliebter!!

Das vielbesungene, blaue Meer darfst Du schauen!

Der Olymp, das alte, uralte Wahrzeichen des Landes steht über dem ganzen Treiben, das in diesen Tagen über dieses Stück Erde flutete. Wenn das die Götter geschaut haben!! Sie hätten gewiß ihre Häupter geschüttelt, verständnislos, über solches teuflische Tun. Du!! Dickerle!! Ich muß an Siegfrieds Warnung denken! Gut, daß die Göttinnen einen Wolkenschleier um die Bergkuppe hängen, wenn sie Mittagsruhe halten!! Wer weiß, ob sich sonst nicht doch mal ein Matrose verführen ließe?!!! Herzlieb! Die schönen Tage, die schönen Bilder, die Du jetzt erleben darfst, sie rufen laut die Erinnerung in Dir, unsrer schöns[ten] Stunden, sie rufen den Wunsch, an meiner Seite viel Schönes zu schauen! Ach Geliebter!! Geliebter!! Ich kann’s verstehen! Wie könnte es wohl anders sein, bei uns[e]rer tiefen, innigen Liebe? Du!!!!! Bald, so Gott will, dürfen wir solchen Glückes teilhaftig werden! Nur ein wenig Geduld noch! Mein Geliebter!!

Hier bringe ich Dir ein Bilde, was ich sooooo heiß ersehne!! Du!!! Die anderen will ich erst Mutter [N.] zeigen, ja?

Für heute: auf Wiedersehen! Herzliebster, mein! Behalt’ mich lieb!! Gott behüte Dich auf allen Wegen! Du!! Mein ganzes Glück! Ich bin heute so froh und glücklich!! Du!! Ich bin so ganz Dein!

Immer Deine [Hilde]. Du!!!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946