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Briefkorpus

Montag, am 19. Mai 1941.

Mein Herzlieb!

Da hatte ich mir nun für heute ein Programm aufgestellt und als ich [um] ½ 8 Uhr erwache, herausspringe aus dem Bett, um schnell nach Mutsch zu sehn, da war der Vogel schon ausgeflogen und das Nest leer! Ich wußte nicht, was ich denken sollte. Vater kam aus dem Keller – der hat diese Woche Nachtdienst und ist darum heute zu Haus – ich frage ihn nach Mutsch. „Ach, die ist schon in's Geschäft! Es war ihr wieder wohl!“ Kannst Dir wohl denken, wie froh [ich] da war! Herzlieb! Mir gefällt's nämlich nicht, wenn die Mutsch krank ist. Da fühle ich mich so bedrückt! Ich hab sie gerne mal daheim, aber nur nicht krank! Gottseidank war es also nur eine vorübergehende Magenverstimmung. Heute mittag, als sie heimkam[,] sagte sie, daß ihr der Karmelitergeist so gut getan habe. Ich gab ihr gestern abend nochmal davon ein, mit Tee vermischt und das brachte den Magen wieder in Ordnung. Sehr gut geschlafen hat sie und [he]ute früh, habe sie sich wieder mopsfidel gefühlt. Ich bin heilfroh! Gestern abend sah sie mir nicht so aus, als ginge das schnell vorüber.

Na, nun kann ich umso froher und lieber heute meine Gedanken zu Dir schicken, Herzlieb Du!! Zur Abwechslung gibt es wieder mal Regenwetter. Es ist Gewitterstimmung draußen, sehr schwül u. drückend – Wachswetter! Aber gedonnert hat es noch nicht bei uns. Nachbars Kirschbaum hat zur Blüte angesetzt und ich erfreue mich täglich an seinem Fortschritt; es ist bald alles weiß!! Schön!!

Herzlieb! Es beginnt zu dunkeln, ich will nicht erst Licht machen und ich erzähle Dir morgen weiter, ja? Du!! Heute wurde mir ja sooooo viel Freude! [*] 3 liebe Boten sind gekommen!! 

Und sooooo viel Liebe steht darin! Sooooo viel Heimlichkeit und Sehnsucht! Du!! Du!!!

Jetzt, wenn ich in mein Bettlein gehe, denke ich ganz lieb und süß und voll Sehnsucht und Zärtlichkeit Dein! Ach Du!! Sooooo sehr, daß Du es bis hin zu Dir spüren mußt, wie sooooo lieb ich Dich habe! Mein [Roland]!!!!!

Mein Bettlein? Es steht jetzt da, wo erst das Sofa stand – das Sofa an Bettleins Stelle. So ist es viel schöner bei mir!! Komm' nur bald mal und laß' Dich im Dornröschenschloß empfangen! Dir gefällt's bestimmt so gut, daß Du nimmer fort gehst!! Am Fußende des Sofa's [sic] steht nun unser Rauchtischel mit einer schönen Decke und Deiner Brieftruhe drauf. Richtig heimlich, wohnlich ist es nun.

Ich gehe richtig gerne hinüber in mein Bettlein! Weil ich Deine lieben Bilder alle aufgestellt hab und die sehe ich vom Bett aus!! Ja, Du!!!

Darum gefällt mir's wohl am meisten so da drüben. Ich komme gleich, Herzlieb!! Gleich!! Dir den Gutenachtkuß bringen! Und dann will ich träumen von Dir und schlafen, daß ich morgen fein munter bin und die Mutsch versorgen kann! Und mit Dir weiter plaudern kann! Gut Nacht! Geliebter!! Du!!! Gott schütze Dich!

Ich liebe Dich!! Du!!!

Deine [Hilde].

 

[* = An den Rand des Briefes geschrieben: Bitte verzeih diese Unvorsichtigkeit ↓ beim Drasch um Mutter.]

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946