Bitte warten...
Briefkorpus

Mittwoch, am 21. Mai 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Mein lieber, liebster [Roland]!

Du!! Dein lieber Bote vom Donnerstag, dem 15.V. ist schon bei mir! Die anderen stehen noch aus, auch Dein Mittwochbrief. Sonderbar, wie unregelmäßig die Post abgeht, garnicht der Reihe nach? Und nur 5 Tage hat er gebraucht, bis her zu mir kam! Der Postverkehr spielt sich also doch immer besser ein.

Mein Herzlieb Du!! Ach, ich muß mich ja sooo sehr sehnen nach Dir! Ich kann garnicht mehr tief und fest schlafen nachts. Immer bin ich wach, dann muß ich an Dich denken, mein Lieb! Du!! Auch sooo lieb und zärtlich an Dich denken!!! Und ich kann lang, lang nicht mehr einschlafen. Und träumen kann ich auch nicht von Dir, Du!!, daß ich erlöst würde von meiner großen Sehnsucht. Ach Du! Geliebter!! Mein [Roland]!!

Nichts wünsche ich mir sehnlicher, als daß ich Dich bald, oh bald einmal wieder bei mir haben könnte! Wie das nur kommt? Du!!! Ob Du wohl auch Dich so mächtig sehnen musst nach unsrer Liebe, nach unserm süßen Glück des Einsseins? Du?!! Daß ich es bis hier her zu mir spüre? Geliebter!! Geliebter!!! Oh Du!!! Es ist bestimmt die Frühlingszeit, die all unsere tiefe Sehnsucht so mächtig ruft in uns. Die ganze Luft ist doch erfüllt von einem wundersamen Ahnen und einem süßen Duft und – ach, Du!! Du!!! Man kann's doch garnicht aussprechen, wie wundersam süß und berauschend der Frühling hier in Deutschland sein kann! Man muß sich nach Liebe und Zärtlichkeit sehnen, ob man will oder nicht – geht man einsame Wege und denkt an sein Liebstes, das in der Ferne weilt, und sieht man die großen, weißen Wolkenballen am Himmel ziehen, weit – ach weit weg, wohl bis zum Liebsten ziehen sie, so war es gestern abend, als der Regen nachließ und das Himmelsblau durchkam. Ach Du!!! Ich ging noch ein Stück an die Luft! Und ich war sooo voll heißer Sehnsucht nach Dir, mein Roland! Ach, könntest Du jetzt bei mir sein!! Wie die Bäume sich mit zartem Grün schmücken! Wie lieblich das duftet! Und das helle Gezwitscher aus unzähligen Vogelkehlchen erfüllt die Luft bis tief in den Abend hinein! Und jetzt, da ich hier sitze und schreibe, da schießen pfeilschnell die Schwalben am Fenster vorbei und fangen sich einen fetten Mückenbraten. Ach Du!! Ich glaube, ich muß nachher gleich noch einmal hinaus in den lieben Wald – muß meine Sehnsucht hinausführen, daß sie leiser in mir rufen möge – viel, viel leiser!

Ich will doch ganz tapfer ausharren, bis mein Herzlieb einmal zu mir kommen darf! Ich will doch alles, alles aufheben bis dahin, Du!!! Und darum muß ich mich auch ganz fest in der Gewalt behalten – darf auch nicht so sehr meiner Sehnsucht nachhängen, sonst fällt es mir gar zu schwer, das Warten! Herzlieb Du!! Aber, ich will ganz lieb und treu Dein warten. Oh ja Du!!! Ganz lieb und ganz treu!!!

Heute scheint die liebe Sonne, es ist ganz schwül draußen. Gestern gegen 5 Uhr hat es gewittert. Ach, Du glaubst nicht, wie herrlich alles duftete draußen! Du!! Du!!! Ich muß dann so sehr an uns[e]re vergangene, gemeinsam erlebte Zeit denken! Als wir in Lichtenhain zusammen weilen konnten bei H.s, den lieben Leuten! Und dann muß ich noch viel weiter zurück denken – als ich noch soo voll Erwartung und Sehnsucht und heimlichem Verlangen zur Singstunde ging, wo ich mein Liebstes, mein Bestes sehen durfte, was i[ch] mir überhaupt auf Erden denken konnte! Du!!! Ach Du!! Alles Vergangene, Süße, Schwermütige, es zieht herauf, wenn ich so dahinschreite auf den alten, lieben Wegen! Wie so viele Gedanken mich schon auf jenen Wegen begleiteten!, liebe, heimliche – schwermütige, traurige – und doch zuletzt alle schönsten und liebsten und hellsten Gedanken voll Glück und Sonne! Und ich ging dahin auch, mein Herzlieb am Arme!! Ach selige Zeit!!! Gott schenke sie uns doch bald, bald wieder!!!

Geliebter!! Auch Du sagst mir von Deiner Unruhe und Sehnsucht. Ach mein Herzlieb, Du!! Müssen wir uns nun sooo sehnen! Und niemand kann uns Erlösung bringen, als der, der uns zueinander lässt!! Wem ist es wohl zuerst in die Hand gegeben, daß Du in Urlaub gehen darfst, Du?!! Ihr seid im Moment ohne dringende Beschäftigung. Schön, daß Du Dich über den reichhaltigen Bücherschrank hermachst, da werden wenigstens mal die Gedanken freigemacht und abgelenkt vom Unmöglichen, daß [sic] man doch ständig in den Bereich des Möglichen rückt – daran fest hält, darüber nachgrübelt, alles Hoffen und Wünschen und Denken ist ausgefüllt von ihm. Ach Du!!

Wie sollte es wohl anders sein, zwischen Dir und mir? Es beseelt uns doch nur ein einziger Gedanke, über allem anderen: das Liebste um sich zu fühlen, bei sich zu haben. Und nicht eher wird das ungestüme Drängen gestillt sein, bis uns die Erfüllung dessen ward! Ja Du!! Nicht eher!! So sehnsüchtig wartest Du auf meine Boten – ebenso wie ich, Geliebter!! Und erst ein Nachzügler ist bis jetzt in Deine Hände gelangt. Wie lange Du Armer warten mußt!! Wenn Du nur erst ganz bei mir bist, Du!! Ich lasse Dich nimmermehr so lang warten, bis ich Dir sage, wie lieb ich Dich hab!! Du, ich versichere Dich dessen so oft, daß Du es unmöglich vergessen könntest!!! Mein Herzensschatz!! Ach Du!! Dann, dann – wenn wir beisammen sind! Eine ganze Welt voll Glück und Seligkeit will sich da vor uns auftun!! Was Du mir heute Heimliches und Süßes schreibst, vom Liebhaben und Hochzeitfeiern! oh Du!!!!!! Ganz, ganz leise nur davon sprechen Herzlieb!!! Sonst muß ich gleich mit dem Flugzeug zu Dir kommen!!

Mein Dickerle meint, daß es auch ein Nimmersatt sein kann? Du!! Wir werden einander zuletzt noch auffressen vor lau[t]er Liebe und Hunger!! Ach Du!! Mein!!! Mein [Roland]!! Dann werden sie wieder erklingen, die feinsten und zartesten Saiten unsres Herzens, unsrer Liebe – und sie werden in unser Glück stimmen – von Herz zu Herz – und dann will ich mein Herzlieb festhalten – oh – so ganz fest!! Und Du sollst spüren, wie Du mich ganz erfüllen kannst und ausfüllen mit Deiner Liebe und Zärtlichkeit, Du!! Und dann sollst Du ganz froh gewiß fühlen, wie ich so ganz Dein bin! Ganz Dein! Mein Herzlieb!!! Und ich will beglückt und selig Dich umfangen und nie mehr loslassen – mein ganzes Leben lang! Du!!

Gott schütze Dich! Er führe Dich bald heim! Du!!! Ich liebe Dich! Liebe Dich!!!

Deine [Hilde]

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946