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Briefkorpus

Freitag, am 23. Mai 1941.

Mein liebes, teures Herz! Du mein lieber, liebster [Roland]!

Heute bin ich zu Haus, wenn ich Dir schreibe. Und rings um mich her ruft die Arbeit, aber 2 Stunden nehme ich mir jetzt einfach weg, um meinem Herzlieb zu schreiben! Draußen ist‘s nicht besonders schön heute – zwar nicht kalt – doch trübe. Ich hab auch keine Zeit zum Spazierengehen. Dann will ich mit Mutter Wäsche einweichen! Ja, morgen ist bei uns Waschfest! Da kannst Du an mich denken, Dickerle! Wir brauchen einen Waschmann, der uns die Wäsche gießt! Wie wär‘s denn? Du!! Soll ich telegraphieren?!! Am Ende regnet es morgen und Du brauchst Dein Amt garnicht anzutreten! Dann kapituliere ich einfach und gehe mir Dir fort, irgendwohin, ins Grüne!

Aber nein! Leider sehe ich mich der Wirklichkeit gegenüber und nicht diesem schönen Traum! Du!! [H]eute früh habe ich schon die Wohnung gesäubert, damit wir morgen nur bei der Wäsche sein können. Auch das Essen ist schon gekocht für morgen. Die Hausordnung gescheuert. Ich gehe seit 6 Uhr früh um wie ein Feind [sic]! Eben habe ich gebacken, d.h. es steht jetzt im Ofen zum Backen. Eine Quarktorte und einen Kranzkuchen (Kartoffelteig = Kriegsrezept!)[.] Die Mutter weiß garnichts davon, und sie wird sich freuen, wenn‘s nach der Arbeit zum Sonntagskaffee etwas Leckeres gibt. Als ich heute mittag beim Kaufmann einholen war, gab es Quark und da hatte ich sofort meinen Plan! Du kennst doch dein Leckermäulchen, das späht immer aus nach etwas Besonderem und Seltenen! Jetzt ist nur nicht viel zu erobern; na, man muß eben das Wenige mit Liebe verarbeiten, dann wird‘s auch etwas Rechtes.

Wenn Du wieder bei mir bist, da möchten die Zeiten freilich anders sein! Dir will ich bloß ganz schöne Dinge vorsetzen, Du!!

Womöglich vergißt du aber dann beim Schmausen Deinen Nachmittagsdienst – das könnt´ ich doch nicht verantworten[,] Du!! Na, wir werden‘s ja erleben, wie Du dich anstellst!!

Krieg‘ ich jetzt einen Klaps? Du!?

Gestern abend in der „Germania“ war es schön, wir sangen Frühlingslieder und übten auch für Pfingsten (aus den Festglocken: [„]Komm heil´ger Geist…“). Dann gab es Kartoffelsalat und 1 Ei. Es hat sehr gut geschmeckt. Af Apfelsaft haben wir getrunken, Dickerle! Ach, da habe ich an meinen kleinen Süffel gedacht!! Kannst Du in „S.“ auch welchen bekommen? Oder gibts nur Wein?

Du! Wir müssen wieder mal nach Böhmen fahren miteinander, da hat uns doch der Apfelsaft am besten geschmeckt! Herzlieb! Du!! Die Zeit ist bald wieder heran, da wir zusammen verreisten! 1939 in den Pfingstferien. Ach Du!! Wie herrlich schön waren die Tage! Weißt Du noch vom Mondspaziergang nach dem Dubitzer Kirchlein? Und die Nachtigall hörte ich da zum ersten Mal im Leben schlagen! Und – Du!! Auf dem mondbeschienenen Wiesenplan, da kam es plötzlich über uns, und wir mußten einander sooo  lieb haben. Ach Du!! Du!!! Geliebter!! Ich will nicht weiter daran denken! Es war zu schön, zu süß! Wir werden die Zeit nie mehrvergessen – nein! Du! Mein Herzlieb! [Roland]! Du!!

Eben jetzt ist er gekommen, Dein lieber Bote, ich habe doch schon heute früh so auf ihn gewartet! Ach Geliebter! Das ist so sonderbar, wenn die Uhr ½ 9 Uhr früh zeigt, dann muß ich ans Fenster treten und Ausschau halten! Nach ihm! Nach ihm! Und es geht mir keine Arbeit aus den Händen[,] bis ich Gewißheit habe. Ob ja – ob nein! Ach Herzlieb! Ich bin doch so verwöhnt worden von Dir! Ich kann mir überhaupt nicht denken[,] wie es ist, wenn nun einmal keine Briefe mehr von Dir kommen würden. Aber, das gibt es ja garnicht! Du!!

Solange Du mir ferne bist[,] wirst Du mir auch schreiben. Ja? Du!! Du!! So wie ich Dir immer schreibe, Du!! Und wenn Du dann bei mir bist, dann passiert es vielleicht auch, daß Du mir einmal schreibst! Wenn wir uns gezankt haben, nicht miteinander sprechen – vielleicht? Ach Du! Du!!!

Wohin versteige ich mich denn? Du und ich böse? Verzankt? Das kann ich mir auch wieder nicht vorstellen! Das gibts bei uns nicht. Wir sagen einander nur einmal die Wahrheit wenn‘s not tut, dann ist es wieder gut, ja? Ach Du!! Wir sind ja beide so vernünftig! Und wir haben uns ja sooooo lieb, daß es garnicht zu einem Zwist kommen kann. Gewiß, in jeder Ehe kommen einmal Meinungsverschiedenheiten vor, aber Du, Herzlieb! Ich kann mir nichts denken, was wir nicht in Liebe und Verstehen und in guter Kameradschaft miteinander ausmachen könnten! Du!!

Darum bin ich garnicht bange, Herzlieb! Wo wir so verständnisvoll und lieb aufeinander eingehen können, das lernten wir doch schon! Und wollen es noch viel besser bringen!

Und ein jeder respektiert den Bezirk des anderen. Ach Du!! Du!! Wir sind uns doch ganz einig! Dein lieber Bote ist vom Montag, den 12. Mai, nun habe ich alle Nachzügler, mein Schätzel!

Und Du mußt noch immer warten auf Antwort von mir! Armes Herzel, Du!! Ich will Dir nur gleich ein paar ganz liebe, tüchtige Kussel schicken Du!! Als Entschädigung! Ach wenn‘s möglich wäre, ich würde ja gleich selber mit in den Briefumschlag kriechen und zu Dir reisen! Schlank genug bin ich geworden dazu! Ja! Wirst Dich wundern, wenn Du kommst! Und ich lasse dann den Brief einschreiben, da kommt er auch nicht weg! Meinst Du? Soll ich‘s mal versuchen? Gestern in der Singstunde sagten sie auch, daß ich so schlank geworden sei – weil ich ein Sommerkleid trug, ein dünnes – und die Wink[ler] Elly[schwer lesbar] , das freche Luder[,] sagte mir noch leise: aber jetzt kriegst Du Figur, seit Du Frau bist! Ich sage ihr, das sei mir vorher nicht aufgefallen, weil ich da noch überall dicker war – jetzt, wo ich mehr dünner bin, fällt die eine Stelle besonders auf.

Blödsinn sowas. Ach Du! Wenn ich Dir nur noch gefalle, als so ein langes, dünnes! Aber Du bist ja unterdessen auch nicht dicker geworden, ja?! Und das was unbedingt zusammenpassen muß, das ist bestimmt geblieben wie es war, genau so wie wirs aufgehoben haben vom letzten Wiedersehen! Du!! Bin ich ungezogen? Du? Ach – ich hab Dich ja sooooo lieb!

Auf Wiederhören, Herzlieb! Gott sei mit Dir, allezeit! Er führe Dich bald, bald heim zu Deiner [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946