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[OBF-410612-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 12. Juni 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Du mein liebes, gutes Mannerli!

Du!! Vom Rosenmonat sagst Du mir in Deinem letzten Briefe – ach Du! Bei uns ist es noch lange nicht so weit! Und bei Euch ist schon die ganze Pracht ziemlich vorüber – durch die Hitze. Ich muß eben darüber nachdenken, wenn ich hier am Tische sitze – im geheizten! Zimmer. Ja, Dickerle! Es ist unmöglich, ohne Feuer im [Z]immer still zu sitzen. Drei Tage Regen mit Sturm vermochten so eine große Abkühlung herbeizuführen. Ich fürchte für unsere Ernte. Wenn ich an voriges Jahr denke! Da gab es um diese Zeit schon Erdbeeren in großen Mengen, hiesige! Und wir hatten zu tun, daß wir noch paar frische zur Hochzeit bekamen – sonst hatten wir alle eingeweckt. Na, es ist heute, als wolle die Sonne wieder siegen. Hoffen wir das Beste!

Vom Badengehen schreibst mir auch! Du!! Ich bin bis jetzt nur einmal in die Versuchung gekommen, das war an den heißen Tagen, wo ich gerade das ‚Bärbele‘ bei mir hatte. Jetzt ist mir's viel zu kalt! Und ich dachte nun, Du hättest da wo Du jetzt bist, die herrlichste Gelegenheit zu baden!! War's wieder nischt! Da habe ich Dich also umsonst beneidet! Du!

Auch gut – brauch' ich nicht eifersüchtig zu sein – auf wen? na, auf mein nacktes Mannerli – nicht auf's Wasser!!! Ja Du – auch wir Frauen sehen gerne einen Nix!!! Siehste!

Das Boot, mit dem Ihr zum Essen fahrt, heißt „[Hilde]“? Schon immer? Ein deutscher Name? Oder gehört das Boot Deutschen? Du!! Da kannst Du ganz unbesorgt einsteigen, eine „[Hilde]“ schwimmt sicher und lange! Daß aber die Stadt nicht mal ein Freibad hat, wundert mich. Kommen wir wieder auf die altbekannte Tatsache, daß sich die Südländer nicht gerne ‚naß‘ machen! Ich freue mich richtig, daß Du alle Wochen ein Wannenbad nehmen kannst. Unsereiner ist das nicht gewöhnt, wie es im Süden gehalten wird!

Herzlieb! Als ich gestern nach unten ging, um Deinen Boten nach der Post zu bringen und paar Gänge zu erledigen, da sah ich Deinen lieben Boten im Kasten schimmern! Geliebter!!! Den vom Sonntag, dem 8.6.41, am Montag ist er abgestempelt, und am Mittwoch nachmittags war er schon bei mir! So schnell gehen Deine lieben Boten jetzt! Ich freue mich [ga]nz sehr darüber! Du!! Heute kam dafür mal keiner an!

Ob sie wohl mit dem Flugzeug einen Teil des Weges zurücklegen? Sicherlich! Und nun sehe ich auch, daß mein Lieb wieder Nachricht von mir bekam! Das ist erfreulich! Ach Herzlieb! Ich kann es ganz gewiß ermessen, wie sehr Du gewartet hast auf ein Zeichen! Und wie groß nun die Freude war, Du!!! Ich freue mich mit Dir, Du!!!

Geliebter! Wärest so gerne allein gewesen an dem Tage, allein mit mir – Du!! Lieber! Guter!! Mein Herzlieb! Du!!! Ich hatte Dir in einem meiner Boten, ich besinne mic[h] darauf, meine ganze, große übermächtige Liebe und Sehnsucht anvertraut – ich mußte Dir mein Herz einmal ausschütten, mein Lieb! Du bist sooo lieb zu mir! Und Du hörst mich an, Du!! Und es hat mich ja so erleichtert, mein [Roland]! Du!! Du!!!

[Du] Hast für mich so ganz lieb und innig mit gebetet, Du!!! Ich danke Dir! Mein [Roland]!

Ach! Du mußt nicht denken, daß ich immer so schwer an uns[e]rer Trennung trage Geliebter!! Es sind nur Tage, an denen ich unterliege, einer Stimmung unterliege. Du hast das auch schon selbst an Dir gespürt. Du!! Du!!! Du sollst Dich nicht sorgen um mich! Du weißt doch, wie tapfer und stark ich sein kann! Mein geliebter [Roland]! Ich bringe uns[e]rer Lieber jedes Opfer – Du weißt es – Du!!

Ich bin Dir sooo fest verbunden – ich lasse Dich nicht! Ich liebe Dich! Du mein herzlieber [Roland]!– Geliebter! Du berichtest mir so lieb ausführlich von dem Film, den Ihr Euch angesehen habt. Ich kenne den Titel, ist hier bei uns schon gelaufen – doch gesehen habe ich ihn nicht. Aber wenn er mal wiederkommt, [d]ann will ich ihn mir ansehen. Schön muß er sein – ich hörte dies Urteil schon hier bei uns.

Herzlieb; ich kann verstehen, daß diese Handlung des Filmes noch lange in Dir nachklang, er berührt unser beider Geschick in manchem. Ach Herzlieb! So wie die beiden Menschen im Film, viel mehr noch, lieben wir einander. Und lieben einander so glücklich! Ganz glücklich! Kein Mißverständnis zwischen uns – kein Hinderniß [sic]! Du!!! Ganz, so ganz gewiß sind wir einander! Du bist mein und ich bin Dein – für dieses Leben unlösbar verbunden. [U]nd so hart und so bös traf uns das Schicksal noch nicht – so kann es uns garnicht treffen. Und einen Trost haben wir, einen starken Helfer und Tröster über uns: Gott. Geliebter!! Ich halte aus mit Dir! Oh Du!! Du!!! Ich bin ja ganz Dein!! Und aus meiner übergroßen Liebe wächst mir die Kraft, ganz stark zu sein – zu warten! Du!!

Herzlieb! Du wartest mit mir – sehnsüchtig auf unser Glück des Einsseins! Ich weiß: Du hast mich nicht minder lieb! Du!! Du!!! Wir wollen unsern Gott bitten, daß er uns beisteht! Du!!!

Gestern war ich wieder bei G.s, um die Fleischmarken für Sonntag zu holen. Sie gehen mit uns, der Kantorei. Herr G. fragte mich, ob man Dich auch aufgefordert hätte, die Hauptlehrprüfung oder Hauptlehrerprüfung abzulegen. Man könnte ein Fach wählen: Deutsch – Geschichte – Musik u.s.w.. Weißt Du davon?

Wie sollte Dir das jetzt möglich sein? Du könntest Dich höchstens immer darauf vorbereiten, doch wer schickt Dir die Bücher? Sag' mir etwas dazu, Herzlieb!

Frau G. ging mit mir ein Stück dann und sie schenkte mir ihr Vertrauen, indem sie mir sagte, daß sie ein Kindchen erwarte, ich darf zu keinem sprechen davon – aber Du bist mein Ve[r]trauter in allen Dingen und bei Dir bleibt das Geheimnis gewahrt! Sie war erst beim Arzt und hat einen kleinen Eingriff machen lassen müssen – damals, als sie schon einmal mir das andeutete, war es noch nicht gewiß. Aber seit Pfingsten weiß sie es sicher. Ich freue mich so sehr mit ihr. Wie sie strahlt! Richtig schön sieht sie dann aus! Ihr Mann sei jetzt so nett zu ihr, geradezu reizend meinte sie. Jede Stimmung und Laune würde er hingegen früher meiden. Und wenn er so bliebe, die ganze Zeit hindurch, dann wäre sie so glücklich. Ich kann ihr Glück darüber nachempfinden. Sie hat mir gestanden, daß sie sich schwer zusammengelebt hätten. Vorher nie gesehen und gleich geheiratet und im eignen Heim gewohnt – das ist schwerer, ohne Zweifel, als unser Weg bis zum völligen Einssein. Aber nun sei alles gut. Das ist auch die Hauptsache, wenn sie nun Elternpflichten übernehmen.

Der Grund aber zu diesem allen liegt darin: Sie kann nun ihre Kinderschar nur noch einige Monate führen und ich scheine ihr die geeignete Person, dieses Amt zu übernehmen. Sie möchte mich gerne einführen, damit alles im gleichen Sinne weitergeführt wird. Ehrlich gesagt. Ich stehe dem gegenüber mit gemischten Gefühlen. Ob ich mich auch eignen werde?

Das wird sich finden. Ich will es versuchen; denn ich mag ihr diese Bitte nicht abschlagen. Ich habe ja so keine großen Pflichten weiter momentan, daß mir dieses Amt unmöglich wäre. Es sind 2 Stunden, die ich in der Woche einmal opfere. Aber: ich fürchte, daß man mich dann ins Frauenwerk (Partei) zwingt. Ich will nicht!

Ich warte ab – auch das wird sich finden. Einmal muß ich sowieso beitreten, nicht wahr?

Im großen und ganzen, von Schaden ist die ganze Sache [j]a nicht, ich werde mich in Zukunft, d.h. wenn wir beide zusammenwohnen in einem Orte, sowieso auch noch auf diesem Gebiete betätigen müssen. Meinst nicht auch? Und mit Kindern gehe ich ja an und für sich gerne um. Vielleicht ist es auch nicht von Schaden, wenn ich mir im Orte ein wenig zu schaffen mache, wegen dem Arbeitsbefehl, der an alle jungen Frauen erlassen wird?! Wie denkst Du dazu, Herzlieb? Sag mir 'was!

Für heute will ich meinen Brief schließen, habe noch einige Wege und abends will ich zur Singstunde gehn. [D]as Häsel ist da, kennst sie noch? Die kleine, dicke Elfriede E., die so laut singen kann! Sie kommt auch heute! Du!! Mein Herzlieb! Was mag nur sein?

Heute nacht träumte ich wieder sooo süß von Dir! Du!! Du!!! Ach Du!! Wir hatten einander soo lieb! Sooooo lieb!! Ich bin so enttäuscht wenn ich erwache und mein Herzlieb ist garnicht bei mir!! Ob Du bald zu mir kommen darfst? Voriges Mal, als die Zeit unsres Wiedersehens herankam, da mußte ich auch immer sooo süß von Dir träumen Geliebter! Du!!! Mein Lieb! Mein [Roland]! Ich liebe Dich!!!

Gott behüte Dich, er lasse Dich bald heimkehren! Du!! Ich küsse Dich! Du mein Sonnenschein!!! Geliebter! Mein!!! !!!!! !!!!!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946