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[OBF-410616-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 16. Juni 1941

Mein liebes, teures Weib! Herzlieb! [Hilde]lieb! Holde mein!

Eigentlich ist es schon Dienstag, da ich Dir schreibe – zu ganz ungewöhnlicher Stunde, frühmorgens um 2 Uhr. Darf ich gar nicht so laut mit Dir plaudern, damit die Stille der Nacht nicht verletzt wird. Ach Geliebte!!!!! Haben wir schon miteinander geplaudert so tief in der stillen Nacht? Du!!! Geliebte!! Ja, Du!!!!! !!!!! !!! Hubo muß heute eine Strafe absitzen. Am Sonntag sind wir von unserem Bummel nach „Lügenburg“ angeblich 2205 Uhr zurückgekehrt – unsre Uhr zeigte genau 22 Uhr – der Unteroffizier vom Dienst will uns nicht wohl – und so wurden wir für unsre Urlaubsüberschreitung bestraft mit 2 Stunden Nachtläufer. Das sitzt der Hubo im Läuferstübchen – soll auf das Telefon aufpassen – und schreibt seinem Herzlieb. Seine Strafe! Du!!! Und die Wache in der tiefsten Nacht habe ich gewählt, damit ich mit meinem Herzlieb könnte ganz allein sein! Ach – nun bin ichs Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Wenn Du doch jetzt wirklich bei mir sein könntest!!!!!! Ganz still ist es – auch das Meer schweigt. Und die Feder will nicht recht fliegen – und die Worte mögen sich nicht recht finden – so in der tiefen Nacht – will Herz zu Herzen sprechen – Seel in Seele münden, – Lieb zu Lieb sich neigen. Herzlieb! Dein holder Mund!! Dein liebes Herzlein!! Deine holde Nähe!! Du!!!!!!

Wirst jetzt träumen von mir? Ach, träumen nur!

Ach, wann werd ich zu Dir kommen dürfen! Ist soooviel zu erzählen! Will soooooviel Liebe sich verschenken, verschwenden! Geliebte!!! Ich schaue Dein liebes Bild! Glück strahlt Dein Auge! Und Dein geliebtes Antlitz spricht zu mir: Kann so klar und groß und weit schauen, Du!! Meine liebe [Hilde]! Jetzt aber – Du! – Jetzt schaut es zu mir auf – und wirbt – und bittet – oh Du! Mein Weib, mein liebes, holdes, Weib!! – nicht Weite jetzt – Nähe!!! Nicht fernschweifen – ganz nah sein!!! – nicht Größe jetzt – Innigkeit!! Innigkeit!!! – nicht Klarheit jetzt, kühle Klarheit – dunkel!! Tiefe!!! Versinken!!! Lieben! heißes Lieben!!! – Geliebte! Herzlieb!! Ich habe solche Sehnsucht nach Dir!!! Nach Deinem Wesen! Deinem Weibsein! Nach meiner Heimat!!! –

Am Montag ist gar keine Post gekommen – Dein lieber Bote ist also noch unterwegs. Wie ich auf ihn warte, Du!!!!! Ach Herzlieb! wie ich warte auf ihn, auf Deinen Gruß, auf Deine Zeichen, auf Deine Stimme – auf Deine Liebe!! Wie ich darauf warte – auf dieses Liebe! Du!!! Ich weiß es und fühle: sie ist mein Leben, mein Alles!!

Er kommt täglich, täglich schickst Du ihn auf den Weg, ich weiß es. Ach Herzlieb! Wenn Du jetzt eine Arbeit aufnähmest, Du könntest ihn dann nicht immer schicken. Geliebte! Hast mich doch nicht falsch verstanden damals! Schreibst mir, wie schnell der Tag um ist, wieviel immer getan sein will. Das Einkaufen braucht soviel Zeit. Mittagessen bereiten. Den Vater besorgen. Reinmachen und Wäsche dazwischen. Und so kleine Ehrenämter wie Kinderwarten dazwischen. Dein Tag ist ja ganz ausgefüllt! Und der lieben Mutter tut das gut!!! Und viel Arbeit ist es für mein Lieb, spät wird es darüber manchmal – und müde geht es meist zu Bett – müde vom Schaffen mit der Hand und mit dem Herzen! Verschwendet doch auch täglich seine ganze Herzenskraft an den Geliebten, an das Mannerli. Herzlieb!! Du kannst nicht mehr leisten – Du darfst nicht mehr schaffen, hörst Du?! Bist ja schon ganz schlank geworden dabei. Nein, mehr schaffen kannst Du nicht – nur anderes schaffen – hörst Du mich?!!! Und dann müsste Mutter zu Hause bleiben.

Wirst mich schon recht verstanden haben. Keinen Grund hast Du, unzufrieden und klein von Deinem Schaffen zu denken! Unzufrieden höchstens mit dem Kreis Deines Schaffens.

Unterhältst Dich mit mir vom Opfern des Mannes in Deinem letzten Boten. Meinst, Du könntest es vielleicht nicht ganz begreifen, meinst, die Frau denkt sorgend immer an das nächste [sic], liebste [sic], an den engen Kreis – der Mann hingegen ist auch fähig, für etwas Größeres, ferner Liegendes, wie das große Vaterland sich zu opfern. – Aber Opfer bringen beide – des Opfers bis zum Letzten sind beide fähig! – Daß der Wert, dem Mann und Weib Opfer bringen – hier Mann und Kind, da Vaterland – verschieden ist, mag wohl in den verschiedenen Sphären des Denkens und dem Wesensunterschied zwischen beiden begründet sein. Herzlieb! So verschieden aber doch nun wieder nicht, daß wir einander gar nicht begreifen könnten. Meinst, Dein Mannerli denkt und sorgt [sic] nicht um das Nächste, das Liebste, um sein ganzes großes Glück? Und was sein letzter Gedanke wäre, wenn es ans Sterben ginge? Vaterland?– Nein! Nein!!! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Und vielleicht ist das gar kein Gegensatz, – so wie es hier dasteht. Meine Heimat bist Du – die ich unendlich liebe!!!!! Und Du weißt auch, wie ich die größere Heimat liebe, unser Deutschland mit seinem unendlichen Reichtum an Schönheiten der Natur und den Werken seiner großen Söhne. Ach, Herzlieb, wir beide sind ihm verhaftet mit Leib und Seele – wir tragen es in uns, Du und ich, so reich – und darum verspürt Dein Mannerli alle Fremde so stark, mehr als viele andere. Aber der Motor allen großen Kriegertums, das wir und Ihr daheim bewundert, Geliebte, ist die Pflicht vor allem. Und die Leistung dieses Krieges ist vor allem eine Gesamt=, eine Gemeinschaftsleitung. Wir müssen in den Krieg ziehen, und dein Mannerli musste Dich verlassen – und dieses Muss ist eine Pflicht, über die wir nicht murren, sondern die wir anerkennen und der wir uns fügen als einer unausweichlichen Notwendigkeit. Schimpflich, wer sich drückt. Und das Gebot der Pflicht und das Gefühl für Ehre und Schimpflichkeit ist es, das die Männer aus den schützenden Gräben zum Sturmangriff vorgehen lässt. Schimpflich, wer verzagt.

Herzlieb! Idealismus und Heroismus und Opfersinn und Vaterland tragen sich leicht auf der Zunge. Sie sind so selten wie die Taten unsrer Größten. Der Opfertod Christi und sein Leiden sind die Größten allzeit. Kühnheit, Wagemut, Abenteuerlust, Unternehmungsgeist finden natürlich auch im Kriege ihr Betätigungsfeld – ja dort erst recht – sie sind Begabungen, so wie die anderen, die an den Werken des Friedens sich erproben. Alle tollkühnen Wagnisse und Handstreiche und die bewunderungswürdigen Taten unsrer Flieger sind nur so zu erklären. Dein Mannerli ist kein solcher Krieger – es hat nicht die Kräfte zu solchen Taten – es wird ganz bescheiden ohne Orden heimkehren – es wird nie Redens machen von seinemn Feldzug. Es tut nur seine Pflicht – aber die tut es, muß es tun – und ganz, Geliebte, so, daß es vor sich selbst bestehen kann. Geliebte. Ich bin Gott so unendlich dankbar, daß er mich nach meinen Kräften bedachte – daß er mi[r] den schwersten aller Kämpfe und Konflikte ersparte: zu wählen zwischen der äußersten Pflicht und der großen Liebe zu Dir! Du bist mir so nahe, oh so nahe, bist mein Allerliebstes, Allernächstes, daß ich doch darüber alles andere vergessen könnte – daß ich darüber vielleicht sogar diese äußerste Pflicht vergessen könnte!!! Nicht um mein Leben, nicht um Leiden und Schmerzen an meinem Körper – Herzlieb, ich kann viel ertragen und verwinden – aber um den Schmerz meiner Geliebten, uns[e]res großen Glückes, unsrer reichen Liebe. Und ich weiß: Du verstehst mich – weil Du mich ebenso liebst. Und Du liebst mich eben darum, weil ich so bin. Geliebte! Meine liebsten und heimlichsten [sic] sind bei Dir! Und alle Herzenskraft und Herzensliebe geht zu Dir – und baut an der Brücke zu Dir – zu meiner Heimat. Ich kann nicht anders. Und Gott muß es wohl so mit mir, mit uns, vorhaben, daß wir einander so liebhaben müssen und festhalten – auch über alle Ferne – über alle Pflicht. Er wird auch fernerhin mit uns sein, wird uns führen und bedenken nach unseren Kräften. Er behüte Dich und erhalte Dich froh und gesund.

Geliebte! Es ist schon hell draußen. Dein Lieb hat gleich eine Stunde über die Zeit gewacht – um mit Dir zu plaudern. Ich habe Dich ja sooo lieb!!! Du!! Ich küsse Dich! Oh Geliebte!!!!! Ich bin Dein, ganz Dein!!!

Dein [Roland] – mein Herzlieb!!!!! !!!!! !!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946