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[OBF-410619-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 19. Juni 1941.

Herzlieb, Du!!! Meine liebe, liebste [Hilde]!!

Drei liebe Boten sind zu mir gekommen heute, die vom 10. 11. und 12. Juli [wohl: Juni]. Fein pünktlich geht die Post jetzt – ach, wie gut ist das – und Du bekommst sie ja ganz schnell manchmal – siehst, so stürmisch ist das Mannerli! Na, ich will vorsichtig sein – mein lieber Bub zu Hause kann es nicht weniger sein! Du!! Fein, wenn sie sich nun wieder der Reihe nach vorstellen. Am [Bes]ten, es kommt jeden Tag einer. Zu viel des Glücks beinahe, wenn sie gleich zu Dritt sich vorstellen – ach, und manchmal doch auch tröstlich. Was der gestrige Tag grau und trübe uns erscheinen läßt – der heutige Tag zeigt alles heller und klarer. Ein wunderliches Spiel überhaupt zwischen Frage und Antwort. Wenn mein Herzlieb nun in seinem Boten anspielt auf das, was mich vor 14 Tagen bewegte, da muß ich mich ja erst richtig lange besinnen. Wiederum bin ich auf manche Antwort gespannt. Und zu ulkigen Überschneidungen kommt es auch: [p]laudert doch der Bote schon vom Päckchen, wenn es noch gar nicht da ist. Die Verzögerung erklärt sich daraus, daß Frau K. 8 Tage in [uleserlich] weilte. Nun wird es in Deinen Händen sein. Ach Herzlieb – und am längsten simple ich doch darüber, ob wir zusammen uns freuten am selben Tage – ob wir zusammen uns sehnten. Du! Herzlieb, verzeichnest so lieb und treu, wenn Du so süß von mir träumen mußt!! – ich will es nun auch, Geliebte. Vor Dir brauche ich mich nicht zu schämen. Herzlieb!! Es befreit und erleichtert, wenn wir einander unsre Sehnsucht und Sorge gestehen. Du! Vorgestern, am Dienstag, habe ich Dich wieder ganz sehr liebhaben müssen, Du!!! Ach Herzlieb! Ich will es doch nicht, möchte doch alle Liebe aufheben – und muß doch sooo mich sehnen. Aber nun wird es mir leichter sein – Du wirst mir helfen, Herzlieb!

Ein reiches Programm hat mein Herzlieb wieder vor – woher nimmt es nur die viele Zeit? Kantoreiausflug – Rhabarberfang – Urlaubsreise – Heidelbeerurlaub nach Kamenz – Geliebte! Ich gönne es Dir von von Herzen und Wwünsche nur, daß Du mir heil und gesund bleibst – und daß Dir ein wenig Freude geschenkt werden möchte. Ach, ich weiß, es geht Dir so wie mir – rechte Herzensfreude wird erst sein, wenn wir einander wiederhaben. Nun muß sich ja alles schnell entscheiden um Eure Urlaubsreise. Vielleicht klappt es nun doch in Schmilka. Heute schreibt mir Mutter, daß Vaters Urlaub am 22. beginnt, just mit dem Deiner Mutter. Ich möchte sagen: sehr schade, daß Ihr den Urlaub nicht zusammen verleben wollt. Aber in Dehsa – dahin wollen die Eltern – in Hermanns Hause, da können wir uns nicht wohlfühlen, da ist keine rechte Erholung. Na, ich will mich nicht zu sehr in diese Geschichte hängen, womöglich ist unterdes alles längst geregelt – müßt diesmal schon allein raten und taten [sic], Ihr tapferen Frauen, und ich habe ja ein ganz umsichtiges Weiberl, da kann ich ohne Sorge sein. Der Hubo kümmert sich lieber um den Urlaub, ja? Du!!! Das ist ganz sein Geschäft! Aber eine ist, für die er es treibt, Geliebte!!! Ich kann Dir noch nichts Gewisses sagen und nichts versprechen.

Der Reizen ist noch nicht eröffnet. Die Kunde von der Aufhebung der Sperre ist uns neu. Aber es wird schon gebohrt von vielen Seiten, und täglich wenigstens einmal wird an dieses Thema gerührt. Heute ist fernschriftlich bei einer vorgesetzten Dienststelle angefragt worden, wie es sich nun damit verhält. Ich bin gespannt auf die Antwort. Kommenden Donnerstag wird unser Spieß in Urlaub fahren. Er will sich verheiraten. Wenn er zurückkommt und der Urlaub ist frei, kann vielleicht aus der Schreibstube wieder ein Mann fahren. Herzlieb! Vielleicht! In der Kompanieschreibstube sitzen jetzt Dein Hubo und H. und Z., unser Läufer. Kamerad H. hilft gegenwärtig im Hafen aus. So. Weiter mag ich nichts sagen – aber mit Dir treu und lieb hoffen, das tue ich – und sobald diese Hoffnung greifbar wird, erfährt auch mein Herzlieb davon, als allererste! Du!!!!! Weißt, ein klein bissel bange ich darum, daß mir Orts- und Luftwechsel gut bekommen möchten. Es wird alles gut werden. Mein Kopfschmerz von gestern hat sich verloren – dafür geht es mir im Leibe um – aber Durchfall habe ich nicht. Weißt, ich setz mich hier gar nimmer auf die Brille, damit ich mich nicht anstecke. Ganz warm habe ich mich angezogen und die kommenden Tage will ich ganz scharf meine Kost beachten, alles meiden, [w]as die Eingeweide unnötig reizt. Viele hat es schon gehascht mit dem Durchfall – aber es ist bei allen bisher gutartig verlaufen. Dreimal hintereinander sind wir dagegen auch schon geimpft worden. Man sollte nicht glauben, daß man hier, im fremden, warmen Lande der Erkältung mehr ausgesetzt ist als in der rauheren Heimat.

Da fallen mir eben zwei geschäftliche Dinge ein, Herzlieb! Eine Chlorodontzahnbürste kaufe und schicke mir bitte. Zahnbürsten gibt es hier auch, die Kantine hat welche. [A]ber Dein Mannerli bleibt gern bei derselben Marke – das weiß mein Lieb doch! Und – magst in Deine Boten wieder mal ein paar Blaue mit einschmuggeln – vorerst mal bis zu fünfzig Wesen, ja? Du!! Ich brauch es nicht für mich. Möcht mich doch gern noch nach etwas recht Schönem umsehen für mein Herzlieb!!

Nun geht die Uhr schon wieder auf ½ 11 Uhr. Um 9 Uhr wird es meist, daß die drei Schreibergefreiten sich um „des Lichts gesell'ge Flamme“ scharen und nach Hause denken. Und einer wird immer nicht ganz fertig in der abgemessenen Zeit – „Was Du nur immer schreiben magst!“ „Diese schreibende Gestalt wird mir immer in Erinnerung bleiben!“ Du!!! Zwischen uns gilt: wer viel schreibt, hat sich viel lieb, ja? Du!!! Wer sich viel schreibt, hat sich viel zu sagen – das gilt gewiß allgemein – und wenn zwei sich viel zu sagen haben, dann sind sie einander gewiß nicht überdrüssig, aber ganz lieb vertraut. Du!!! Du!!!!! Wir haben einander doch soooviel zu sagen – und wenn wir einander sagen müßten, es nur sagen dürften, wie sehr lieb wir einander haben, dann würden wir ja gar keine Ende finden. Und ganz froh es soll es Dich machen zu sehen, wie es mich drängt, Dir alles mitzuteilen, wie nichts zu schwer ist und ‚kompliziert’, das ich es Dir nicht anvertrauen könnte a und auf Dein liebes Verstehen zählen. Ach, daran hat ja Dein Hubo überhaupt nicht mehr gezweifelt. Nur mein liebes Weib war ein bissel unzufrieden mit sich selbst – ohne jeden rechten Grund. Du, Herzlieb! Denn, der einen Gl[au]ben hat, ist diese Welt so schön und klar und einfältig – wie mein Herzensschatz selber! Hinter allem Komplizierten bin ich immer mit einem Verdacht hergewesen: haben die Menschen es nicht erst kompliziert? Wir sehen täglich, wie sie sich in alle Niedrigkeiten und Häßlichkeiten verstricken – wie sie, anstatt sie zu klären, alle Verhältnisse verdunkeln. Es sind Rätsel in dieser Welt – und es gibt schwere Gedanken für kluge Köpfe. Aber sie sind nicht dort, wo man prahlt und kompliziert tut, sondern dort, wo man sehr scharf nachdenkt und klare Fragen stellt. Geliebte! Du!! Wir sind uns so verwandt!! Ich liebe sie sooo sehr an Dir: das wahre, offene, klare Wesen, die wachen, hellen Sinne. Die Sauberkeit und Natürlichkeit Deines Empfindens!! Ach weißt, neben einer komplizierten, zimperlichen Frau, neben falschem Getue und Heuchelei hielt ich es nicht aus – nein – sie sind meinem Wesen ganz zuwider.

Dein liebes Wesen – und Deine Liebe!! Oh Du, meine [Hilde]!!!!! – ich bin doch sooo glücklich! Wer ist es noch so wie ich? Und ich bin es – weil wir es beide sind! Geliebte!!!!! Meine liebste [Hilde]!!!!! Mein liebes holdes Weib!!!!! !!!!! !!! Du bist mein!!! Mein!!!!! !!!!! !!! Du!!! Hast ein ganz glückliches Mannerli!!!

Gott sei mit Dir! Auf allen Deinen Wegen! Er führe uns recht bald zusammen – für immer! Du, mein Herzlieb! Mein Herzblümelein! Mein Herzensschatz!! Mein Kußmündchen! Mein Herzlieb! Mein liebes, treues, schönes, süßes Weib! Du!!! Du!!!!! Ich liebe Dich!!!!!!!!!!!!!

Ich bleibe Dir, bleibe ewig Dein [Roland]!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946