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[OBF-410621-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 21. Juni 41

Mein lieber Herzensschatz! Herzlieb, Geliebte mein!

Siehst, so kann es leicht kommen, daß man denken kann, der Gefragte gehe auf die Frage gar nicht ein. Heut kam der Bote vom 6. Juni 1941 zu mir, ein Nachzügler, auf den ich gar nicht acht hatte, in dem Du mich so lieb viel Liebes fragtest, Du!!! Jetzt muß ich aber mein Herzlieb erst mal ganz lieb herzen und küssen. Hat es mich denn so sehr lieb? Muß es sich sooo sehr sehnen? Wer macht ihm denn soviel Unruhe? Der alte lange Hubo – der soviel Liebe und Freude [sic] – – womit hätte er sie verdient? Ach Herzlieb! Wieviel Unruhe ist in Dir – nun werd ich doch bald einmal kommen müssen, Geliebte! Soviel Unruhe! Und wenn ich Dir helfen möchte heute, muß ich ja sagen – und möchte Dir lieb sein morgen, muß ich nein sagen, muß mir widersprechen. Das tut Dein Mannerli aber gar nicht gern! Und dafür fühlt er sich als Steuermann, daß er einen geraden Kurs hält. Du, Liebes, hör, das soll kein Vorwurf sein!!! Der böse Krieg – die böse Trennung – und all das tiefe Sehnen und Warten – ach, Du weißt, wie auch ich darunter leide! Und, Herzlieb! Ich bitte Dich ganz lieb, sollst mir immer auch weiterhin Dein Herz ausschütten wie ich Dir das meine!!! Wenn Gott es fügt, daß wir dann immer miteinander sein dürfen, kommt alles wieder ins rechte Geleise. Dann werden wir auch nicht mehr über ein Wort stolpern oder über einen Schreibebrief [sic] – und Papierkusseln [sic] und Papierherzeln [sic] gibt es dann überhaupt nicht mehr, bloß noch echte!! Du!!! Herzeln auch? Du? Ja? Oh! Da tät ich mich aber freuen!

Ach, über ein Stück Papier kann unsre große Liebe doch gar nicht stolpern, niemals! Und ich weiß ja nicht, ob das mein Herzlieb mag – daß ich ein klein bissel Feuer und Unruhe mehr seiner Jugend zugute halte, daß das ältere Mannerli manchmal väterlich seinen Arm um es legen muß, wie es ihm ja auch zukommt. Du! Aber jung sein will Dein Mannerli trotzdem und Dich liebhaben, so sehr wie Du mich!!!

Ach Herzlieb, ich glaube, das war ungereimt.

Ich habe mich ja soo sehr gefreut über Deinen lieben Bericht! Du, Herzliebes! Du! Wieviel Glück steht uns denn noch bevor? Soo sooooviel? Du!!!!! Ach, Gott walte es gnädig! Und welch liebes Weib habe ich an Dir gewonnen!!! Das wird der Hubo wohl dann erst recht inne werden, wenn uns Kinder geschenkt werdn. Und er ist doch jetzt schon so überreich und überglücklich!

Du!! Wer mir in Oberfrohna erzählt hätte, daß das Fräulein [Laube] ein gutes Hausmütterchen sein könne und eine geborene Kindsmutter – dem ich hätte ich doch nicht geglaubt. Ach, er hat ja noch ganz anderes nicht geglaubt und für möglich gehalten – und nun ist doch alles gut, Du!!!!!

Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Das allerliebste, allerbeste Kindlein möchte ichDirdoch wecken!!! Geliebte!!! Und daß Du Dein Mannerli nicht vergessen hast über Deinem Pflichteifer, das danke ich Dir von Herzen, Gelie[bt]e! Du bedenkst mich ja so reich, immer!

Nun muß ich aber doch noch einmal auf den Widerspruch zu sprechen kommen – und damit Dir gleich Antwort geben auf Deine Fragen.

Herzlieb! Du weißt noch, wie ernst wir uns nach unserem Beisammensein in Barkelsby über den Wunsch des Kindleins ausgetauscht haben. Wir haben uns damals durchgerungen zu froher, bejahender Bereitschaft – auch Dein Mannerli. Das Mannerli, das früher einmal bangte darum, daß Du doch dann Deine Liebe teilen müßtest. Herzlieb! Des sollst Du froh gewiß sein: Dein Mannerli, das Dich inzwischen erlösen lernte und sein Glück lesen aus Deinen lieben Augensternen – es will mit Dir unsre Liebe krönen – es sieht in dem Kindlein die Krönung all unsrer Liebe!

Und dann war doch eitel Jubel und Freude in uns, daß alles nach unseren heimlichen Wünschen gegangen war – und in der Tiefe schwang auch mit die Freude darüber, daß wir uns durchrangen, überwanden und einander in Liebe verstanden und aushalten.

Geliebte! Und die heimlichen Wünsche von damals, sind sie es noch? Du rufst sie wieder all herbei in Deinem lieben Boten – und diese heimlichen Wünsche, Du weißt es, wir begegneten uns in ihnen. Und wohin soll ich denn mit aller Glückseligkeit im Herzen, wenn Du mir sagst, bekennst, daß Du mich noch ganz, ganz für mich Dich allein haben mußt erst, bis das Feuer ruhiger brennt in Dir!!! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!! Daß ich Dich noch viel, vielmals erlösen muß! Oh Geliebte!!!!! !!!!! !!! Und ich sehe und verstehe Deine Sorge um den Zwiespalt. Und Du weißt, daß auch Dein Mannerli Geduld fassen muß dann – aber in Deiner Nähe wird ihm das leicht fallen – und dem Mannerli ist auch leichter zu helfen – Du hast ihm doch schon einmal geholfen – weißt es noch? – Herzlieb! Die heimlichen Wünsche sind auch noch in meinem Herzen – auch die Sorgen.

Aber die Bereitschaft, zu der wir uns durchrangen damals, Geliebte, sie ist geblieben, sie ist noch reifer und stärker geworden seither. Ernster ist alles geworden, größer und härter die Trennung, schmerzvoller Sehnsucht und Warten. Ich habe schon mehrmals an Deine Bitte denken müssen, Deinen Wunsch, daß Du ein Kindlein haben möchtest, wenn ich weit fortziehen müßte. Geliebte!!!!! Mein liebes, liebes Weib!!!!! Sonnenwend ist heute – und was wir heißen Herzens hofften, die Wendung, Entscheidung, Höhe, von der aus man das Ende dieses Krieges ablesen könnte, ist noch nicht da. Herzlieb! Ich will nicht schwarz malen. Und wenn es noch dunkler käme,– Gott ist mit uns! Ach, und noch stehen viele Hoffnungen offen. Wer kann wissen, ob die Entscheidung nicht schon vorbereitet ist, daß sie täglich fallen kann? Unvorhergesehenes kann rasche Wendung bringen. Aber es ist uns verborgen. Und wir müssen Geduld haben.– Und wenn wir uns nun wiedersehen dürfen – und immer noch alles verborgen [ist] – und wir haben einander ganz lieb – und wir sind ganz glücklich – und mein Herzlieb bittet – und es liegt in dieser Bitte doch Wunsch und Geschenk zugleich!!– „Bleib! Bleib!!“ – Geliebte!!!!! Ich glaube, dann könnte ich nicht anders – ich müßte bleiben dann, Du!!!!! !!!!! !!!

Häufen wir dann aber nicht mehr Sorgen [an]? Neue Sorgen?

Begeben wir uns dann nicht des größten Glückes? Handeln wir dann nicht auch gegen jede gute Einsicht?

Geliebte! Ich schrieb es schon: die Stunde, da wir uns ein Kindlein wünschen, ist eine große Schicksalsstunde, in der wir alles nur Gott befehlen können – Sorgen und Rechnungen und Einsicht vermögen dann nichts.

Dir meine Liebe zu zeigen, und der Wunsch, Dir zu helfen, sie könnten mich dann allein bestimmen.

Du darfst Dich nicht verzehren vor Sehnsucht!

Und widerum [sic]: „ich brauche Dich ja sooo sehr, wenn ich unser Kindlein trage!“ „Ich will Dich ganz allein haben noch ein[e] Weile!“

Herzlieb! Welcher Stimme soll ich dann folgen, welchen Wunsch Dir erfüllen – was wird uns helfen in diesem Zwiespalt? Meine [Hilde]! Geliebte!! Ich will mit Dir beten um Geduld und festen Glauben – will mit Dir Gott vertrauen – er wird es fügen, wie er gütig und gnädig alles fügte bisher. Ach, er weiß soviel Rat und Hilfe, soviel Wege, ihm dürfen wir uns getrost anbefehlen.

Mein liebes, teures Herz! Mitternacht ist gleich! Die Kameraden schlafen schon. Ich habe mich mit Deinem lieben Boten in die Schreibstube gesetzt – und nun bin ich schon eine ganze Weile allein mit Dir, Herzlieb!

Und ich muß ihn ja wieder und wieder lesen, den lieben Brief. Herzlieb, Herzlieb! Und nun muß ich mich ja wieder so sehr sehnen – und Du bist ganz nahe, bist bei bei [sic] mir mit Deiner großen Liebe und Deiner Zärtlichkeit und Deinem Weibsein und Deiner Hingabe und Schönheit und Süße – oh Geliebte! Wie wird mir!! Das Schlüsslein – – – nein, das darf ich nicht erzählen, ich habe es mir doch vorgesetzt – und ich will auch nicht mehr so spätabends schreiben – und will bei den Kameraden bleiben – aber heute war so wenig Zeit, und ich mußte Dir Antwort schreiben. Herzlieb! Wirst [D]u mir verzeihen, wenn ich Dich so liebhaben mußte? Du!!!

Nun will ich mich schlafen legen.

Herzlieb!! Hab Dank, hab großen, tiefen Dank für all Dein liebes Meingedenken, für Deine unermeßliche Liebe und Treue. Du!! Wir brauchen einander doch gar nicht zu danken, weil wir einander so liebhaben müssen! Oh, sooo, sooooo lieb!!! Du!!!!!

Du! Dein Mannerli ist so froh und glücklich – auch in der Fremde – weil Du bei ihm bist – weil Du so treu zu ihm kommst alle Tage. Muß sich nur sehnen – wie Du!!

„Magst Du so wie ich will mich lieben?“ Herzlieb! Wenn ich wieder bei Dir bin – dann weiß ich doch gar nimmer, was ich will – dann wollen wir doch miteinander und kennen gar nimmer auseinander, was mein und Dein Wille ist. Nur ganz liebhaben, ganz sehr liebhaben muß ich Dich dann und in Deine lieben Guckaugen schauen – da steht alles drin zu lesen, wie ich mein Herzlieb ganz glücklich machen kann – und das will ich, Du!!!!!!!!!!!!!

Gott sei mit Dir auf allen Wegen! Er wache gnädig über unserem Glück.

Herzlieb! Heute noch – fasse ich Deine liebe Hand wieder! Wie ich mich darauf freue!

Ich bin in Liebe und Treue ewig Dein [Roland].

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946