Bitte warten...

[OBF-410623-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 23. Juni 1941

Mein liebes, teures Herz! Herzlieb, Holde mein!!

Wo find ich Dich denn nun heute, Geliebte? Dein lieber Bote vom 14. Juni gibt mir Antwort. Ob Ihr denn nun wirklich dort seid? Mein Herzlieb im Elbschlößchen?!! Am lieben Elbstrome? Und am Schienenstrang, der hinauf führt ins Paradies, Herzlieb!, und darüber hinaus bis zu mir – paß nur fein auf, manche Tage hängt der Wagen nach Saloniki dran, mein ich. Und ich weiß, mein Herzlieb schickt mir tausend liebe Gedanken und Wünsche – südwärts, südostwärts. Dein Mannerli war doch immer so bubenhaft närrisch, wenn nun mal der Athener Wagen mit dranhing – in die Ferne hat es immer gern gedacht und ihre Bewältigung froh empfunden – und vnun hat diese Ferne er aufgenommen – und nun ist es festgehalten da – wie gern es auch zurückmöchte!!! Vorbeibrausen an meinem Herzlieb – ja!! – das möcht ich, mit der Stromlinienmaschine – vorbeibrausen, ihm winken – – bis nach Schandau. Dann müßt er aber aussteigen – aussteigen!!!!! Und dann ganz schnell zurück – ach, womit denn gleich – Geliebte, zu Dir!!! zu Dir!!!!! Wo find ich Dich denn nun? Du!! Im Elbschlößchen kenn ich jeden Winkel, da kannst Dich nicht so leicht verbergen – ach und überhaupt, sooviele [sic] Verstecke gibt es gar nicht im ganzen Elbtale. Heut kann ich es ja erzählen: wie der Hubo ausgezogen ist, ein paar heimliche Plätzchen zu suchen für die Zeit des Besuches – ein paar ganz heimliche, Du!!! In Lichtenhain hab ich auch noch eines, das mein Lieb noch gar nicht kennt! Die Suche war gar nicht so leicht: sollte doch abbiegen vom Wege, und ein hübsches Plätzchen, und mit einem grünen Grasbettlein – Du!!! Du!!!!! – so ein feines wie im Peniger Wald ist nicht überall – zweie hab ich gefunden – sie sind gewiß noch da und nicht vermietet – ich finde mich auch noch zu ihnen. Herzlieb! Zu ihnen wollte Dich das Mannerli führen, Du!! Wär mein Lieb denn auch mitgegangen? – Auch ins Grasbettlein? Du!!!!! Ich hätte mir's gefangen. Du!! Das Herzlein hatte mir ja schon so gepocht, als ich die Plätzchen suchte. Und – glaubst denn das auch? – Ich war ein bissel froh, als meine Mutter dazwischen kam! Ja! Herzlieb!! Ich hätt Dich doch müssen ganz lieb haben – und wir waren doch noch gar nicht Weiberli und Mannerli – und davor hatte der Hubo doch solch komische Angst – wollt doch seinem Lieb gar keinen Kummer und Schaden machen – Du!!! – wollt doch das Liebste erst tauschen, wenn wir einander für dieses Leben anvertraut hatten! Du!!! Aber ein bissel neugierig waren wir doch beide – und haben ein bissel geguckt – und am neugierigsten – – ??? war doch – das Mannerli!! Ja, ja!!!

Herzlieb! Weilst nun am Ort so süßer Heimlichkeit! Wenn ich mir jetzt etwas wünschen dürfte – Du!!!!!

Fast auf die Woche genau wiederholt sich nun dieser Aufenthalt für Dich. Oh, Herzlieb! Vor einem Jahr begann für mich die lange Zeit der letzten Geduld. Ich glaube, 5 lange Wochen habe ich warten müssen – oh, sooo lange!! Und die Sonntage! An einem war ich auf der Schäferwand in Bodenbach. Es wollt mir doch gar nimmer allein gefallen! Ach nein – Du, Geliebte!! Dein Mannerli freute sich doch so unbändig – er brannte vor Ungeduld – nun mit Dir ein ganz neues Leben ganz von vorn zu beginnen, mit Dir, Geliebte!!! O, soooviel heiße, glückliche Ungeduld an der Schwelle zu diesem langersehnten Glück!!

Und nun stehen wir noch da – und warten und lernten uns gedulden.

Ach Herzlieb! Mit meinem Aufenthalt in Schmilka wird doch auch immer die Erinnerung verbunden sein an jenen düsteren Sonntag der Kriegserklärung. Mit dem Bilde des engen Tales der Drang nach dem Ausblick.

Und nun hast Du, Geliebte, gestern all das mir nacherlebt vielleicht. Oh, diese Unrast in den engen Wänden! – Wie eine Lüge dann die Lieblichkeit ringsher! – Ach, möchte es Euch nicht so hart angekommen sein. Ich wünsche Euch doch von ganzem, ganzem Herzen einen schönen, lieben Aufenthalt – und gute Erholung – der Mutsch viel süßes Nichtstun und Stillesitzen – und meinem Herzlieb? – daß es wieder ein bissel dicker wird – damit es in die Handschuh paßt – Du! Ob nur das Mannerli sich schon mal um die Dickde [sic] gekümmert hat?!!!

Ja - und die Boten? Die laufen derweil alle ins Dornröschenschloß – und ich denk mir, mein Herzlieb wird sie fein klug umbestellt haben. Ich mag sie ja nicht umschreiben – es ist zu unsicher.

Da lese ich doch heute - daß Du mir doch ein paar Tage gar nicht schreiben darfst – Postsperre von der Heimat zur Front – das paßte doch richtig zum Urlaub! Du!!! Herzlieb! Ich weiß doch, daß Du meiner denkst trotzdem – alle Tage! Daß Du lieb mir berichtest – Deinem Papa! Du!! Was gönnte er seinem Lieb, seiner Mama, an Gutem nicht? Und die Kosten? Darnach hat er doch kaum noch gefragt, wenn es sein Herzlieb anging. Davonschwimmen? Du!! Wenn die Warnung nur nicht zu spät kommt! Die freie Elbe darfst mir nicht durchschwimmen!

Ausflüge? Nach dem Winterberg einmal – und nach Bad Schandau – und nach Lichtenhain – Du! Ich werd ja überall mitdürfen, mein Herzlieb nimmt mich doch mit in seinem Herzen! Könntest mich wohl einmal verlieren, wenn Du nun so allein gehst? Könntest einem andern Hubo begegnen? – Ach Herzlieb! Was denk ich denn? – Das ist ja ganz unmöglich – und ich weiß und fühle es doch ebenso wie Du – und habe es doch erst in einem der letzten Boten geschrieben: alle glückliche Liebe ist ganze Liebe! Glücklich ist unsre Liebe und ganz, Du!!!

Keinem zweiten Herzlieb kann ich je begegnen! Niemals!! So ans Herz wachsen kann mir kein zweites Menschenkind. Zu einem nur strahlte einst alle Sehnsucht – bei einem fand sie all Erfüllung. Und wenn ich einem begegnete, das mir gefiele, es weckte doch nur mächtig alle Sehnsucht und alles Heim[we]h zu Dir, zu Dir!!! Weil Du mir allein Heimat bist mit aller Traute, Heimlichkeit, Schönheit und Süße; Heimat, die ich mir erwarte mit aller guten Herzenskraft, in der ich soooviel zurückließ, an die ich mich verloren habe mit Herz und Sinn, einmal nur in diesem Leben mich ganz verloren habe und gefangen nehmen ließ, in der ich nun ausruhen darf von aller Fremde! Herzlieb! Geliebte! Du! Meine liebe, liebe Heimat!!!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Du! Heut[ nacht hab ich ganz wenig geschlafen – war einpa[ar]mal munter – und habe süß träumen müssen und meine Gedanken zu Dir schicken ins Elbschlößchen und zurück zu den Stunden, da wir so selig waren im Finden und Nahesein! Herzlieb! Wenn ich werd zu Dir kommen nach so langer Zeit, werden wir einander auch erst wieder suchen müssen – Du!!!!!!!!!!!!! Nun behüt Dich Gott auf allen Wegen! Dir und der lieben Mutsch recht gute Erholung. Frau Sch. und allen Bekannten und lieben Plätzchen viel Grüße von [Roland]. Aber nun meinem Herzlieb noch einen viellieben Kuß! Du! Ich halte Dich sooo fest! Ich laß Dich nimmermehr!! Ich bin sooo glücklich in Deiner Liebe, bin Dein, ganz Dein, immerdar! Dein [Roland] – Du, mein Herzlieb!!!!!

Feder gar nimmer zur Ruhe kommen.

Die Deine war ja soo liebfleißig immer jetzt!

Ach Herzlieb! Auf eine Antwort habe ich ein wenig gewartet – und nun wird sie mir heute – und ich habe sie mir ja selbst schon gegeben – genau in Deinem Sinne, Herzlieb! Du hast recht: Nicht immer empfinden wir die Trennung so schmerzlich. Der Schmerz geht vorüber und weicht wieder dem Frohsein. Ach, Geliebte, Du hast es ja erfahren, und nicht mehr von unsres Liebe sagen und unserem Sehnen, das können wir doch gar nimmer – Du und ich. Und er erleichtest doch das Herz ein wenig und befreit. Von unsrer Liebe müssen wir sagen jetzt, da wir einander ferne sind – Du von der hingebenden des Weibes – und Dein Mannerli von der sehnlich drängenden, Du!!!

Ich habe Dich soo sehr lieb!!! Du!!!!! !!!!! !!! Du Herzlieb! Ich komme zu Dir mit meiner Liebe und Sehnsucht! Ich komme zu Dir, Geliebte!!! Du mein liebes, liebstes Weib, Du meine ganze Sehnsucht, Erfüllung meiner Sehnsucht, aller Sehnsucht, Du! Oh Geliebte, sie drängt zu Dir manchesmal mit Übermacht, will verströmen all zu Dir! all zu Dir! Du hast sie befreit – Du hast ihr ein Bett bereitet – Nach seinem Befreier, nach seinem Bett ruft der Storm – Geliebte!

Du, Du!!!!! Ganz leis darf ich es mir nur hersagen, das Süßeste, Allersüßeste: „Oh komm zu mir! Du!!! Ich brauche auch das sehnende Drängen Deiner Liebe, um ganz glücklich zu sein!“ Oh Geliebte! Du!! Mein Weib! Mein liebes, feines Weib!!! Du!!!!! So jauchzt und jubelt es in mir: Du wartest mein! lieb und treu!!! Du bereitest mir Heimkehr und Heimat, mein liebster Kamerad!!! Du bist mein! ganz mein!!! Du mein herrliches Weib!!!

Gott sei mit Dir auf allen Wegen! Bleib mit mir froh und gesund!

Ich küsse Dich ganz lieb! Du!!! Du!!!!! Ich bin Dein! Oh, Geliebte! ganz Dein!! Zu Dir geht all mein Liebgedenken und Liebsehnen und Liebträumen! Du!!! Du!!!!! Mein liebes, treues Herz!

Dein [Roland]! 

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946