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[OBF-410625-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 25. Juni 1941

Mein liebes, teures Herz! Geliebte, Holde mein!

Nun bin ich auf den nächsten Boten doch wirklich gespannt. Du, Postsperre ist für Dich! Du!! Herzlieb! Hoffentlich nicht zu lange! – wer nun in der Sommerfrische wirklich gelandet ist! Schreibst mir heute, wieviel Not Du nun hast mit Pappsch und Mutsch. Ein wenig kenn auch ich den Schmerz. Froh entschlossen und begeistert sind wir Jungen – unschlüssig und zögernd die Alten. Nachtlager? Wird sich finden – sagen wir Jungen. Die Alten wollen nichts mehr riskieren. Wir müssen es ein wenig verstehen. Aber ich gebe Dir ganz recht und bin bös mit Dir und wollte schon Wille machen, wenn ich zu Hause wäre! Da haben sie nun endlich mal Urlaub – haben ihn miteinander und finden das Herz nicht, sich einmal loszureißen und freizumachen. Glücklich hattest Du Mutsch soweit – nun droht Pappsch alles zu stören – es ist zum Donnerwettern!

Du! Geliebte! So lieb, so ganz lieb uns unser Heim sein wird – so gern werden wir doch auch einmal ausfliegen, Ferien zu halten, den Blick zu weiten, die Weite zu schmecken, um dann desto dankbarer Heim und Nähe zu empfinden.

Aber ich hoffe, daß es Deinen Vorstellungen doch gelungen ist, wenigstens die liebe Mutsch mal aus dem Bau zu locken. Du! Herzlieb! ich mein, ich fühl's, daß Du in Schmilka weilst jetzt – weiß nicht recht wie. Mußt mir alle schön grüßen, die Du triffst. Ein paar recht liebe Grüße der Fitzchristel Tante S. husch – husch, Frau Sch. husch-husch, Herrn und Frau H., der Großmutter, dem Adolf, Herrn und Frau Bürgermeister B.

Wenn die Schulkinder nach mir fragen sollten, darfst ihnen getrost mal unter die Nase reiben, daß sie mir nicht geantwortet haben. Na, auf diese Korrespondenz lege ich ja nun augenblicklich auch keinen so großen Wert. Und nun ist mein Herzlieb da in der Sommerfrische, Schmilka Nr. 31b, war es so? Du! Denk Dir nur mal die Geschichte aus. Der Hubo wäre noch ganz ledig – und da kommt mit den Sommergästen so ein lieber, feiner, flügger Sommervogel ins Elbhäuschen geflattert – nicht einer, der schon übersehen wurde – solche ko[m]men meist nur nach Schmilka – sondern ebenso ein liebes junges wie mein Herzlieb! Du! Da hätte der gestrenge Dorfschulmeister von Schmilka ein paar unruhige Wochen gehabt, es hätte ihn nicht gelitten hinter den Büchern – und er hätte oft, heimlich, ganz heimlich, hinter seinem Fenster gestanden und hinübergeschaut nach dem Wiesenplan, wo ‚sie' sich sonnte und wohlig streckte, vielleicht gar einmal als Nacktfröschlein, ganz schicklich, versteht sich, mit Höschen und -  - ach, sagen wir Hosenträgern. Und hätte der Stimme gelauscht und den Gesprächen unten im Garten unterm Sonnenschirm. Und hätte sich wohl ganz heimlich gefreut, wenn ‚sie' ihn beachtet hätte. Und hätte sich wohl auch mal an einem Gespräch beteiligt, hätte nett und höflich sich unterhalten und dann wäre er doch scheu wieder geflohen. Und sein Sehnen hätte er nur gestehen mögen in Tönen.

Und nun hat der Hubo in meiner Geschichte sein Klavier mit im Elbhäusel. Und spielt – und spielt – wie immer – und doch anders – und wenn er das liebe Kind im Hause weiß, dann klingt sie mächtig auf und hindurch, die Sehnsucht, die Zuneigung, das Werben – und dann findet sein scheues Wesen wohl gar einmal den Mut zu einem Lied -  -  - und so wirbt er – und streckt die Fühler aus so eigen und scheu er ist – so eigen muß die sein, die er lieben kann — spürt sie die Werbung in aller ihrer Zartheit, Verhaltenheit, dann ist sie die rechte – sonst ist sie es nicht.

Siehst, Herzlieb! Deinen [Roland] in dieser Geschichte? Ach, es war doch so schwer für mich, nach einem lieben Menschenkinde Ausschau zu halten, mein Wesen anderen verständlich zu machen und [m]ein Gegenbild zu finden. Es müßte doch ein Menschenkind sein, das nicht nur lieb gehabt werden wollte und (zu dem) das Mannerli auf sich wollte zukommen lassen – so kann keine tiefe Liebe sich gründen – sondern das auch selber lieben wollte und dem Mannerli entgegenkommen. Ja, so eines, so ein seltenes mußte es sein. Du!! Du!!!!! Mein Herzlieb!!!!! Die jetzt im Elbhäusel wohnt, die liebe, feine, die Eine, sie ist mein Weib!!! Mein geliebtes Weib!!!!! Mein, Du!!!!!!!!!!!!!!!

Ich hab es gefunden, das liebe, seltene Menschenkind! Es ist mir begegnet. Ist mir geschenkt worden – ist mir bestimmt. Du! Meine [Hilde]!!! Ich habe Dich sooooo lieb!!!!! Ich laß Dich gar nimmer!!!!!!!!!!!!! Du! Und nun darf ich doch ein bissel spuken und scheechen [sic] in und ums Elbhäusel, ja? Du!!! Ich bin doch Dein Mannerli nun! Hab doch überall Zugang! Ja? Du!!!!! Bin fein artig deshalb - und werd immer brav anklopfen und warten, bis jemand so lieb und beseligt „Herein!" bittet, wie der Außenstehende es ist! Du!!!!! !!!!! !!! Hast schon unters Bettlein geguckt, ob da nicht einer steckt? Hast auch den Riegel vorgeschoben und ein Tüchlein vor der Scheibe? Ja, so ein Weiberl ist doch gar ein begehrtes und gefährdetes Ding – ist vor dem eigenen Mannerli nicht sicher – möcht immer fein alles einsperren und zusperren! Hilft ihm beim Dickerle aber alles nicht. Kommt über den Strom, braucht nicht Tür und Fenster – und schlupf, schon ist's bei seinem Herzlieb im tiefsten Schlaf mitten im lieben Herzel drin! Geliebte!!! So mag das Mannerli wohl manchmal sein - aber dann möcht es sein wie tausend Engelein, so fein und zart und leis, sie tragen das Häuslein und lassen es ganz leis und melodisch wiegen – und schweben über der harten Erde - wie tausend Engelein, die lieb und nah sich über ihm neigen und beugen – und streichen über das Köpfchen, und schmiegen sich an das Wängelein – und küssen ihm leis, leis Stirn und Mündchen und Kinn und Händchen – und die es tragen auf tausend lieben Händen, die süße, schöne, köstliche Last – und die ihm singen und spielen, daß es lächelt im Schlummer selig und süß. Oh Herzlieb! Wann werd ich Dir wieder meine Zärtlichkeit bringen dürfen? Du!! Du!!!!! Hast doch erst ein rechtes, frohes Mannerli aus mir gemacht – Du mein liebstes, allerliebstes Weib!!!!!

Ach, der Hubo ist ja sooo froh, daß er seine Jungfräulichke[it] verloren und verlassen hat – Du!!! Du!!!!! Mein Leben ist dazu nicht bestimmt – und nun dünkt es ihm viel schöner und reicher und köstlicher! Mit Dir!!!

Du! Ich freu mich ganz sehr darauf, mit Dir in Sommer und Ferien zu fahren. Deine reiche Freude - und die meine – wird das eine helle, klingende Freude sein. Du! Wenn die beiden dann ausfahren – ein sooooo verliebtes Weiberl und ein sooooo verliebtes Mannerli – und niemand paßt auf – sie werden das Brünnlein leer trinken, Du!!!!!!!!! Oh, ich weiß ein gar verliebtes Weiberl! Ich verrat es aber keinem Menschen, oh nein! Und ich weiß dazu ein ganz verliebtes Mannerli!! Du, Herzlieb!!! Ich habe Dich sooooooo lieb!!!!!!!! So lieb mag Dich wohl niemand sonst haben können, weil außer mir es keiner weiß wie lieb Du bist!!! und reich!!! und schön!!! und wie beseligend, in Deinem Herzen wohnen [sic]!!! Und weil niemand sonst Dich sooo ganz umfangen möchte, und einfühlen in seine Liebe und erfüllen. Und weil Du eben mein bist, Du!!!!! Mein!!!!!!!!!!!!! Ganz? Ganz Mein !!!!!!!!!!!!! Du! Ich weiß ein ganz frohes, glückliches Mannerli – Gott behüte Dich auf allen Wegen

Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946