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[OBF-410626-001-01]
Briefkorpus

Donnerstag, den 26.6.41

Herzlieb, Du!!!

Wo steckst Du denn jetzt? Du? Hubo hat doch frei heute – kommt er gleich ganz schnell zu Dir! Wirst ihn einlassen? Du!! Wenn es in Schmilka so heiß ist wie hier, dann treff ich jetzt ein kleines Evchen, Du!!! Und da tritt zur Tür herein ein – beinahe Adam. Ach, Herzlieb! Was spielen wir denn da gleich einmal? Du?!!! Die alte Geschichte, Du!! Herzlieb!!!!! Du mein Evchen – ja? Und ich der Adam! Eine Schlange brauchen wir nicht – auch keinen Apfelbaum. Ob es Paradies wird dann sein, Du!!!!! selig -  süßes, Geliebte!!!!! !!!!! !!! Du! Herzlieb!

Weißt, worauf Dein Mannerli sich ganz sehr freut – Du!!! – Weibes Schönheit zu schauen! Oh Geliebte! Wie reich kannst Du mich beschenken!!! Das heimlichste, trauteste Geschenk ist es, das Geschenk für den Herzallerliebsten – in der heimlichsten, trautesten Stunde, wenn es uns drängt, einander zu beschenken! Nur Du kannst es mir schenken – nur von Dir kann ich dieses Geschenk annehmen – Nur bei Dir kann ich Weibes Schönheit klaren, ehrlichen, strahlenden Auges schauen – denn nur dem liebenden Auge zeigt sie sich – nur in liebenden Augen mag sie sich spiegeln ohne Scheu.

Oh Geliebte, daß wir sooo uns lieben und nahen dürfen und beschenken – welch unendliches Glück!!!

Du! Ich glaub nicht, daß viele es können – auch von denen, die nun für immer zusammengehören. Du! Es gehört ganz viel Liebe dazu reine, gläubige Liebe – zwei Herzen, die einander immer offen stehen – zwei Glückskinder, zwei hungrige, die sich reiner Freude gern hingeben können. Du!!! Du!!!!! Mein Glücksbringer!!! Meine [Hilde]!!!!! Du! Geliebte!!! Ich bin sooooo ganz glücklich mit Dir!!!!!!!!!! !!! Ich habe Dich ganz sehr lieb! Sooooooooooooo lieb!!!!!

Und heute muß das Mannerli ganz brav sein – gestern auch schon – ich weiß es – ich hab es gemerkt – wenigstens glaube ich es – Du!!!!! Der Prinz und das Dornröschen – sie verstehen einander auch über alle Ferne, Du!!! Und wenn es ruft und sich sehnt, dann will doch der Prinz gleich kommen und ihm alle Sehnsucht nehmen!!! So Herzlieb! Jetzt hat der Hubo aber etwas Wichtiges vor – jetzt läßt er Dich ein Weilchen allein – kannst auch mitgehen - mußt aber draußen warten - nur in meinem Herzen darfst mit hinein – und da bist Du ja immer – Heimlichkeiten? – vorm lieben Weib? – um es dann desto lieber zu haben! Du!!! Und nun noch einen lieben Kuß – auf jede Wange einen – wieviel sind das, mein Evchen? Wenn Du richtig rätst, bekommst sie alle aufs liebe, süße Kußmündel, Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Herzlieb! Schon wieder ist abend. So schnell herum ist der Tag – wir beklagen es alle. Wir haben zu lange Dienst. Ich darf mich noch gar nicht beklagen, ich kann am Vormittag schon um 11 Uhr aufhören. Aber das Programm kommt jeden Tag gerade eben zu Rande, und mal anderen zu schreiben, dazu will gar nimmer Zeit werden, Du! Zum Ausgehen, daß man sich einmal ledig aller Pflicht und Liebespflicht fühlt, dazu ist es überhaupt nicht gekommen. Und am vom Plauderstündchen mit Dir möchte ich doch überhaupt nichts abgeben.

Nun bin ich wieder zurück von meinem Gang – Du! Nun bin ich erst mal gespannt. Du Schlauberger ahnst wohl schon was! Na, hilft Dir nichts, mußt diesmal fein warten – bis zum Geburtstag! Und das Mannerli hat ihn gleich mit, Du!! Du!!!!!

Willst nun auch wieder mal ein paar Neuigkeiten aus Saloniki wissen, denk ich. Herzlieb! Die liegen alle am Rande meines Bewußtseins – und das Herz bewegen sie kaum. Die kleinen Verdrießlichkeiten und Ärgernisse und Intrigen, von denen man erfährt, schon gar.

Der Verkehr im Hafen war weiterhin lebhaft. In den letzten Wochen, bemerkenswert, liefen auch drei französische Schiffe ein. Viel [sic] Schiffe haben nicht Platz im Hafen. In der verflossenen Woche sollte ein Lazarettschiff aus Kreta einlaufen. Es ist auf Grund gefahren und konnte erst nach einigen Tagen wieder freikommen. Mehrere Tage hat es hier gelegen, es ging unweit von unserem Hause im freien Meer vor Anker. Die Lazarettschiffe sind weiß–grün bemalt, rote Kreuze dazwischen – nachts ist es grün und rot beleuchtet, ein schöner Anblick.

Schreibst mir in einem Deiner Boten von einem Oberfrohnaer Fallschirmjäger, der in Kreta eingesetzt wurde. Hast die Verlustlisten nachgesehen im [B]erichte der Heeresleitung? Der Angriff auf Kreta hat verhältnismäßig hohe Opfer gefordert, zumal unter den Fallschirmjägern. Eines Tages war im Hafen eine Gruppe von ihnen angetreten, alle mit dem E.K.II  dekoriert, in englischen Uniformen: Tropenhelm, Bluse, Kniehosen.

Eine neue Uniform haben auch wir vorgestern gefaßt, wir hatten ja noch nicht genug. Bis Du uns mal auf einem Foto siehst, magst es Dir so vorstellen: Hitlerjugend in langen Hosen – braun also, Hemd, Selbstbinder, und dazu eine Schirmmütze wie von einem englischen General. Das ist doch selbst den Vorgesetzten zu viel gewesen – wir müssen diese Angebermützen im Schranke liegen lassen und bescheiden unser blaues Bordmützel dazu tragen; aber zum Spaßmachen und Photographieren holen wir sie schon mal herzu.

Hab ich Dir schon erzählt, wie mein Bettel jetzt aussieht? Hängt ein großer Schleier drüber. An den 4 Bettecken haben wir Holzstäbe befestigt und darüber unser Moskitonetz gelegt, so, daß es ein richtiges Glashaus bildet. Und wenn einer drin liegt, sieht er aus wie ein Brauterich mit dem Schleier. Alle Mücken und Fliegen müssen nun draußen bleiben. Viel haben wir davon noch nicht. Dafür aber noch Wanzen genug. Wenn sie so bei anbrechendem Lichte abziehen, etliche an der Wand in die Höhe strebend, haben wir schon manchmal gerätselt, wo sie ihre Schlupfwinkel haben könnten. Auf das nächstliegende sind wir nicht gekommen, daß sie in unseren Betten mitwohnen. Im Eisengestell, in Fugen und Ritzen und Löchern stecken sie mit Kind und Kegel. Da hat den Hubo doch die Wut gepackt, er hat seine Wanzenkiste auf den Balkon getragen und mal ordentlich dahinter geleuchtet, gewischt, gescheuert. Seitd[em] sind es viel weniger geworden, aber ausgestorben sind sie noch nicht – und jeden Morgen fliegen 2 oder 3 im Netz herum, zum Glück meist außen. Sie werden dann im Morgengrauen vom Mannerli noch vor der Morgentoilette dem Sondergericht übergeben – die Tierchen werden zu intim und zutraulich! Kurz vordem ich bei D.s wegging, entdeckte ich dort zwei solche Tiere. Sie treiben also ihr Unwesen nicht nur in Griechenland.

Mücken wirst Du jetzt mehr zu spüren haben als ich - das ist die Plage aller Bewohner am Wasser. Ich habe unter ihnen wenig zu leiden.

Kamerad H. arbeitet nun wahrscheinlich für ständig unten im Hafen. Das tut un]rer Freundschaft keinen Abbruch – wir sahen uns ja auch bisher erst alle nach Dienstschluß. Kürzlich war für die im Hafen beschäftigten [sic] Gelegenheit, dort Wohnung zu nehmen. Während Kamerad H. ganz eindeutig seinen Willen bekundete, hier wohnen zu bleiben, schwankte Kamerad K. eine ganze Zeit, ob er unser einträchtiges Hausen nicht mit den kleinen Annehmlichkeiten des kürzeren Dienstweges tauschen sollte. Er ist gar ein Stimmungs- und Launenmensch, und der Hader mit seiner Frau ist noch nicht beigelegt. Eines liebevollen, großmütigen Nachsehens und Verzeihens ist er unfähig. In den letzten Tagen hatten beide Kameraden Geburtstag – sie sind von Hause lieb bedacht worden.

Herzlieb! Es geht auf 11 Uhr. Wirst denn schon schlafen? Oder noch mit der Fitzchristel Scheibentante zusammensitzen? Aber so lange bleibt die nicht auf, es kostet ihr zu viel Licht. Ach Du! Laß mich noch bissel mit ins Bettlein [kri]echen, bitte, bitte! Will noch bissel bei meinem müden Bübchen sein! Hatte früher solch langen, tiefen Schlaf – wie ein Liebkindchen noch – kam der Hubo mit seinem kurzen sich ganz alt vor! Jetzt ist's anders, ein wenig – und das Schlafen wird dem Hubo sein Weiberl fein wieder lernen! Ja?!! Nimm es ihn fein beim Händchen – und dann zählen wir – und dann schlafen wir! Ach Herzlieb! Bei Dir werd ich doch erst recht zur Ruhe kommen – nicht zur Karpfenruhe – sondern zur glücklichen, gesunden Ruhe. Nach der langen, ruhelosen Fahrt, nach dem langen Sehnen und Suchen endlich eine Rast, eine Ruhe, eine Bleibe, eine Einkehr und Heimat! Oh! Er ist gar bei einer lieben Wirtin eingekehrt – und es gefällt ihm nun so gut, nie mehr mag er ziehen! – und großen Hunger und Durst bringt er mit! Herzlieb! Daß ich Dich fand!!! Ich bin soo froh und dankbar darum! Daß wir uns trafen, unsre Wege sich kreuzten – daß wir uns begegneten im Herzen, im Sehnen, im Suchen nach dem Glück! Du! Du!! Nun muß ich Dich soo sehr liebhaben – muß an Deiner Seite gehen, das ganze Leben, oh wie gern! - Und Du hast mich wieder lieb? Du?!!! Oh, Du hast mich ganz lieb, ich weiß es!!! Nun warten wir nur beide auf den Tag, da wir unsrer Liebe leben dürfen, da wir uns täglich die Hände reichen und Aug in Auge ruhen dürfen. Das möchte ich doch soo gerne.

Sooo, Herzlieb! Nun ist auch der Hubo müde heute - ganz froh und selig müde – ganz brav ist er heute, im Briefe, – und wenn ich bei meinem Herzlieb wäre – auch ganz brav, Du!!! Nur das liebe, weiche Wängelein wollt ich fühlen – und das Händlein, das rechte [sic], das hält mein Lieb umfangen – und das Linke, Du! Du?!! Weiß nicht, was ihm mein Herzlieb schenkt! Du!!! Du!!!!!

Nun behüt Dich Gott! Er schaue gnädig auf unser Glück und führe uns recht bald zusammen!

Herzlieb! Noch recht viel schöne Tage wünsche ich Euch, und gute Erholung und viel inneres Ausspannen und Frohsein! Und ich freue mich ja so sehr auf Deine lieben Boten aus dem Elbschlössel.

Du! Ich küsse Dich viellieb! Ich halte Dich ganz fest! Ich habe Dich sooooo lieb! Du!!

Mein liebes, teures Weib! Mein Herzlieb!

Dein bin ich, ganz ganz Dein!!! Unverlierbar!!!

Dein [Roland]!!!

Liebste, Holde mein!!!

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Roland Nordhoff in Marineuniform mit dunkelblauer Schirmmütze, der für die Kamera posiert. Im Hintergrund ein Ort am Hang eines Berges, am linken Bildrand befinden sich zwei Zypressen.

Ba-OBF K01.Ff5_.A9, Roland Nordhoff, April 1941, Thessaloniki, Fotograf unbekannt.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946