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Briefkorpus

Großdehsa, am Dienstag den 1. Juli.

Herzallerliebster! Du mein liebes, teures Herz!

Heute endlich, Geliebter, kamen zwei liebe Boten von Dir an! Ach Du!! Wie soll ich sie benennen? „Liebesfreud" den ersten, „Herzeleid" den zweiten – Du!! Sonnabend vor dem Kriegszustand mit Rußland:, [sic] alles in Dir will jubeln und will die große, innere Herzensfreude künden, die ich Dir mit einem [m]einer Boten angezündet hatte. Ach, Herzlieb mein! Ich könnte Dir vor Liebe, vor großer Liebe um den Hals fallen – könnte Dich herzen und küssen! Oh Du!! Wieviel Sehnsucht wecken Deine lieben Worte! Herzallerliebster mein! Ich sehne mich sooo nach Dir! Aber Du sollst wissen, daß ich diese, meine Sehnsucht ganz tapfer trage! Du! Ich weiß, daß wir ganz stark sein müssen um unsrer [g]roßen Liebe willen! Du!! Ich kann stark sein, ich will es mit Dir, mein Lieb! Wir müssen sie erhalten unsre Liebe, das Beste was uns noch auf dieser Erde blieb – nichts ist uns so teuer und ‚heilig', als ihr Besitz! Ach, Du und ich, wir wissen ja darum! Geliebter mein!! Mein Leben! Und ich glaube fest, Gott hat sie uns ins Herz gegeben – Gott hat uns zusammengetan, daß wir wachsen in dieser Liebe, daß wir erstarken in ihr. Mein [Roland]! Daß wir einander soo fest und soo lieb und treu an den Händen h halten dürfen in dieser bösen Zeit – ich danke es Gott! Er steht gnädig über unserm kleinen Geschick – er ist bei uns alle Tage, wir spüren seine Liebe und Gnade. Ach Herzlieb! Gott ist uns so nahe in dieser Zeit – aber trotz aller Härte, die uns fühlbar wird, spüren wir tief beglückt die unendliche Sicherheit, die von seinem Walten ausgeht – seine unendliche Macht und Weisheit läßt uns stum[m] und demütig werden – läßt uns aber auch ganz ruhig und vertrauensvoll dem kommenden ins Auge sehen. Wir, die wir an unsern Herrgott glauben, wir können an dieser Wirrnis nicht zugrunde gehen, können nicht zerbrechen an dem Wahnsinn einiger Menschen, die sich berufen dünken die Geschicke der Völker zu leiten. Du!!

Wir haben viel gelernt in unsrer Zeit. Vor al[le]m uns beherrschen – uns gedulden. Und wir müssen die beiden Dinge noch besser lernen!

Geliebter! Gewiß, wenn wir wieder vor eine neue grausame Wirklichkeit gestellt werden[,] fragen wir uns: können wir das ertragen?

Ich bin auch immer eine Zeitlang [sic] bedrückt und muß mich hindurchringen zum Licht, das diese Finsternis durchbrechen möge. Aber: ich will.

Ich muß; um unsretwillen – um unsrer Liebe willen will ich den Weg gehen, den der Herrgott vorschreibt. Du!! Geliebter! Um Deinetwillen kann ich so stark sein – um Deinetwillen nur verliere ich niemals den Mut! Ich bin Dir verbunden mit Leib und Seele – mein ganzes Sein gehört Dir. Und nur der Gedanke an Dich, an unsre schöne, einzige Liebe läßt mir dies Leben erträglich werden. Was nur, wenn ich Dich nicht hätte?

[O]h Geliebter – ich mag diesen Gedanken nicht zu Ende denken! Du!!

Neues Dunkel ist aufgezogen am Himmel – wir dürfen nicht verzagen! Nein! Herzlieb! Du!!

Wir haben ein Ziel! Ein leuchtendes, herrliches Ziel: Wir müssen darum kämpfen und wenn wir unser Herzblut geben! Ich lasse Dich nicht! Du!! Ich will Dir bleiben! Ich muß Dir bleiben! Wie Du mir bleiben mußt! Geliebter!

Und wo so viel heißes Wollen ist, da kann Gottes Gnade nicht vorübergehen – nimmermehr. Du!! Ich glaube, daß uns Gott zusammengab! Darum fürchte ich nicht, daß er uns trennt. Geliebter! Glaube mit mir! Du!!

Sei froh und zuversichtlich mit mir!

Ich liebe Dich – Du liebst mich!

Um diese beglückende Gewißheit kreist unser Leben und Gott steht über uns – unser Vater! Geliebter! Ist das nicht Trost? Reichster Trost? Wer könnte uns trösten, uns beide, in unserm Schmerz um die neue Wende auf dem Schlachtfeld der Völker? Keine noch so gutgemeinten Reden Fremder. Wir sind einander Halt und Zuspruch genug – den Trost allein lesen wir aus der allerbarmenden Gnade und Güte Gottes, der in seiner beispiellosen Weisheit den Geringsten bedenkt und einbezieht in seinen Plan. Du und ich, wir s[i]nd nicht allein, bei aller Ferne[,] die sich zwischen uns schiebt äußerlich. Mein [Roland]! Liebster! Ich könnte überlaut weinen vor Glück, daß wir beide in Gott leben, daß wir Gotteskinder sind. Wie arm, bitter arm sind diejenigen, die Gott nicht kennen, in unsrer schicksalsschweren Zeit! Komme was kommen will: wir nehmen es aus Gottes Hand, vertrauensvoll-gläubig, wie ein Kind den gütigen Rat seines Vaters – Du und ich, wir hängen nur umso inniger an unserm Herrgott – wir gehören ihm bis an unser Ende, wir gehören ihm mit Freuden, wir gehören ihm so ganz. Geliebter!

Es ist wieder ein Zeitabschnitt gekommen, da wir unsern Trauspruch deutlicher denn je vor unserm Auge stehen sehen! Wir kennen unseren Weg,. [sic] Nichts und niemand in der Welt kann uns beirren. Wenn wir einander nur verstehen, wenn wir nur froh und glücklich sind – die große Welt kümmert uns so wenig. Was ist der Preis, der uns verlockte mit dieser heutigen Welt in Einklang zu kommen? Unsere Sehnsüchte, unsere Wünsche liegen anderswo. Unser Glück liegt bei uns, in unserm tiefsten Verstehen beschlossen und keiner sonst, als Gott allein hat Zutritt in unser Inneres.

[M]ein [Roland]! Du mein Sonnenschein! Mein Leben! Bei allem Ernst der mich erfüllt jetzt, bin ich doch so innerlich glücklich und froh und fühle mich Dir inniger verbunden denn je. Die Sorge führt uns so innig zusammen, die Sorge um das Liebste auf Erden. Ein Jahr ist nun bald hingegangen, daß wir vor Gott uns verbanden zum Weg ins Leben.

Viel Glück und Segen – viel Sorge und Weh traten [u]ns auf diesem Weg bis hierher entgegen. Doch sieh, mein Lieb! Siegte nicht immer und immer wieder das reine Glück unsrer Liebe über allem Dunkel, das die Zeit mit sich brachte? Froh erkennen wir uns beglückt, daß unsre Liebe stärker ist als alles Ding in der Welt! So war es immer – so ist es noch, und so wird es bleiben! Geliebter! Ich bin Dein! Du bist mein! Frohe, selige Glücksmelodie, die mein Leben begleitet! Und ich weiß, auch Du bist erfüllt vom Glück unsrer Liebe – auch Dir ist unser Einssein Inbegriff alles [sic] Lebens und Strebens geworden.

Unser Herrgott schenke uns ein gemeinsames Leben nach diesem Kriege! Ob in Armut – in Wohlstand, ach, [Roland]! Geliebter! Was gibt’s? Ich bin der glücklichste Mensch auf Erden, an Deiner Seite! Wir sind jung, lebensfroh – wir sind ganz eins! Und wir haben die Kraft, uns ein Leben aus eigner Kraft zu zimmern! Ich weiß das, beglückt! Geliebter!! Ich bin bei aller Schwere dieser Zeit so f[ro]hgemut! Sei es mit mir! Ich liebe Dich! Du sollst Deine [Hilde] in der Heimat wissen[,] ganz glücklich und froh! Ich bin es, weil ich Dich habe!

Was braucht es mehr? Unsre Liebe bleibt bestehen! Mag alles wanken! Meine Liebe und Treue nimmermehr. Ich warte auf Dich mein Herzensschatz! Lange!! Ich warte bis Du kommen wirst – zu mir!! Laß Dir danken für Deine große Liebe! Oh Du[!!] Wollte ich all Deine Gedanken heute aufnehmen und fortführen – es hätte kein Ende heute! Geliebter! Wisse froh und glücklich, daß ich Dein bin! Immerdar – in Liebe und Treue Dein!

Ich liebe Dich! Und ich halte Dich sooooo fest! Du mein Herzensschatz! Mein Glück, mein Leben!

Gott erhalte Dich mir! Er führe Dich gesund heim! Ich warte Dein – immer – Geliebter – immer! Ich halte Deine Heimat offen – Dir allein!

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946