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Briefkorpus

Großdehsa am Mittwoch, 2. Juli 41.

Mein liebes, teures Herz! Du mein lieber, guter [Roland]!

Heute habe ich mich schon am Morgen hingesetzt, Dein zu denken. Heute Nachmittag kommt Besuch, Marianne mit Christian aus Löbau. Da komme ich nicht dazu, mich zurückzuziehen. Seit wir in Großdehsa sind regnet es nun, das ist so schade! Wir können uns garnichts weiter vornehmen, als [m]al einen kurzen Gang durch die Felder, einmal sind wir nach der kleinen Landeskrone. Gestern gegen Abend spazierten wir alle nach Kleindehsa zu und wurden wieder von einem Platzregen überrascht. Vorgestern Abend waren wir alle zu Haus versammelt beim Tisch-Tennis, ich habe mich garnicht dumm angestellt!, auch der Nachbar, der junge Herr L. war dabei. Bis auf Mitter[n]acht dauerten die Tenniskämpfe – früh waren dann alle noch müde. Im Garten arbeiten wir täglich paar Stunden, wenn es das Wetter erlaubt. Bohnen sind gestengelt, Salat ist gepflanzt, Unkraut gezogen – alles klappt. Heute früh sollte Fidi eigentlich Schule haben, doch die Kinder sind zum Bauer zum Rüben verziehen. Sie ist froh, daß sie zu Hause bleiben kann. Heute ist Nähstunde, alles flickt und stopft – bloß die [Hilde][,] die ewige Schreiberseele, sucht ihre Beschäftigung anderswo! Du!! Der Vater kann mich manchmal fuchsteufelswild machen! Die übrigen Mitbürger sind ganz friedlich, mir gegenüber.

Herzlieb! Wir wollen am Freitag wieder heim, ich freue mich darauf. Ich habe keine Not hier in Dehsa – aber ich fühle mich nicht recht zuhause hier.

Du!! Ich hab Dir’s schon erzählt – und Du kannst mich gewiß verstehen, Herzlieb – Du kennst das Haus in Großdehsa. –

Ich wollte Dir nun so gerne das Buch schicken, doch es sind nur Pakete bis zu 100g Schwere erlaubt. Nicht einmal das kleine Geschenk für den Hochzeitstag konnte ich vollkommen abschicken – es fehlt der Rahmen – mußt Dich noch gedulden mein Lieb! Es kommt alles nach!

Eben fällt mir etwas ein. In Schmilka auf dem Postamt lagen alle Deine braunen Hefte, „Zeitsch[rif]t für das deutsche Geistesleben". Ich war ja platt! Herr H., der Briefträger, hatte mir ein Heft nachgeschickt, als Du eingezogen warst und dann keines mehr. Nun hab ich’s ihm aber nochmal scharf gemacht. Bei Gelegenheit, wenn Du’s wünschst, schicke ich sie Dir mal hin? Oder ist das zu umständlich für Dich wegen der Aufbewahrung? Schreibe mir, wie Du dazu denkst!

Mich wundert nur, daß mir der Verlag die Rechnungen nach Oberfrohna schickte und keine Zeitschriften. Scheinbar sind Rechnungsabteilung und Zeitschriftenabteilung getrennt, anders kann ich mir dieses Durcheinander garnicht denken. Na gut!

Nun bekommen sie auch ihr Geld.

Mein Herzlieb! Heute Nacht habe ich so unruhig geschlafen, ich war immer wach – ich mußte so oft Dein denken. Du!! Deine lieben beiden Boten, die ich gestern bekam, beschäftigten mich bis in die [N]acht hinein, Du! Ach – wenn ich doch jetzt allein sein könnte mit Dir, Herzlieb mein!

Ich möchte so gerne mit Dir weiter sprechen darüber, was Du so leis und lieb berührst! Geliebter! Du!! Du verstehst mich sooo lieb – ich verstehe Dich ebenso lieb! Unser Kindlein – es beschäftigt mich so lange, dieses Kapitel – ach Du!! Wenn ich jetzt Dir all das sagen will, was ich dazu denke, [d]ann wird es nicht so ausfallen, wie ich will und wie ich es meine. Geliebter! Es fehlt mir das Alleinsein – ich kann keine Ruhe finden, mich Dir so ganz von innen heraus mitzuteilen. Du wirst mich verstehen, mein [Roland]! Ich muß dies aufschieben bis dahin, da ich wieder daheim sein kann! Und ich bitt’ Dich ganz lieb – Du! Wart’ ein wenig – ich spreche Dir noch davon, Geliebter! Laß’ mich erst daheim sein! Du!!! Mein [Roland]! Ich meine all das, was ich Dir hier in Dehsa aufschreibe nicht minder lieb und herzlich als sonst! Ich schreibe Dir immer, wenn ich nur kann – nur, daß Du immer ein Lebenszeichen von mir hast! Du!! Und daß Du weißt, wie ich immer Dein denke, daß ich Dich sooooo lieb habe, oh – sooooo lieb, mein [Roland]! Du!! Ich kann Dich doch nimmermehr vergessen – ich bin Dein mit meinem ganzen Herzen, mit meiner ganzen Seele – ach Geliebter! Du!! Du hast mich sooo ganz in Deiner lieben, l[ieb]en] Gefangenschaft – Du!! Ich gehöre Dir für alle Zeit. Mein [Roland]! Mein Herzlieb! Mein Mannerli! Mein! Mein!! Mein!!! Lieber, süßer, allerliebster Herzensschatz! Mein herzliebes Schätzel, Du!!

Oh – wie ich Dich liebe, liebe!

Jetzt muß ich aufhören! Geliebtes Herz!

Ich kann meine Sehnsucht und Liebe kaum noch verbergen – ich könnte, ich könnte – [ac]h Herzlieb, ich könnt’ grad’ aus der Haut fahren vor lauter Liebesglück und Sehnsucht! Du!!! Du!! Ich küsse Dich ganz lieb! Ganz tüchtig, Du!!! Ich möcht mich ganz, ganz dicht und fest an Dein liebes Herzel [Herzchen] kuscheln – ach Du!! Ich möchte doch vor lauter Liebe in Dich hineinkriechen – nein, ich möcht['] Dich gleich auffressen vor Liebe!! Du!! Du!!! Du!!!!! Ich liebe Dich, mein Herz! Gott sei mit Dir allezeit! Mein Geliebter! Mein [Roland]! Ich bin Dein! Dein!

Immerdar Deine [Hilde].

Du!!!

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946