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Briefkorpus

Dienstag, den 8. Juli 1941

Mein liebes, teures Herz, meine liebe, liebste [Hilde]!

Du! Ich hab Dich ganz liebhaben müssen diese Nacht! Herzlieb! Ich gab mir nun ganz viel Mühe und nehme mich zusammen – und ich glaube auch, es ist schon besser geworden. Gestern am Tage stand ich schon unter einer gewissen Spannung. Ich bin schon um 10 Uhr schlafen gegangen, bin auch gleich eingeschlafen. In der Nacht bin ich erwacht, weiß nicht um welche Zeit – und mir war unruhig ums Herz, und anders noch! „Komm! Komm zu mir!“ Geliebte! So rief es in mir – so riefst Du – sehnsüchtig – und verheißend, auch Ruhe und Befreiung. Und da hab ich Dich in meine Arme schließen müssen – und ich habe Dich geschaut im Geiste – und habe mit Dir geredet, Herzlieb!!! Herzlieb!!!!! Und habe Dich müssen ganz liebhaben!!! Heute ist mir nun leichter und wohler. Ach Geliebte! Es ist eine Not! Ich habe das früher nicht gekannt. Was mich bedrängte, das suchte sich im Traume einen Weg, selten. Ich kann nicht träumen von Dir! Warum nicht? Ich weiß es nicht. Früher konnte ich es. Geliebte! Meine [Hilde]!! Ich bin ja ganz bei Dir, wenn ich so Dich liebhaben muß!!! Aber ich mag es doch nicht! Es ist eine Schwäche. Und deshalb bin ich nicht froh. Es wird besser werden! Und mein Geständnis wird mir helfen dazu. Geliebte!!! Herzlieb!!!

Mein liebes, teures Herz! Diese Zeilen – Du kannst an der Tinte erkennen wie weit – schrieb ich heute am Morgen in der Schreibstube, als ich [eine] ½ Stunde ganz allein war. Jetzt, um Mittag, liegen zwei liebe Boten neben mir von meinem Herzlieb, von meinem lieben, lieben Weib!!! Oh, ich bin Dir sooodankbar darum, sooovon ganzem Herzen dankbar, Geliebte!! Geliebte!!!!! Du hast mich sooo  lieb, sooolieb!!! Und so wie mir macht sie Dir Schmerzen, die Liebe. Und Deine große Liebe und Sehnsucht, sie reicht bis zu mir, sie ruft mich – ich höre es doch, ich höre es doch – sie trifft mich so unwiderstehlich – ich glaube auch am hellen Tag, und zur selben Stunde! Herzlieb! Ich danke Dir von ganzem Herzen, daß Du mir erzählst von Deinem Traume – ich habe Dein ganzes Vertrauen. Herzlieb, nichts kann meine Schwäche entschuldigen – aber mein Sehnen, mein Verlangen, ich weiß es nun, es kommt nicht aus der bösen Lust – das würde mich ganz unglücklich machen – es kommt, weil wir uns so sehnen müssen eines nach dem anderen. Herzlieb, Du darfst es mir glauben, in dieser fremden Stadt ist nichts, das mich reizt, auch nur im kleinen, kein Mädchen, keine Frau – von einem Sehnen, das so übermächtig werden kann, gar keine Spur. Du ganz allein hast den Quell meiner Liebe angeschlagen – und Deine Liebe speist ihn – und Dir springt er nun. Alle Süße und Seligkeit des Liebhabens, ich erlebte sie doch mit Dir zum ersten Male – mit Deinen glückstrahlenden Augen und Deinem Bilde wird mir alles Liebesglück unlösbar verbunden bleiben für dieses ganze Leben – unauslöschlich: Du, wir müssen einander doch sooo sooo liebhaben!!!!!

Nun mag ich dem heute aber gar nicht mehr nachhängen. Herzlieb, Geliebte!!! Du wirst mir verzeihen?!! Ja, Du!!! Du!!!!! Und wenn ich dann bei Dir bin, dann hat der Strom unsrer Liebe wieder sein gutes Bett! Oh, gebe Gott, daß es recht bald geschehen möge!

Herzlieb! Nun will ich aber erst von meiner großen Freude Dir berichten. Ist doch ein Bote dabei, den darf ich gar nicht aufmachen! Ich hab mir doch die Post vorhin zum Mittagessen aus dem Hafen mitgebracht – und da hab ich den beiden Boten gleich unten in der Schreibstube den Bauch aufgeschlitzt – da haben mir H. und K. die verbotene Tür gleich zugesiegelt – drei rote Siegel sind darauf – Du, ich hätte Dir auch so gefolgt – glaubst mir das? Ganz gewiß, Herzlieb! Daß Du mir eine ganz besondere Freude bereiten willst, das könnte ich niemals mißachten! Du!!! Und darin hast mir doch auch vertraut. Ich habe ihn schon fein versteckt, den lieben, liebsten Boten, Du!!! Du!!!!! Aber befühlt habe ich ihn, Du!!! Ist nicht bloß ein Brief – steckt noch etwas drin! Du!!! Du!!!!! Wie ich darauf mich freue!!!!! Und welchen großen Herzenswunsch Du mir damit erfüllst, geliebtes Herz!! Oh laß Dir danken, jetzt schon, mit diesen Worten! Und am Sonnabend, da nehm ich ihn mit ins Bettlein, den Boten, und am Sonntagmorgen beim Erwachen will ich ihn erbrechen und mich beschenken lassen von meinem Herzlieb! Du!!! Ich freue mich ganz sehr! Liebes, liebstes Weib! Meine [Hilde]!!! Oh, Geliebte, ich bin so reich und froh und glücklich mit Dir! Du bringst mir soooviel Sonnenschein und Lebenskraft!

Herzlieb! Es tut mir nun richtig ein wenig leid, daß Du Deinen Urlaub an einem Ort verbringen mußtest, an dem Du Dich nicht wohl fühlen kannst. Ach, wenn nur noch ein paar Sonnentage gekommen sind, daß Ihr habt im Freien sein können. Das versöhnt mit vielem. Das ist nun dort eines der schönsten Fleckchen in der Lausitz – wie gern wollte ich mit Dir seine Schönheit trinken einmal und Dich dort führen – und landschaftlich das am wenigsten Herbe, das wärmste, vor allem wegen der Form des Löbauer Berges: und trotzdem ist es nicht heimlich. Ich verstehe Dich doch ganz und empfinde doch ganz so wie Du – auch meinen Eltern geht es so und ich habe eigentlich nicht verstanden, wie sie sich dort niederlassen konnten. Und das Unheimliche, die Kälte, kommt von diesem Hause, dem unwohnlichen. Es ist gebaut als eine Wirtschaft für einen Kleinbauern mit Viehhaltung und Gelegenheit, Futter zu kochen. Der Bauer, der zwischen drin[nen] und draußen immer ab und zu geht, und dem das Haus nur Schutz gegen das schlimmste Wetter und ein Dach zur Nacht gewähren soll im Winter, dem ist das genug. Aber uns Stadtmenschen, die Häuslichkeit in ganz anderem Sinne pflegen, ist das zu wenig. Und Elfriede und Lotti haben nicht Energie genug, das zu ändern. Ich glaube nicht, daß es ihnen selber gefällt. Immerhin wundere ich mich schon immer über Elfriede, daß sie nicht mehr Sinn hat für ein schönes Heim. Du warst ja mit in der B.er Wohnung. Die liebe Elfriede war schlimm daran, als sie heiraten wollte. Der Vater war eben gestorben. Aber seitdem sind nun schon etliche Jahre hingegangen – und es ist kaum noch etwas geschehen. Nun ist daran auch Hellmuth schuld, indem er die Fragen nach dieser Häuslichkeit als zweiten Ranges außer acht läßt – obwohl ihm nicht so zu Sinn ist, obwohl er gerade soviel vom schönen Bauen und Wohnen gelesen und gesehen hat. Er ließe sich führen und bestimmen, wenn Elfriede nur, wie es ihr zukäme, diese Häuslichkeit recht fordern und vertreten würde. Sie aber hat sich – Hellmuth gewiß zu großer Freude und zu Ansporn – ganz in seine Arbeit vertieft, sie will ihn fördern und ihm überallhin folgen.

Herzlieb, was soll man dazu sagen? Meinst Du, ich möchte mich mit einem Wort nur da einmischen, obwohl ich Hellmuth am allerbesten kenne? Ich kann es nicht. Sie müssen auch ihren Weg gehen. Wieviel Güte, wieviel Sorge und auch Ärger haben Großmutter und Mutter schon daran verschwendet! – Du weißt es. Herzlieb! Ich glaube, Du hast mir noch gar nicht den Schrecken gestanden, den Dir der Besuch in der Bischofswerdaer Behausung eingejagt hat damals. Du! Ich kenne Dich doch! Die Häuslichkeit, der Kreis Deines Schaffens, das Heim, der Ort unsres Liebens und Feierns – Du!!! wie wert sind sie uns, wie lieb und sehnend kreisen darum unsre Gedanken – ganz, ganz verstehen wir uns darin. Herzlieb! Dein Mannerli mag nicht verzichten auf die Wärme und Behaglichkeit des Heimes – oh nein! Daß Du es mir bereiten willst, das ist ein ganz großes, liebes Geschenk. Du! Herzlieb! Ich glaube, zwischen uns ist mehr Wärme und Liebe – Du! Ich brauche sie, Wärme und Liebe, oh Herzlieb, ich will mich von Dir beschenken lassen damit, Du Liebereiche, und ein bissel verwöhnen darfst Dein Mannerli, wenn es niemand sieht, und ganz lieb um es herum sein – magst das, Du?!!! Und ich muß Dich doch sooo liebhaben dann – und muß Dich auch ein bissel verwöhnen dürfen, ja! – und zärtlich und lieb zu Dir sein. Ach Du, das sieht geschrieben alles so dumm aus – aber vor meinem Auge steht es, Du! Du!! So wird es sein zwischen uns. Viel Liebe und Wärme! Daß wir darüber vergessen und versäumen könnten, einander ganz zu verstehen? Oh Herzlieb! Das brauchen wir gar nicht zu fürchten! Näher als in der Liebe können sich Menschen gar nicht kommen – und wählten sie ihre Worte noch so fein und schliffen ihre Gedanken! Herzlieb, wir sind uns so nahe! Du weißt gar nicht, welch großes Glück es mir bedeutet, daß Du mir geschenkt wurdest!– Ich liebe Dich sooo sehr, wie Du eben bist – und Du mußt es fühlen, wie Du mich ganz erfüllst, wie gut ich zu Dir passe, wie ich mich bei Dir so ganz zu Hause und glücklich fühle – bei Dir, bei Dir!!!!!

Wärme, Sonnenschein und Liebe strahlt Dein Wesen – und dieses Strahlen hat Wärme, Sonnenschein und Liebe meines Wesens geweckt – und nun ist ein Strömen und Strahlen zwischen uns – und gerade nur zwischen mir und Dir – weil wir einander ganz gehören – weil wir einander so liebhaben müssen! Du!!! Du!!!!!

Herzlieb! Daß ich so lange im elterlichen Nest hockte, daß ich mich gar nicht erklärte, daß ich mich gar nicht hingezogen fühlte scheinbar zu weiblichen Wesen, das haben selbst die Eltern an mir mißverstanden. Bis zu meinem Studium wollte ich mich überhaupt nicht binden. Man hat mir mein Warten ausgelegt als Ungeschick, Schüchternheit, vielleicht auch als Kälte und Nörgelsucht. Und Du kannst Dir denken, daß es an Anspielungen nicht gefehlt hat. Alle guten Gelegenheiten und bequemen Verbindungen ließ der Hubo an sich vorbeimarschieren. Nein Herzlieb! An Gelegenheit und Bequemlichkeit habe ich nie gedacht und nach diesen Gesichtspunkten hätte ich nie gewählt! Alles rechte Glück muß sich fügen, das glaubte ich. Du weißt, eine Zeitlang tat sich auch die Möglichkeit einer Verbindung mit Lotti auf. So gute Mädels H.s alle sind – Lotti ist die kühlste von ihnen. Wärme und Liebe und dunkle Tiefe und Mütterlichkeit? Oh Herzlieb, Geliebte! Zu Dir fliehe ich, flüchte mich in Deinen Schoß, an Dein Herz, zu Deinem Wesen!! Bei Dir ist Wärme und Liebe und dunkle Tiefe und Mütterlichkeit – Mütterlichkeit!!! Zu dem Deinen neigt mein Wesen sich – an Deiner Liebe entzündet sich die meine – mit Dir will ich gehen!! Dich kann ich lieben!! Dich muß ich lieben!!!!! !!!!! !!!

Gott behüte Dich! Mein liebes treues Weib!

Ich habe noch viel zu antworten auf Deine Boten – auch ganz Liebes Dir noch zu sagen – ich muß  jetzt Deine lieben Hände lassen – Du! Am liebsten hielte ich sie immer fest! Du! Ich habe nur noch Zeit, Dir zu schreiben: Und werd doch damit gar nicht fertig!

Du!! Du!!!!! Ich küsse Dich ganz lieb!

Geliebte! Ich bin Dein! Ganz Dein!

Bin Deiner sooo froh u. glücklich!

Ich liebe, liebe Dich!!!!! Du! Du!!!

Ich bleibe in Liebe und Treue allzeit Dein [Roland]

Herzlieb!!!!! !!!!! !!!

Viel liebe Grüße an die Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946